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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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wie jene Tänzerinnen der Orgelverzierung bezeugen, noch
ungleich tiefer eingedrungen war. Lorenzo Medici, der alte,
fand demnach, als er den Porticus seiner Villa zu Poggio a
Cajano
durch einen Friis von gebrannter Erde verzieren ließ,
welcher die Geheimnisse der Urwelt nach griechischem Mythus
andeutet, die Bildner bereits darauf vorbereitet seinen Wün-
schen zu genügen; weniger die Maler, deren einige, besonders
Botticelli, von demselben Gönner angeregt *), nun ebenfalls
begannen, in freyen Allegorieen, oder gegebenen mythologi-
schen Vorstellungen sich zu versuchen.

Demnach entstand jene Erweiterung des Gebietes der
neueren Kunst gewissermaßen nur aus der Steigerung eines
Verlangens, welches selbst in den unvollkommneren Arbeiten
des Mittelalters überall aufleuchtet, gegen Ende des funfzehn-
ten Jahrhundertes entschieden, und mit dem deutlichsten Be-
wußtseyn des eigenen Wollens hervorgetreten war; und Ra-
phael
ist daher nicht sowohl der erste, welcher sein Talent auf
Gegenstände der Mythologie bezogen, als vielmehr derjenige,
welcher den Anfoderungen mehrseitig gebildeter Männer seiner
Zeit, durch seine gleichmäßig ergötzliche und bedeutsame Be-
handlung mythischer Aufgaben zuerst durchaus genügt hat. In
dieser Beziehung ist er allerdings als Stifter anzusehn. Denn
er lehrte durch sein Beyspiel, daß solche Aufgaben nicht, gleich
den kirchlichen, mit religiöser und historischer Strenge, sondern

*) S. Vasari, vita di Sandro Botticelli, -- In casa Medici a
Lorenzo vecchio lavoro molte cose e massimamente una Pallade su
una impresa di bronconi, che buttavano fuoco.
-- Vergl. dens. zu
Ende dieses Lebens. Seine calunnia d'Apelle, ist nicht mehr vorhan-
den, wohl aber andere Gemälde dieser Art, deren Vasari hier
nicht erwähnt.

wie jene Taͤnzerinnen der Orgelverzierung bezeugen, noch
ungleich tiefer eingedrungen war. Lorenzo Medici, der alte,
fand demnach, als er den Porticus ſeiner Villa zu Poggio a
Cajano
durch einen Friis von gebrannter Erde verzieren ließ,
welcher die Geheimniſſe der Urwelt nach griechiſchem Mythus
andeutet, die Bildner bereits darauf vorbereitet ſeinen Wuͤn-
ſchen zu genuͤgen; weniger die Maler, deren einige, beſonders
Botticelli, von demſelben Goͤnner angeregt *), nun ebenfalls
begannen, in freyen Allegorieen, oder gegebenen mythologi-
ſchen Vorſtellungen ſich zu verſuchen.

Demnach entſtand jene Erweiterung des Gebietes der
neueren Kunſt gewiſſermaßen nur aus der Steigerung eines
Verlangens, welches ſelbſt in den unvollkommneren Arbeiten
des Mittelalters uͤberall aufleuchtet, gegen Ende des funfzehn-
ten Jahrhundertes entſchieden, und mit dem deutlichſten Be-
wußtſeyn des eigenen Wollens hervorgetreten war; und Ra-
phael
iſt daher nicht ſowohl der erſte, welcher ſein Talent auf
Gegenſtaͤnde der Mythologie bezogen, als vielmehr derjenige,
welcher den Anfoderungen mehrſeitig gebildeter Maͤnner ſeiner
Zeit, durch ſeine gleichmaͤßig ergoͤtzliche und bedeutſame Be-
handlung mythiſcher Aufgaben zuerſt durchaus genuͤgt hat. In
dieſer Beziehung iſt er allerdings als Stifter anzuſehn. Denn
er lehrte durch ſein Beyſpiel, daß ſolche Aufgaben nicht, gleich
den kirchlichen, mit religioͤſer und hiſtoriſcher Strenge, ſondern

*) S. Vasari, vita di Sandro Botticelli, — In casa Medici a
Lorenzo vecchio lavorò molte cose e massimamente una Pallade su
una impresa di bronconi, che buttavano fuoco.
— Vergl. denſ. zu
Ende dieſes Lebens. Seine calunnia d’Apelle, iſt nicht mehr vorhan-
den, wohl aber andere Gemaͤlde dieſer Art, deren Vaſari hier
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[396/0414] wie jene Taͤnzerinnen der Orgelverzierung bezeugen, noch ungleich tiefer eingedrungen war. Lorenzo Medici, der alte, fand demnach, als er den Porticus ſeiner Villa zu Poggio a Cajano durch einen Friis von gebrannter Erde verzieren ließ, welcher die Geheimniſſe der Urwelt nach griechiſchem Mythus andeutet, die Bildner bereits darauf vorbereitet ſeinen Wuͤn- ſchen zu genuͤgen; weniger die Maler, deren einige, beſonders Botticelli, von demſelben Goͤnner angeregt *), nun ebenfalls begannen, in freyen Allegorieen, oder gegebenen mythologi- ſchen Vorſtellungen ſich zu verſuchen. Demnach entſtand jene Erweiterung des Gebietes der neueren Kunſt gewiſſermaßen nur aus der Steigerung eines Verlangens, welches ſelbſt in den unvollkommneren Arbeiten des Mittelalters uͤberall aufleuchtet, gegen Ende des funfzehn- ten Jahrhundertes entſchieden, und mit dem deutlichſten Be- wußtſeyn des eigenen Wollens hervorgetreten war; und Ra- phael iſt daher nicht ſowohl der erſte, welcher ſein Talent auf Gegenſtaͤnde der Mythologie bezogen, als vielmehr derjenige, welcher den Anfoderungen mehrſeitig gebildeter Maͤnner ſeiner Zeit, durch ſeine gleichmaͤßig ergoͤtzliche und bedeutſame Be- handlung mythiſcher Aufgaben zuerſt durchaus genuͤgt hat. In dieſer Beziehung iſt er allerdings als Stifter anzuſehn. Denn er lehrte durch ſein Beyſpiel, daß ſolche Aufgaben nicht, gleich den kirchlichen, mit religioͤſer und hiſtoriſcher Strenge, ſondern *) S. Vasari, vita di Sandro Botticelli, — In casa Medici a Lorenzo vecchio lavorò molte cose e massimamente una Pallade su una impresa di bronconi, che buttavano fuoco. — Vergl. denſ. zu Ende dieſes Lebens. Seine calunnia d’Apelle, iſt nicht mehr vorhan- den, wohl aber andere Gemaͤlde dieſer Art, deren Vaſari hier nicht erwaͤhnt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/414>, abgerufen am 24.11.2024.