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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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desselben Namens geblüht haben: Niccolo Deliberatore, und
Niccolo Alunno. Wie immer dieser Zweifel sich auflösen möge,
so sind doch alle mir mit der Aufschrift: Nicolai Fulginatis
opus
, vorgekommene Tafeln sämmtlich auffallend von dersel-
ben Hand gemalt; und da Mariotti an einer dieser Tafeln,
deren Aufschrift nicht mehr vorhanden ist: Nicolaus Alum-
nus
gelesen *), so werde ich berechtigt seyn, im Verlaufe
nachstehender Nachrichten den, seit Vasari, bekannten und üb-
lichen Zunamen beyzubehalten.

Vasari erwähnt einer Brüderschaftsfahne **), welche

*) Lettere Perugine, Lett. V. p. 130. s. Anm. 5.
**) Es sey mir vergönnt, eine Erinnerung einzuschalten, welche,
zwar nicht der Zeit, doch gewiß der Beziehung nach hieher gehört.
Seit sehr alter Zeit malte man Brüderschaftsfahnen und Bal-
dachine für den Umzug des Hochwürdigen auf Linnen oder baum-
wollene Zeuge. Von diesem Stoffe erhielten die kirchlichen, gleich
den militärischen Fahnen, in den romanischen Sprachen die Na-
men, drappelloni, drappelli, drapeaux etc. Im Domarchiv zu
Siena, libro E. 9. Deliberazioni, p. 8. die XXIV. Sebtembris
M. D. VI. Audito Jacobo bartolomei chiamato pacchiarotto pictore
-- exponente, qualiter ipse pinsit XXVIII. drappellones pro
baldachino corporis XPI. ecclesie cathedralis, unum alium drappel-
lonem aliarum figurarum ad unam Trabaccham dicti baldachini etc
.
In der Folge malte Pacchiarotto in der Abtey unweit des mehrge-
dachten Städtchens s. Gimignano verschiedene Bilder a tempera auf
Leinwand, welche Altargemälde und keinesweges Brüderschaftsfah-
nen zu seyn scheinen.
Hingegen dürfte die berühmte Madonna di S. Sisto in der Kön.
Sächsischen Gallerie zu Dresden, welche zur Verwunderung vieler
Kunstfreunde auf Leinwand gemalt ist, ursprünglich als Kirchen-
fahne gedient haben. Allerdings versichert uns Vasari, dieses Bild
sey für den Hauptaltar in s. Sisto zu Piacenza gemalt worden;
indeß stehet der Hauptaltar dort frey in der Mitte der Kirche, ist
von einem unumgänglich erforderlichen architectonischen Gerüste

deſſelben Namens gebluͤht haben: Niccolò Deliberatore, und
Niccolò Alunno. Wie immer dieſer Zweifel ſich aufloͤſen moͤge,
ſo ſind doch alle mir mit der Aufſchrift: Nicolai Fulginatis
opus
, vorgekommene Tafeln ſaͤmmtlich auffallend von derſel-
ben Hand gemalt; und da Mariotti an einer dieſer Tafeln,
deren Aufſchrift nicht mehr vorhanden iſt: Nicolaus Alum-
nus
geleſen *), ſo werde ich berechtigt ſeyn, im Verlaufe
nachſtehender Nachrichten den, ſeit Vaſari, bekannten und uͤb-
lichen Zunamen beyzubehalten.

