eine solche musivische Darstellung vorhanden; endlich würde es eben so willkührlich, als gewagt seyn, den Ausdruck, opus musaicum, gegen alle Beyspiele auf Fußbodenarbeit zu bezie- hen, für welche stratum, lithostratum und andere Worte während des Mittelalters gebräuchlich gewesen. Demunge- achtet mochte ein unvorbereiteter, flüchtiger Forscher späterer Zeiten jenen Ausdruck in weiterem Sinne genommen und auf die Arbeiten bezogen haben, welche den Boden des sienesischen Domes verzieren. Aus dem zufälligen Zusammentreffen dieses Musives mit einer Tafel, welche unstreitig dem Duccio auf- getragen worden, mochte er weiter schließen, daß beide Ar- beiten von demselben Künstler beschafft, oder doch angeord- net wären.
Indeß erhellt es, weder aus jenem Befehle, welcher nicht an die Künstler, sondern an die Domverwaltung gerich- tet ist und verschiedene Arbeiten anordnet, welche den Maler sicher nicht angehn, noch selbst aus anderen Umständen, daß Duccio damals, oder sonst, an diesem oder an irgend einem anderen Musive gearbeitet habe. Im Gegentheil ergiebt es sich aus dem Umstande, daß weder in der Verstiftungsurkunde seiner Altartafel, noch in seinen auf einander folgenden Quit- tungen jemals von jenem Musive die Rede ist, daß er daran auch nicht den geringsten Antheil genommen habe; wie er denn in der That durch seine große, mit unzähligen, sehr been- digten Figuren bedeckte Tafel unstreitig schon vollauf beschäf- tigt war.
Daß Vasari überhaupt von den Lebensumständen, den Werken und Leistungen *) des Duccio nur eine unbestimmte
*) Das Hauptwerk, die große Tafel des Domes zu Siena,
eine ſolche muſiviſche Darſtellung vorhanden; endlich wuͤrde es eben ſo willkuͤhrlich, als gewagt ſeyn, den Ausdruck, opus musaicum, gegen alle Beyſpiele auf Fußbodenarbeit zu bezie- hen, fuͤr welche stratum, lithostratum und andere Worte waͤhrend des Mittelalters gebraͤuchlich geweſen. Demunge- achtet mochte ein unvorbereiteter, fluͤchtiger Forſcher ſpaͤterer Zeiten jenen Ausdruck in weiterem Sinne genommen und auf die Arbeiten bezogen haben, welche den Boden des ſieneſiſchen Domes verzieren. Aus dem zufaͤlligen Zuſammentreffen dieſes Muſives mit einer Tafel, welche unſtreitig dem Duccio auf- getragen worden, mochte er weiter ſchließen, daß beide Ar- beiten von demſelben Kuͤnſtler beſchafft, oder doch angeord- net waͤren.
Indeß erhellt es, weder aus jenem Befehle, welcher nicht an die Kuͤnſtler, ſondern an die Domverwaltung gerich- tet iſt und verſchiedene Arbeiten anordnet, welche den Maler ſicher nicht angehn, noch ſelbſt aus anderen Umſtaͤnden, daß Duccio damals, oder ſonſt, an dieſem oder an irgend einem anderen Muſive gearbeitet habe. Im Gegentheil ergiebt es ſich aus dem Umſtande, daß weder in der Verſtiftungsurkunde ſeiner Altartafel, noch in ſeinen auf einander folgenden Quit- tungen jemals von jenem Muſive die Rede iſt, daß er daran auch nicht den geringſten Antheil genommen habe; wie er denn in der That durch ſeine große, mit unzaͤhligen, ſehr been- digten Figuren bedeckte Tafel unſtreitig ſchon vollauf beſchaͤf- tigt war.
Daß Vaſari uͤberhaupt von den Lebensumſtaͤnden, den Werken und Leiſtungen *) des Duccio nur eine unbeſtimmte
*) Das Hauptwerk, die große Tafel des Domes zu Siena,
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waͤhrend des Mittelalters gebraͤuchlich geweſen. Demunge-
achtet mochte ein unvorbereiteter, fluͤchtiger Forſcher ſpaͤterer
Zeiten jenen Ausdruck in weiterem Sinne genommen und auf
die Arbeiten bezogen haben, welche den Boden des ſieneſiſchen
Domes verzieren. Aus dem zufaͤlligen Zuſammentreffen dieſes
Muſives mit einer Tafel, welche unſtreitig dem Duccio auf-
getragen worden, mochte er weiter ſchließen, daß beide Ar-
beiten von demſelben Kuͤnſtler beſchafft, oder doch angeord-
net waͤren.
Indeß erhellt es, weder aus jenem Befehle, welcher
nicht an die Kuͤnſtler, ſondern an die Domverwaltung gerich-
tet iſt und verſchiedene Arbeiten anordnet, welche den Maler
ſicher nicht angehn, noch ſelbſt aus anderen Umſtaͤnden, daß
Duccio damals, oder ſonſt, an dieſem oder an irgend einem
anderen Muſive gearbeitet habe. Im Gegentheil ergiebt es
ſich aus dem Umſtande, daß weder in der Verſtiftungsurkunde
ſeiner Altartafel, noch in ſeinen auf einander folgenden Quit-
tungen jemals von jenem Muſive die Rede iſt, daß er daran
auch nicht den geringſten Antheil genommen habe; wie er
denn in der That durch ſeine große, mit unzaͤhligen, ſehr been-
digten Figuren bedeckte Tafel unſtreitig ſchon vollauf beſchaͤf-
tigt war.
Daß Vaſari uͤberhaupt von den Lebensumſtaͤnden, den
Werken und Leiſtungen *) des Duccio nur eine unbeſtimmte
*) Das Hauptwerk, die große Tafel des Domes zu Siena,
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/28>, abgerufen am 03.12.2024.
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