Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
XIV.
Die unumgängliche Vielseitigkeit in den Be-
ziehungen, die Hindernisse der Entwicke-
lung, die Ursachen des vorzeitigen Verfal-
les der neueren Kunst.


Ueber die Bestrebungen und Leistungen der Zeitgenossen
Raphaels ist unter den Kunstfreunden und den Gebildeten
überhaupt viel umständliche Kunde verbreitet. Freylich wur-
den die erreichbaren urkundlichen Nachrichten bisher bey wei-
tem nicht erschöpft; freylich wird Vasari auch in dieser Ge-
gend der Geschichte noch immer als Hauptquelle betrachtet
und ausgenutzt. Indeß ist dieser Schriftsteller, dem man den
vielseitigsten Kunstsinn und die feinste Beobachtungsgabe nicht
absprechen kann, bey gehöriger Berücksichtigung seiner persön-
lichen Schwächen und Befangenheiten für so neue Zeit schon
als Zeuge anzusehn, weßhalb die Bestätigung oder Berichti-
gung und Mehrung seiner spätesten Malerleben mir selbst vor
der Hand mehr wünschenswerth, als dringend zu seyn schien.

Wünschenswerth wäre besonders die Ehrenrettung solcher
Arbeiten, welche, durch Verunglimpfungen des Vasari bisher
nicht nach dem vollen Maße ihres Kunstwerthes anerkannt
und eben daher nur selten besucht werden. Zu diesen gehö-
ren jene herrlichen Mauergemälde des großen Hofes im Klo-
ster Monte Uliveto maggiore, welches auf dem Wege von
Siena nach Rom nur sechs Miglien von der Station Buon-

con-
XIV.
Die unumgaͤngliche Vielſeitigkeit in den Be-
ziehungen, die Hinderniſſe der Entwicke-
lung, die Urſachen des vorzeitigen Verfal-
les der neueren Kunſt.


Ueber die Beſtrebungen und Leiſtungen der Zeitgenoſſen
Raphaels iſt unter den Kunſtfreunden und den Gebildeten
uͤberhaupt viel umſtaͤndliche Kunde verbreitet. Freylich wur-
den die erreichbaren urkundlichen Nachrichten bisher bey wei-
tem nicht erſchoͤpft; freylich wird Vaſari auch in dieſer Ge-
gend der Geſchichte noch immer als Hauptquelle betrachtet
und ausgenutzt. Indeß iſt dieſer Schriftſteller, dem man den
vielſeitigſten Kunſtſinn und die feinſte Beobachtungsgabe nicht
abſprechen kann, bey gehoͤriger Beruͤckſichtigung ſeiner perſoͤn-
lichen Schwaͤchen und Befangenheiten fuͤr ſo neue Zeit ſchon
als Zeuge anzuſehn, weßhalb die Beſtaͤtigung oder Berichti-
gung und Mehrung ſeiner ſpaͤteſten Malerleben mir ſelbſt vor
der Hand mehr wuͤnſchenswerth, als dringend zu ſeyn ſchien.

Wuͤnſchenswerth waͤre beſonders die Ehrenrettung ſolcher
Arbeiten, welche, durch Verunglimpfungen des Vaſari bisher
nicht nach dem vollen Maße ihres Kunſtwerthes anerkannt
und eben daher nur ſelten beſucht werden. Zu dieſen gehoͤ-
ren jene herrlichen Mauergemaͤlde des großen Hofes im Klo-
ſter Monte Uliveto maggiore, welches auf dem Wege von
Siena nach Rom nur ſechs Miglien von der Station Buon-

