In dem einen dieser beiden Seitenstücke des beabsichte- ten Antimensii (das Mittelstück fehlt) hat Luca die Befrey- ung Petri aus dem Kerker dargestellt, in zwey Handlungen, deren eine, die Erscheinung des Engels im Kerker, flach ge- halten ist, die andere, Petrus mit dem Engel schon außerhalb des Kerkers und besorglich auf die schlafenden Wächter zurück- blickend, stark hervorsteht. Das zweyte enthält die Kreuzigung Petri, worin der Heilige nach uraltem, etwas steifen Entwurfe dargestellt, das Ganze indeß durch gewandten Gebrauch der Stellungen der Schergen und einiger Soldaten wohlgefällig belebt ist.
War es nun Abneigung gegen den Gegenstand, welcher seiner Sinnesart, bey so lebhaftem Gefühl für jugendliche Anmuth, als er in jenen Sängern und Tänzerinnen dargelegt hatte, nicht ganz behagen mochte; oder nur Ueberdruß an den technischen Schwierigkeiten des Meißels, denen man erst in den neuesten Zeiten ganz beygekommen; so ist doch so viel gewiß, daß unser Künstler späterhin sowohl diese Arbeit, aus dem Stillschweigen jenes Buches zu urtheilen, mit Genehmi- gung der Domverwaltung aufgegeben, als auch überhaupt von Ausführungen in Marmor sich zurückgezogen hat. Er wen- dete sich schon damals (wenn dem Vasari hier zu trauen ist, des leichteren und schnelleren Gewinnens willen) zu jenen halberhobenen Werken in gebrannter und schön überglaseter Erde, welche dem Ansehn nach von ihm selbst erfunden, oder doch ausgebildet worden. Gewiß entdeckte ich nirgend ältere Arbeiten dieser Art; wohingegen eine Verstiftung des mehr- gedachten Buches *) außer Zweifel setzt, daß er diesen Stoff
*) S. Belege. IV. 2.
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In dem einen dieſer beiden Seitenſtuͤcke des beabſichte- ten Antimenſii (das Mittelſtuͤck fehlt) hat Luca die Befrey- ung Petri aus dem Kerker dargeſtellt, in zwey Handlungen, deren eine, die Erſcheinung des Engels im Kerker, flach ge- halten iſt, die andere, Petrus mit dem Engel ſchon außerhalb des Kerkers und beſorglich auf die ſchlafenden Waͤchter zuruͤck- blickend, ſtark hervorſteht. Das zweyte enthaͤlt die Kreuzigung Petri, worin der Heilige nach uraltem, etwas ſteifen Entwurfe dargeſtellt, das Ganze indeß durch gewandten Gebrauch der Stellungen der Schergen und einiger Soldaten wohlgefaͤllig belebt iſt.
War es nun Abneigung gegen den Gegenſtand, welcher ſeiner Sinnesart, bey ſo lebhaftem Gefuͤhl fuͤr jugendliche Anmuth, als er in jenen Saͤngern und Taͤnzerinnen dargelegt hatte, nicht ganz behagen mochte; oder nur Ueberdruß an den techniſchen Schwierigkeiten des Meißels, denen man erſt in den neueſten Zeiten ganz beygekommen; ſo iſt doch ſo viel gewiß, daß unſer Kuͤnſtler ſpaͤterhin ſowohl dieſe Arbeit, aus dem Stillſchweigen jenes Buches zu urtheilen, mit Genehmi- gung der Domverwaltung aufgegeben, als auch uͤberhaupt von Ausfuͤhrungen in Marmor ſich zuruͤckgezogen hat. Er wen- dete ſich ſchon damals (wenn dem Vaſari hier zu trauen iſt, des leichteren und ſchnelleren Gewinnens willen) zu jenen halberhobenen Werken in gebrannter und ſchoͤn uͤberglaſeter Erde, welche dem Anſehn nach von ihm ſelbſt erfunden, oder doch ausgebildet worden. Gewiß entdeckte ich nirgend aͤltere Arbeiten dieſer Art; wohingegen eine Verſtiftung des mehr- gedachten Buches *) außer Zweifel ſetzt, daß er dieſen Stoff
*) S. Belege. IV. 2.
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In dem einen dieſer beiden Seitenſtuͤcke des beabſichte-
ten Antimenſii (das Mittelſtuͤck fehlt) hat Luca die Befrey-
ung Petri aus dem Kerker dargeſtellt, in zwey Handlungen,
deren eine, die Erſcheinung des Engels im Kerker, flach ge-
halten iſt, die andere, Petrus mit dem Engel ſchon außerhalb
des Kerkers und beſorglich auf die ſchlafenden Waͤchter zuruͤck-
blickend, ſtark hervorſteht. Das zweyte enthaͤlt die Kreuzigung
Petri, worin der Heilige nach uraltem, etwas ſteifen Entwurfe
dargeſtellt, das Ganze indeß durch gewandten Gebrauch der
Stellungen der Schergen und einiger Soldaten wohlgefaͤllig
belebt iſt.
War es nun Abneigung gegen den Gegenſtand, welcher
ſeiner Sinnesart, bey ſo lebhaftem Gefuͤhl fuͤr jugendliche
Anmuth, als er in jenen Saͤngern und Taͤnzerinnen dargelegt
hatte, nicht ganz behagen mochte; oder nur Ueberdruß an den
techniſchen Schwierigkeiten des Meißels, denen man erſt in
den neueſten Zeiten ganz beygekommen; ſo iſt doch ſo viel
gewiß, daß unſer Kuͤnſtler ſpaͤterhin ſowohl dieſe Arbeit, aus
dem Stillſchweigen jenes Buches zu urtheilen, mit Genehmi-
gung der Domverwaltung aufgegeben, als auch uͤberhaupt von
Ausfuͤhrungen in Marmor ſich zuruͤckgezogen hat. Er wen-
dete ſich ſchon damals (wenn dem Vaſari hier zu trauen iſt,
des leichteren und ſchnelleren Gewinnens willen) zu jenen
halberhobenen Werken in gebrannter und ſchoͤn uͤberglaſeter
Erde, welche dem Anſehn nach von ihm ſelbſt erfunden, oder
doch ausgebildet worden. Gewiß entdeckte ich nirgend aͤltere
Arbeiten dieſer Art; wohingegen eine Verſtiftung des mehr-
gedachten Buches *) außer Zweifel ſetzt, daß er dieſen Stoff
*) S. Belege. IV. 2.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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