christlichen die Lieblingsgegenstände der Malerey. Wie in die- sen das Naive und Zärtliche, so ward in den Aufgaben aus der Leidensgeschichte nicht mehr das Erhabene und Siegreiche, vielmehr nur das Rührende hervorgehoben -- die unmittelbare Folge jenes schwärmerischen Schwelgens im Mitgefühle der irdischen Schmerzen des Erlösers, dem der Hl. Franciscus durch Beyspiel und Lehre eine neue und bis dahin unerhörte Energie verliehen hatte. -- Diese modern-christlichen Kunst- aufgaben umfassen allerdings so viel menschlich Wichtiges und Anziehendes, daß wir deren Einführung im Ganzen als eine wesentliche Bereicherung betrachten, unter allen Umständen zu- geben müssen, daß sie viele der schönsten Leistungen der neu- eren Kunst veranlaßt haben. Doch sind sie einleuchtend nicht, wie man wohl hinzuwerfen pflegt, aus dem Bestreben ent- standen, den Ideen des Christenthumes ihre ganze Tiefe, ihre ernstere Seite abzugewinnen.
Uebrigens fehlte es sowohl jener Hinneigung zum Hoch- alterthümlichen bey den Sienesern, als besonders der Objecti- vität der Florentiner, an Consequenz, oder an entschiedener Durchführung des Wollens.
Unausgesetzt verfolgt, mußte die giotteske Richtung auf Mannichfaltiges und Lebensreiches die Florentiner ungleich frü- her, als geschehen ist, mit der Bedeutung der Formen, besonders in den Gesichtsbildungen, bald auch mit den allgemeineren Gesetzen des sich Gestaltens und Erscheinens vertraut machen. Indeß durchkreuzte sie eine gewisse Befangenheit in den Ma- nieren und Formen, in welchen der große Erneuerer ihrer Schule sich ausgedrückt hatte; ich möchte sagen: die Scheu, jene engen Grenzen zu überschreiten, innerhalb welcher die Darstellung eines so hochverehrten und allgefeyerten Künstlers
chriſtlichen die Lieblingsgegenſtaͤnde der Malerey. Wie in die- ſen das Naive und Zaͤrtliche, ſo ward in den Aufgaben aus der Leidensgeſchichte nicht mehr das Erhabene und Siegreiche, vielmehr nur das Ruͤhrende hervorgehoben — die unmittelbare Folge jenes ſchwaͤrmeriſchen Schwelgens im Mitgefuͤhle der irdiſchen Schmerzen des Erloͤſers, dem der Hl. Franciscus durch Beyſpiel und Lehre eine neue und bis dahin unerhoͤrte Energie verliehen hatte. — Dieſe modern-chriſtlichen Kunſt- aufgaben umfaſſen allerdings ſo viel menſchlich Wichtiges und Anziehendes, daß wir deren Einfuͤhrung im Ganzen als eine weſentliche Bereicherung betrachten, unter allen Umſtaͤnden zu- geben muͤſſen, daß ſie viele der ſchoͤnſten Leiſtungen der neu- eren Kunſt veranlaßt haben. Doch ſind ſie einleuchtend nicht, wie man wohl hinzuwerfen pflegt, aus dem Beſtreben ent- ſtanden, den Ideen des Chriſtenthumes ihre ganze Tiefe, ihre ernſtere Seite abzugewinnen.
Uebrigens fehlte es ſowohl jener Hinneigung zum Hoch- alterthuͤmlichen bey den Sieneſern, als beſonders der Objecti- vitaͤt der Florentiner, an Conſequenz, oder an entſchiedener Durchfuͤhrung des Wollens.
Unausgeſetzt verfolgt, mußte die giotteske Richtung auf Mannichfaltiges und Lebensreiches die Florentiner ungleich fruͤ- her, als geſchehen iſt, mit der Bedeutung der Formen, beſonders in den Geſichtsbildungen, bald auch mit den allgemeineren Geſetzen des ſich Geſtaltens und Erſcheinens vertraut machen. Indeß durchkreuzte ſie eine gewiſſe Befangenheit in den Ma- nieren und Formen, in welchen der große Erneuerer ihrer Schule ſich ausgedruͤckt hatte; ich moͤchte ſagen: die Scheu, jene engen Grenzen zu uͤberſchreiten, innerhalb welcher die Darſtellung eines ſo hochverehrten und allgefeyerten Kuͤnſtlers
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chriſtlichen die Lieblingsgegenſtaͤnde der Malerey. Wie in die-
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der Leidensgeſchichte nicht mehr das Erhabene und Siegreiche,
vielmehr nur das Ruͤhrende hervorgehoben — die unmittelbare
Folge jenes ſchwaͤrmeriſchen Schwelgens im Mitgefuͤhle der
irdiſchen Schmerzen des Erloͤſers, dem der Hl. Franciscus
durch Beyſpiel und Lehre eine neue und bis dahin unerhoͤrte
Energie verliehen hatte. — Dieſe modern-chriſtlichen Kunſt-
aufgaben umfaſſen allerdings ſo viel menſchlich Wichtiges und
Anziehendes, daß wir deren Einfuͤhrung im Ganzen als eine
weſentliche Bereicherung betrachten, unter allen Umſtaͤnden zu-
geben muͤſſen, daß ſie viele der ſchoͤnſten Leiſtungen der neu-
eren Kunſt veranlaßt haben. Doch ſind ſie einleuchtend nicht,
wie man wohl hinzuwerfen pflegt, aus dem Beſtreben ent-
ſtanden, den Ideen des Chriſtenthumes ihre ganze Tiefe, ihre
ernſtere Seite abzugewinnen.
Uebrigens fehlte es ſowohl jener Hinneigung zum Hoch-
alterthuͤmlichen bey den Sieneſern, als beſonders der Objecti-
vitaͤt der Florentiner, an Conſequenz, oder an entſchiedener
Durchfuͤhrung des Wollens.
Unausgeſetzt verfolgt, mußte die giotteske Richtung auf
Mannichfaltiges und Lebensreiches die Florentiner ungleich fruͤ-
her, als geſchehen iſt, mit der Bedeutung der Formen, beſonders
in den Geſichtsbildungen, bald auch mit den allgemeineren
Geſetzen des ſich Geſtaltens und Erſcheinens vertraut machen.
Indeß durchkreuzte ſie eine gewiſſe Befangenheit in den Ma-
nieren und Formen, in welchen der große Erneuerer ihrer
Schule ſich ausgedruͤckt hatte; ich moͤchte ſagen: die Scheu,
jene engen Grenzen zu uͤberſchreiten, innerhalb welcher die
Darſtellung eines ſo hochverehrten und allgefeyerten Kuͤnſtlers
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/232>, abgerufen am 04.12.2024.
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