con-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0402" n="384"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">XIV.</hi><lb/>
Die unumga&#x0364;ngliche Viel&#x017F;eitigkeit in den Be-<lb/>
ziehungen, die Hinderni&#x017F;&#x017F;e der Entwicke-<lb/>
lung, die Ur&#x017F;achen des vorzeitigen Verfal-<lb/>
les der neueren Kun&#x017F;t.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Ueber die Be&#x017F;trebungen und Lei&#x017F;tungen der Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> i&#x017F;t unter den Kun&#x017F;tfreunden und den Gebildeten<lb/>
u&#x0364;berhaupt viel um&#x017F;ta&#x0364;ndliche Kunde verbreitet. Freylich wur-<lb/>
den die erreichbaren urkundlichen Nachrichten bisher bey wei-<lb/>
tem nicht er&#x017F;cho&#x0364;pft; freylich wird <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> auch in die&#x017F;er Ge-<lb/>
gend der Ge&#x017F;chichte noch immer als Hauptquelle betrachtet<lb/>
und ausgenutzt. Indeß i&#x017F;t die&#x017F;er Schrift&#x017F;teller, dem man den<lb/>
viel&#x017F;eitig&#x017F;ten Kun&#x017F;t&#x017F;inn und die fein&#x017F;te Beobachtungsgabe nicht<lb/>
ab&#x017F;prechen kann, bey geho&#x0364;riger Beru&#x0364;ck&#x017F;ichtigung &#x017F;einer per&#x017F;o&#x0364;n-<lb/>
lichen Schwa&#x0364;chen und Befangenheiten fu&#x0364;r &#x017F;o neue Zeit &#x017F;chon<lb/>
als Zeuge anzu&#x017F;ehn, weßhalb die Be&#x017F;ta&#x0364;tigung oder Berichti-<lb/>
gung und Mehrung &#x017F;einer &#x017F;pa&#x0364;te&#x017F;ten Malerleben mir &#x017F;elb&#x017F;t vor<lb/>
der Hand mehr wu&#x0364;n&#x017F;chenswerth, als dringend zu &#x017F;eyn &#x017F;chien.</p><lb/>
          <p>Wu&#x0364;n&#x017F;chenswerth wa&#x0364;re be&#x017F;onders die Ehrenrettung &#x017F;olcher<lb/>
Arbeiten, welche, durch Verunglimpfungen des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> bisher<lb/>
nicht nach dem vollen Maße ihres Kun&#x017F;twerthes anerkannt<lb/>
und eben daher nur &#x017F;elten be&#x017F;ucht werden. Zu die&#x017F;en geho&#x0364;-<lb/>
ren jene herrlichen Mauergema&#x0364;lde des großen Hofes im Klo-<lb/>
&#x017F;ter Monte Uliveto maggiore, welches auf dem Wege von<lb/><placeName>Siena</placeName> nach <placeName>Rom</placeName> nur &#x017F;echs Miglien von der Station <placeName xml:id="pln1a" next="#pln1b">Buon-</placeName><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">con-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0402] XIV. Die unumgaͤngliche Vielſeitigkeit in den Be- ziehungen, die Hinderniſſe der Entwicke- lung, die Urſachen des vorzeitigen Verfal- les der neueren Kunſt. Ueber die Beſtrebungen und Leiſtungen der Zeitgenoſſen Raphaels iſt unter den Kunſtfreunden und den Gebildeten uͤberhaupt viel umſtaͤndliche Kunde verbreitet. Freylich wur- den die erreichbaren urkundlichen Nachrichten bisher bey wei- tem nicht erſchoͤpft; freylich wird Vaſari auch in dieſer Ge- gend der Geſchichte noch immer als Hauptquelle betrachtet und ausgenutzt. Indeß iſt dieſer Schriftſteller, dem man den vielſeitigſten Kunſtſinn und die feinſte Beobachtungsgabe nicht abſprechen kann, bey gehoͤriger Beruͤckſichtigung ſeiner perſoͤn- lichen Schwaͤchen und Befangenheiten fuͤr ſo neue Zeit ſchon als Zeuge anzuſehn, weßhalb die Beſtaͤtigung oder Berichti- gung und Mehrung ſeiner ſpaͤteſten Malerleben mir ſelbſt vor der Hand mehr wuͤnſchenswerth, als dringend zu ſeyn ſchien. Wuͤnſchenswerth waͤre beſonders die Ehrenrettung ſolcher Arbeiten, welche, durch Verunglimpfungen des Vaſari bisher nicht nach dem vollen Maße ihres Kunſtwerthes anerkannt und eben daher nur ſelten beſucht werden. Zu dieſen gehoͤ- ren jene herrlichen Mauergemaͤlde des großen Hofes im Klo- ſter Monte Uliveto maggiore, welches auf dem Wege von Siena nach Rom nur ſechs Miglien von der Station Buon- con-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/402
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/402>, abgerufen am 22.11.2024.