Richtungen ausspaltete. Handlung, Bewegung, Ausdruck hef- tiger und starker Affecte, ward das Erbtheil der Schule des Fra Filippo; sinnliche Wahrscheinlichkeit und Richtigkeit in der Charakteristik des Einzelnen, das Ziel einer Schule, welche, wie ich glaube, von Cosimo Roselli ausgegangen ist, obwohl sie dessen spätere Leistungen weit übertroffen hat.
Nach Angabe des Vasari (welcher in so neuen Dingen der florentinischen Schule voraussetzlich guten Nachrichten, oder doch glaubwürdigen Traditionen gefolgt seyn wird) erlernte Sandro Botticelli die Anfangsgründe der Malerey in der Schule des Fra Filippo. Gewiß verjüngte Sandro die Richtung und selbst die Sinnesart seines nahen Vorgän- gers, den er im Leidenschaftlichen erreicht, und bisweilen übertroffen hat. Unter den Mauergemälden der sixtinischen Kappelle zu Rom, den größesten, welche er jemals ausgeführt hat, ist die Geschichte des Moses, deren wichtigste Ereignisse in einem Bilde vereinigt sind, ein Meisterstück lebendigen Ausdrucks aufwallender Affecte und unbesinnlichen Handelns. Der Gegenstand eines anderen Bildes zur Linken des Ein- tretenden (die Feuerstrafe der abtrünnigen Israeliten), auch des dritten (die Versuchung Christi) waren dem Talente, oder der eigenthümlichen Richtung des Künstlers minder günstig. Doch entwickelte er in den Nebenfiguren des letzten (Jüng- linge und Mädchen, auf einer Bank im Vordergrunde) einen glücklichen Sinn für Anmuth der Lage und Schönheit des Charakters, welcher sonst nur in seinen seltenen, aber treffli- chen Bildnissen anzutreffen ist.
In Florenz befinden sich viele Tafeln dieses Künstlers, welche das Verdienst der hier bezeichneten Gemälde auf keine Weise erreichen: Madonnen unter Engeln, welche aus lässiger Nach-
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Richtungen ausſpaltete. Handlung, Bewegung, Ausdruck hef- tiger und ſtarker Affecte, ward das Erbtheil der Schule des Fra Filippo; ſinnliche Wahrſcheinlichkeit und Richtigkeit in der Charakteriſtik des Einzelnen, das Ziel einer Schule, welche, wie ich glaube, von Coſimo Roſelli ausgegangen iſt, obwohl ſie deſſen ſpaͤtere Leiſtungen weit uͤbertroffen hat.
Nach Angabe des Vaſari (welcher in ſo neuen Dingen der florentiniſchen Schule vorausſetzlich guten Nachrichten, oder doch glaubwuͤrdigen Traditionen gefolgt ſeyn wird) erlernte Sandro Botticelli die Anfangsgruͤnde der Malerey in der Schule des Fra Filippo. Gewiß verjuͤngte Sandro die Richtung und ſelbſt die Sinnesart ſeines nahen Vorgaͤn- gers, den er im Leidenſchaftlichen erreicht, und bisweilen uͤbertroffen hat. Unter den Mauergemaͤlden der ſixtiniſchen Kappelle zu Rom, den groͤßeſten, welche er jemals ausgefuͤhrt hat, iſt die Geſchichte des Moſes, deren wichtigſte Ereigniſſe in einem Bilde vereinigt ſind, ein Meiſterſtuͤck lebendigen Ausdrucks aufwallender Affecte und unbeſinnlichen Handelns. Der Gegenſtand eines anderen Bildes zur Linken des Ein- tretenden (die Feuerſtrafe der abtruͤnnigen Iſraeliten), auch des dritten (die Verſuchung Chriſti) waren dem Talente, oder der eigenthuͤmlichen Richtung des Kuͤnſtlers minder guͤnſtig. Doch entwickelte er in den Nebenfiguren des letzten (Juͤng- linge und Maͤdchen, auf einer Bank im Vordergrunde) einen gluͤcklichen Sinn fuͤr Anmuth der Lage und Schoͤnheit des Charakters, welcher ſonſt nur in ſeinen ſeltenen, aber treffli- chen Bildniſſen anzutreffen iſt.
In Florenz befinden ſich viele Tafeln dieſes Kuͤnſtlers, welche das Verdienſt der hier bezeichneten Gemaͤlde auf keine Weiſe erreichen: Madonnen unter Engeln, welche aus laͤſſiger Nach-
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Nach Angabe des Vaſari (welcher in ſo neuen Dingen
der florentiniſchen Schule vorausſetzlich guten Nachrichten, oder
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Sandro Botticelli die Anfangsgruͤnde der Malerey in der
Schule des Fra Filippo. Gewiß verjuͤngte Sandro die
Richtung und ſelbſt die Sinnesart ſeines nahen Vorgaͤn-
gers, den er im Leidenſchaftlichen erreicht, und bisweilen
uͤbertroffen hat. Unter den Mauergemaͤlden der ſixtiniſchen
Kappelle zu Rom, den groͤßeſten, welche er jemals ausgefuͤhrt
hat, iſt die Geſchichte des Moſes, deren wichtigſte Ereigniſſe
in einem Bilde vereinigt ſind, ein Meiſterſtuͤck lebendigen
Ausdrucks aufwallender Affecte und unbeſinnlichen Handelns.
Der Gegenſtand eines anderen Bildes zur Linken des Ein-
tretenden (die Feuerſtrafe der abtruͤnnigen Iſraeliten), auch
des dritten (die Verſuchung Chriſti) waren dem Talente, oder
der eigenthuͤmlichen Richtung des Kuͤnſtlers minder guͤnſtig.
Doch entwickelte er in den Nebenfiguren des letzten (Juͤng-
linge und Maͤdchen, auf einer Bank im Vordergrunde) einen
gluͤcklichen Sinn fuͤr Anmuth der Lage und Schoͤnheit des
Charakters, welcher ſonſt nur in ſeinen ſeltenen, aber treffli-
chen Bildniſſen anzutreffen iſt.
In Florenz befinden ſich viele Tafeln dieſes Kuͤnſtlers, welche
das Verdienſt der hier bezeichneten Gemaͤlde auf keine Weiſe
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/290>, abgerufen am 22.11.2024.
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