der Minerva zu Rom, der Kappelle Strozzi in sta Maria no- vella zu Florenz, welche eines seiner späteren Werke ist; in einigen Tafeln, welche man in der öffentlichen Gallerie zu Florenz aufbewahrt, besonders der Anbetung der Könige in der scuola toscana, welche dort irrig dem Dom. Ghirlan- dajo beygelegt wird; in der Tafel der kön. Gallerie zu Co- penhagen und in anderen häufigen Werken seines reiferen Al- ters, daß Geist und angeborener Schönheitssinn denjenigen, welcher seiner Fertigkeit ganz sich hingiebt und den erfrischen- den Anregungen der Natur sich entzieht, doch nimmer gegen allmähliche Erlahmung seiner hervorbringenden Kräfte, gegen unvermerkt sich eindrängende Ungestalt verwahren könne. Denn man vermißt in diesen späteren Bildern eben sowohl das Vermögen einer geistreichen und völligen Auffassung der Auf- gabe, worin eben Filippino in dem Hauptbilde der Kappelle Brancacci (Peter und Paulus vor Nero) den Zeitgenossen Raphaels den Weg gewiesen, als andererseits den feinen For- mensinn seiner besseren Madonnen. Das eine hat einem ver- worrenen Anhäufen nicht selten müssiger Figuren Raum ge- geben; das andere (doch mit Ausnahmen) einer widrigen Durchschnittsbildung, deren kurze Nasen mit aufgeblasenen Nüstern vielleicht aus einem späten Wiederaufsteigen der Ein- drücke entstanden sind, welche die Gesichter des Sandro auf den Knaben und Jüngling bewirkt haben mögen.
In gewissem Sinne beschließt Filippino die Richtung und Schule, aus welcher seine Bildung hervorgegangen. Das Dra- matische in dem Bestreben seines Lehrers war in ihm nur vorübergehend fruchtbar geworden; denn frühzeitig hatte er sich, zwar nicht, gleich der entgegengesetzten Schule, zur Auffassung mannichfaltiger Charaktere, doch auf ruhige Be-
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der Minerva zu Rom, der Kappelle Strozzi in ſta Maria no- vella zu Florenz, welche eines ſeiner ſpaͤteren Werke iſt; in einigen Tafeln, welche man in der oͤffentlichen Gallerie zu Florenz aufbewahrt, beſonders der Anbetung der Koͤnige in der scuola toscana, welche dort irrig dem Dom. Ghirlan- dajo beygelegt wird; in der Tafel der koͤn. Gallerie zu Co- penhagen und in anderen haͤufigen Werken ſeines reiferen Al- ters, daß Geiſt und angeborener Schoͤnheitsſinn denjenigen, welcher ſeiner Fertigkeit ganz ſich hingiebt und den erfriſchen- den Anregungen der Natur ſich entzieht, doch nimmer gegen allmaͤhliche Erlahmung ſeiner hervorbringenden Kraͤfte, gegen unvermerkt ſich eindraͤngende Ungeſtalt verwahren koͤnne. Denn man vermißt in dieſen ſpaͤteren Bildern eben ſowohl das Vermoͤgen einer geiſtreichen und voͤlligen Auffaſſung der Auf- gabe, worin eben Filippino in dem Hauptbilde der Kappelle Brancacci (Peter und Paulus vor Nero) den Zeitgenoſſen Raphaels den Weg gewieſen, als andererſeits den feinen For- menſinn ſeiner beſſeren Madonnen. Das eine hat einem ver- worrenen Anhaͤufen nicht ſelten muͤſſiger Figuren Raum ge- geben; das andere (doch mit Ausnahmen) einer widrigen Durchſchnittsbildung, deren kurze Naſen mit aufgeblaſenen Nuͤſtern vielleicht aus einem ſpaͤten Wiederaufſteigen der Ein- druͤcke entſtanden ſind, welche die Geſichter des Sandro auf den Knaben und Juͤngling bewirkt haben moͤgen.
In gewiſſem Sinne beſchließt Filippino die Richtung und Schule, aus welcher ſeine Bildung hervorgegangen. Das Dra- matiſche in dem Beſtreben ſeines Lehrers war in ihm nur voruͤbergehend fruchtbar geworden; denn fruͤhzeitig hatte er ſich, zwar nicht, gleich der entgegengeſetzten Schule, zur Auffaſſung mannichfaltiger Charaktere, doch auf ruhige Be-
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der Minerva zu Rom, der Kappelle Strozzi in ſta Maria no-
vella zu Florenz, welche eines ſeiner ſpaͤteren Werke iſt; in
einigen Tafeln, welche man in der oͤffentlichen Gallerie zu
Florenz aufbewahrt, beſonders der Anbetung der Koͤnige in
der scuola toscana, welche dort irrig dem Dom. Ghirlan-
dajo beygelegt wird; in der Tafel der koͤn. Gallerie zu Co-
penhagen und in anderen haͤufigen Werken ſeines reiferen Al-
ters, daß Geiſt und angeborener Schoͤnheitsſinn denjenigen,
welcher ſeiner Fertigkeit ganz ſich hingiebt und den erfriſchen-
den Anregungen der Natur ſich entzieht, doch nimmer gegen
allmaͤhliche Erlahmung ſeiner hervorbringenden Kraͤfte, gegen
unvermerkt ſich eindraͤngende Ungeſtalt verwahren koͤnne. Denn
man vermißt in dieſen ſpaͤteren Bildern eben ſowohl das
Vermoͤgen einer geiſtreichen und voͤlligen Auffaſſung der Auf-
gabe, worin eben Filippino in dem Hauptbilde der Kappelle
Brancacci (Peter und Paulus vor Nero) den Zeitgenoſſen
Raphaels den Weg gewieſen, als andererſeits den feinen For-
menſinn ſeiner beſſeren Madonnen. Das eine hat einem ver-
worrenen Anhaͤufen nicht ſelten muͤſſiger Figuren Raum ge-
geben; das andere (doch mit Ausnahmen) einer widrigen
Durchſchnittsbildung, deren kurze Naſen mit aufgeblaſenen
Nuͤſtern vielleicht aus einem ſpaͤten Wiederaufſteigen der Ein-
druͤcke entſtanden ſind, welche die Geſichter des Sandro auf
den Knaben und Juͤngling bewirkt haben moͤgen.
In gewiſſem Sinne beſchließt Filippino die Richtung und
Schule, aus welcher ſeine Bildung hervorgegangen. Das Dra-
matiſche in dem Beſtreben ſeines Lehrers war in ihm nur
voruͤbergehend fruchtbar geworden; denn fruͤhzeitig hatte er
ſich, zwar nicht, gleich der entgegengeſetzten Schule, zur
Auffaſſung mannichfaltiger Charaktere, doch auf ruhige Be-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/293>, abgerufen am 22.11.2024.
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