Obwohl die Kunstnachrichten des Archives der sienest- schen Domverwaltung bis in das dreyzehnte Jahrhundert zu- rückreichen, so fällt dennoch die früheste Erwähnung jener histo- risch verzierten Fußböden erst in das Jahr 1445. *) In die- sem und in den folgenden Jahren wurden die Treppen und Zugänge zum Dome und zur Taufkapelle mit verschiedenen Bildern geziert, welche indeß noch keinesweges eigentliche Hell- dunkel waren, vielmehr nur Marmorflächen mit eingehauenen und durch schwarzen Stucko ausgefüllten Umrissen. Also war diese Kunstart hundert und funfzig Jahre nach der Lebens- höhe des Duccio, bey allseitig gesteigertem Kunstgeschicke, doch noch immer auf der ersten und niedrigsten Stufe ihrer Entwickelung; und selbst wenn wir annehmen wollten, daß Duccio, wenn auch nicht das wirkliche Helldunkel, doch we- nigstens jenes Marmor-Niello möge erfunden haben, so ist es doch nicht dieses, was Vasari uns bezeichnet, und über- haupt auch davon ganz unausgemacht, wie alt dessen Erfin- dung sey, und wo solche zuerst in Anwendung gekommen. Uebrigens scheint man eben damals im Verlaufe wiederholter Unternehmungen dieser Art zuerst den Gedanken gefaßt zu haben, solchen Kunstarbeiten durch Vereinigung mehrfarbigen Marmors eine größere Abwechselung, oder Deutlichkeit zu geben; denn die letzte in jener Gruppe von Bestellungen bezeich- net schwarzen, weißen und röthlichen Marmor als die Ma- terialien, deren der Künstler sich bedienen solle. **) Dieses Stück ist noch immer vorhanden, doch weit davon entfernt ein eigentliches Helldunkel zu seyn nach Art der glänzenderen
*) S. die dieser Abhandlung beygegebenen Belege. I.
**) S. Belege, I. 5. zu Anfang.
Obwohl die Kunſtnachrichten des Archives der ſieneſt- ſchen Domverwaltung bis in das dreyzehnte Jahrhundert zu- ruͤckreichen, ſo faͤllt dennoch die fruͤheſte Erwaͤhnung jener hiſto- riſch verzierten Fußboͤden erſt in das Jahr 1445. *) In die- ſem und in den folgenden Jahren wurden die Treppen und Zugaͤnge zum Dome und zur Taufkapelle mit verſchiedenen Bildern geziert, welche indeß noch keinesweges eigentliche Hell- dunkel waren, vielmehr nur Marmorflaͤchen mit eingehauenen und durch ſchwarzen Stucko ausgefuͤllten Umriſſen. Alſo war dieſe Kunſtart hundert und funfzig Jahre nach der Lebens- hoͤhe des Duccio, bey allſeitig geſteigertem Kunſtgeſchicke, doch noch immer auf der erſten und niedrigſten Stufe ihrer Entwickelung; und ſelbſt wenn wir annehmen wollten, daß Duccio, wenn auch nicht das wirkliche Helldunkel, doch we- nigſtens jenes Marmor-Niello moͤge erfunden haben, ſo iſt es doch nicht dieſes, was Vaſari uns bezeichnet, und uͤber- haupt auch davon ganz unausgemacht, wie alt deſſen Erfin- dung ſey, und wo ſolche zuerſt in Anwendung gekommen. Uebrigens ſcheint man eben damals im Verlaufe wiederholter Unternehmungen dieſer Art zuerſt den Gedanken gefaßt zu haben, ſolchen Kunſtarbeiten durch Vereinigung mehrfarbigen Marmors eine groͤßere Abwechſelung, oder Deutlichkeit zu geben; denn die letzte in jener Gruppe von Beſtellungen bezeich- net ſchwarzen, weißen und roͤthlichen Marmor als die Ma- terialien, deren der Kuͤnſtler ſich bedienen ſolle. **) Dieſes Stuͤck iſt noch immer vorhanden, doch weit davon entfernt ein eigentliches Helldunkel zu ſeyn nach Art der glaͤnzenderen
*) S. die dieſer Abhandlung beygegebenen Belege. I.
**) S. Belege, I. 5. zu Anfang.
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Obwohl die Kunſtnachrichten des Archives der ſieneſt-
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riſch verzierten Fußboͤden erſt in das Jahr 1445. *) In die-
ſem und in den folgenden Jahren wurden die Treppen und
Zugaͤnge zum Dome und zur Taufkapelle mit verſchiedenen
Bildern geziert, welche indeß noch keinesweges eigentliche Hell-
dunkel waren, vielmehr nur Marmorflaͤchen mit eingehauenen
und durch ſchwarzen Stucko ausgefuͤllten Umriſſen. Alſo war
dieſe Kunſtart hundert und funfzig Jahre nach der Lebens-
hoͤhe des Duccio, bey allſeitig geſteigertem Kunſtgeſchicke,
doch noch immer auf der erſten und niedrigſten Stufe ihrer
Entwickelung; und ſelbſt wenn wir annehmen wollten, daß
Duccio, wenn auch nicht das wirkliche Helldunkel, doch we-
nigſtens jenes Marmor-Niello moͤge erfunden haben, ſo iſt
es doch nicht dieſes, was Vaſari uns bezeichnet, und uͤber-
haupt auch davon ganz unausgemacht, wie alt deſſen Erfin-
dung ſey, und wo ſolche zuerſt in Anwendung gekommen.
Uebrigens ſcheint man eben damals im Verlaufe wiederholter
Unternehmungen dieſer Art zuerſt den Gedanken gefaßt zu
haben, ſolchen Kunſtarbeiten durch Vereinigung mehrfarbigen
Marmors eine groͤßere Abwechſelung, oder Deutlichkeit zu
geben; denn die letzte in jener Gruppe von Beſtellungen bezeich-
net ſchwarzen, weißen und roͤthlichen Marmor als die Ma-
terialien, deren der Kuͤnſtler ſich bedienen ſolle. **) Dieſes
Stuͤck iſt noch immer vorhanden, doch weit davon entfernt
ein eigentliches Helldunkel zu ſeyn nach Art der glaͤnzenderen
*) S. die dieſer Abhandlung beygegebenen Belege. I.
**) S. Belege, I. 5. zu Anfang.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/25>, abgerufen am 29.01.2025.
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