Vaſari erwaͤhnt einer Bruͤderſchaftsfahne **), welche

*) Lettere Perugine, Lett. V. p. 130. s. Anm. 5.
**) Es ſey mir vergoͤnnt, eine Erinnerung einzuſchalten, welche,
zwar nicht der Zeit, doch gewiß der Beziehung nach hieher gehoͤrt.
Seit ſehr alter Zeit malte man Bruͤderſchaftsfahnen und Bal-
dachine fuͤr den Umzug des Hochwuͤrdigen auf Linnen oder baum-
wollene Zeuge. Von dieſem Stoffe erhielten die kirchlichen, gleich
den militaͤriſchen Fahnen, in den romaniſchen Sprachen die Na-
men, drappelloni, drappelli, drapeaux etc. Im Domarchiv zu
Siena, libro E. 9. Deliberazioni, p. 8. die XXIV. Sebtembris
M. D. VI. Audito Jacobo bartolomei chiamato pacchiarotto pictore
— exponente, qualiter ipse pinsit XXVIII. drappellones pro
baldachino corporis XPI. ecclesie cathedralis, unum alium drappel-
lonem aliarum figurarum ad unam Trabaccham dicti baldachini etc
.
In der Folge malte Pacchiarotto in der Abtey unweit des mehrge-
dachten Staͤdtchens ſ. Gimignano verſchiedene Bilder a tempera auf
Leinwand, welche Altargemaͤlde und keinesweges Bruͤderſchaftsfah-
nen zu ſeyn ſcheinen.
Hingegen duͤrfte die beruͤhmte Madonna di S. Sisto in der Koͤn.
Saͤchſiſchen Gallerie zu Dresden, welche zur Verwunderung vieler
Kunſtfreunde auf Leinwand gemalt iſt, urſpruͤnglich als Kirchen-
fahne gedient haben. Allerdings verſichert uns Vaſari, dieſes Bild
ſey fuͤr den Hauptaltar in ſ. Siſto zu Piacenza gemalt worden;
indeß ſtehet der Hauptaltar dort frey in der Mitte der Kirche, iſt
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[316/0334] deſſelben Namens gebluͤht haben: Niccolò Deliberatore, und Niccolò Alunno. Wie immer dieſer Zweifel ſich aufloͤſen moͤge, ſo ſind doch alle mir mit der Aufſchrift: Nicolai Fulginatis opus, vorgekommene Tafeln ſaͤmmtlich auffallend von derſel- ben Hand gemalt; und da Mariotti an einer dieſer Tafeln, deren Aufſchrift nicht mehr vorhanden iſt: Nicolaus Alum- nus geleſen *), ſo werde ich berechtigt ſeyn, im Verlaufe nachſtehender Nachrichten den, ſeit Vaſari, bekannten und uͤb- lichen Zunamen beyzubehalten. Vaſari erwaͤhnt einer Bruͤderſchaftsfahne **), welche *) Lettere Perugine, Lett. V. p. 130. s. Anm. 5. **) Es ſey mir vergoͤnnt, eine Erinnerung einzuſchalten, welche, zwar nicht der Zeit, doch gewiß der Beziehung nach hieher gehoͤrt. Seit ſehr alter Zeit malte man Bruͤderſchaftsfahnen und Bal- dachine fuͤr den Umzug des Hochwuͤrdigen auf Linnen oder baum- wollene Zeuge. Von dieſem Stoffe erhielten die kirchlichen, gleich den militaͤriſchen Fahnen, in den romaniſchen Sprachen die Na- men, drappelloni, drappelli, drapeaux etc. Im Domarchiv zu Siena, libro E. 9. Deliberazioni, p. 8. die XXIV. Sebtembris M. D. VI. Audito Jacobo bartolomei chiamato pacchiarotto pictore — exponente, qualiter ipse pinsit XXVIII. drappellones pro baldachino corporis XPI. ecclesie cathedralis, unum alium drappel- lonem aliarum figurarum ad unam Trabaccham dicti baldachini etc. In der Folge malte Pacchiarotto in der Abtey unweit des mehrge- dachten Staͤdtchens ſ. Gimignano verſchiedene Bilder a tempera auf Leinwand, welche Altargemaͤlde und keinesweges Bruͤderſchaftsfah- nen zu ſeyn ſcheinen. Hingegen duͤrfte die beruͤhmte Madonna di S. Sisto in der Koͤn. Saͤchſiſchen Gallerie zu Dresden, welche zur Verwunderung vieler Kunſtfreunde auf Leinwand gemalt iſt, urſpruͤnglich als Kirchen- fahne gedient haben. Allerdings verſichert uns Vaſari, dieſes Bild ſey fuͤr den Hauptaltar in ſ. Siſto zu Piacenza gemalt worden; indeß ſtehet der Hauptaltar dort frey in der Mitte der Kirche, iſt von einem unumgaͤnglich erforderlichen architectoniſchen Geruͤſte

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/334>, abgerufen am 22.11.2024.