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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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des Heilands, die Verkündigung, der Tod und die Himmel-
fahrt der Jungfrau, entsprach die Aufgabe nun allerdings sei-
ner Sinnesart nicht so gänzlich, weßhalb es weniger zu bekla-
gen ist, daß diese ansehnlichen, gewiß sehr rüstigen Malereyen
großentheils von einer rohen Hand übermalt worden. In
besserem Lichte erscheint er, wo die Aufgabe seiner Richtung
und Sinnesart angemessen war, z. B. in der Chorkappelle der
Pfarrkirche zu Prato, deren Malerey schon Vasari bewunderte.
In der That ist in diesem Werke, Darstellungen aus der Ge-
schichte des Hl. Stephanus und Johannes Bapt., eine un-
gewöhnliche Energie der Handlung und des Affectes; in der
Begebenheit, welche Vasari die Disputa (das Verhör?)
nennt, begleitet diese Stärke eine edle Mäßigung und schöne
Anordnung. Demungeachtet werden wir die günstige Stim-
mung des Vasari schwerlich so gänzlich theilen können, da
eben Solches, was er besonders hervorhebt (das sichtbare
Streben den Raum mit mindestmöglicher Mühe auszufüllen,
die Fertigkeit, welche hie und da an moderne Frechheit grenzt)
nach den Erfahrungen der verflossenen Jahrhunderte, eher für
die Vorbedeutung eines künftigen Verfalles, als einer der
Kunst bevorstehenden Höhe der Meisterschaft zu erachten ist.

In derselben Kirche wird die Tafel mit dem Tode des
Hl. Bernhard in gutem Stande bewahrt, deren wesentlichste
Verdienste wiederum auf richtigen Ausdruck starker und männ-
licher Affecte begründet sind. Andere schon von Vasari aus-
gezeichnete Bilder, der, ceppo di S. Francesco di Marco,
die Tafel aus sta Margherita, jetzt in der Wohnung des
Kanzlers der Ortschaft, gehen in einzelnen Dingen über seine
gewöhnliche Leistung hinaus. In jenem, sehr verblichenen
Tabernakel übersteigt das Antlitz der Madonna seine übliche

des Heilands, die Verkuͤndigung, der Tod und die Himmel-
fahrt der Jungfrau, entſprach die Aufgabe nun allerdings ſei-
ner Sinnesart nicht ſo gaͤnzlich, weßhalb es weniger zu bekla-
gen iſt, daß dieſe anſehnlichen, gewiß ſehr ruͤſtigen Malereyen
großentheils von einer rohen Hand uͤbermalt worden. In
beſſerem Lichte erſcheint er, wo die Aufgabe ſeiner Richtung
und Sinnesart angemeſſen war, z. B. in der Chorkappelle der
Pfarrkirche zu Prato, deren Malerey ſchon Vaſari bewunderte.
In der That iſt in dieſem Werke, Darſtellungen aus der Ge-
ſchichte des Hl. Stephanus und Johannes Bapt., eine un-
gewoͤhnliche Energie der Handlung und des Affectes; in der
Begebenheit, welche Vaſari die Disputa (das Verhoͤr?)
nennt, begleitet dieſe Staͤrke eine edle Maͤßigung und ſchoͤne
Anordnung. Demungeachtet werden wir die guͤnſtige Stim-
mung des Vaſari ſchwerlich ſo gaͤnzlich theilen koͤnnen, da
eben Solches, was er beſonders hervorhebt (das ſichtbare
Streben den Raum mit mindeſtmoͤglicher Muͤhe auszufuͤllen,
die Fertigkeit, welche hie und da an moderne Frechheit grenzt)
nach den Erfahrungen der verfloſſenen Jahrhunderte, eher fuͤr
die Vorbedeutung eines kuͤnftigen Verfalles, als einer der
Kunſt bevorſtehenden Hoͤhe der Meiſterſchaft zu erachten iſt.

In derſelben Kirche wird die Tafel mit dem Tode des
Hl. Bernhard in gutem Stande bewahrt, deren weſentlichſte
Verdienſte wiederum auf richtigen Ausdruck ſtarker und maͤnn-
licher Affecte begruͤndet ſind. Andere ſchon von Vaſari aus-
gezeichnete Bilder, der, ceppo di S. Francesco di Marco,
die Tafel aus ſta Margherita, jetzt in der Wohnung des
Kanzlers der Ortſchaft, gehen in einzelnen Dingen uͤber ſeine
gewoͤhnliche Leiſtung hinaus. In jenem, ſehr verblichenen
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[270/0288] des Heilands, die Verkuͤndigung, der Tod und die Himmel- fahrt der Jungfrau, entſprach die Aufgabe nun allerdings ſei- ner Sinnesart nicht ſo gaͤnzlich, weßhalb es weniger zu bekla- gen iſt, daß dieſe anſehnlichen, gewiß ſehr ruͤſtigen Malereyen großentheils von einer rohen Hand uͤbermalt worden. In beſſerem Lichte erſcheint er, wo die Aufgabe ſeiner Richtung und Sinnesart angemeſſen war, z. B. in der Chorkappelle der Pfarrkirche zu Prato, deren Malerey ſchon Vaſari bewunderte. In der That iſt in dieſem Werke, Darſtellungen aus der Ge- ſchichte des Hl. Stephanus und Johannes Bapt., eine un- gewoͤhnliche Energie der Handlung und des Affectes; in der Begebenheit, welche Vaſari die Disputa (das Verhoͤr?) nennt, begleitet dieſe Staͤrke eine edle Maͤßigung und ſchoͤne Anordnung. Demungeachtet werden wir die guͤnſtige Stim- mung des Vaſari ſchwerlich ſo gaͤnzlich theilen koͤnnen, da eben Solches, was er beſonders hervorhebt (das ſichtbare Streben den Raum mit mindeſtmoͤglicher Muͤhe auszufuͤllen, die Fertigkeit, welche hie und da an moderne Frechheit grenzt) nach den Erfahrungen der verfloſſenen Jahrhunderte, eher fuͤr die Vorbedeutung eines kuͤnftigen Verfalles, als einer der Kunſt bevorſtehenden Hoͤhe der Meiſterſchaft zu erachten iſt. In derſelben Kirche wird die Tafel mit dem Tode des Hl. Bernhard in gutem Stande bewahrt, deren weſentlichſte Verdienſte wiederum auf richtigen Ausdruck ſtarker und maͤnn- licher Affecte begruͤndet ſind. Andere ſchon von Vaſari aus- gezeichnete Bilder, der, ceppo di S. Francesco di Marco, die Tafel aus ſta Margherita, jetzt in der Wohnung des Kanzlers der Ortſchaft, gehen in einzelnen Dingen uͤber ſeine gewoͤhnliche Leiſtung hinaus. In jenem, ſehr verblichenen Tabernakel uͤberſteigt das Antlitz der Madonna ſeine uͤbliche

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/288>, abgerufen am 22.11.2024.