Vasari dem Cimabue beygelegt, (die berühmtere in sta Maria novella, die andere, aus sta Trinita, in der Gallerie der flo- rentinischen Kunstschule) sicher florentinische Arbeiten sind, so werden wir nicht anstehen dürfen, dieser Schule, bey achtens- werther Steigerung der Geschicklichkeit, auch eine entschiedene Eigenthümlichkeit des Sinnes und Geistes einzuräumen.
Nicht, weil Vasari Solches bestimmt zu wissen vorgiebt, vielmehr aus anderen, allgemeineren Gründen glaube ich, daß jene beiden großen Tafeln in der That von Cimabue gemalt worden. Allerdings konnte Vasari, da er überhaupt nirgend auf den Grund gegangen, da die Malereyen in Klosterkirchen meist Geschenke und daher unbekundet sind, da ihn hier nicht einmal Aufschriften leiteten, durchaus nur durch örtliche Tra- ditionen bestimmt worden seyn, die erwähnten Tafeln dem Cimabue beyzulegen, welche in diesem Falle vielleicht an sich selbst verdächtig sind, weil Cimabue seit Giotto's Umwälzung der italienischen Kunstmanieren veraltet und fast vergessen war. Erwägen wir indeß, daß beide Tafeln bis gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes die Hauptaltäre zweyer ansehnli- chen, verehrten, stark besuchten Klosterkirchen zierten; daß sie in ungewöhnlichen Dimensionen ausgeführt waren und selbst denen auffallen mußten, welchen die Manier grell und absto- ßend zu seyn schien; daß Cimabue, wie man immer seine Manier gering schätzen mochte, doch durch das vielgelesene Gedicht des Dante im Andenken gebildeter Menschen sich er- halten mußte und, wie Ghiberti's und Filippo Villani's Er- wähnungen zeigen, wirklich darin fortlebte: so werden wir die Wahrscheinlichkeit zugeben müssen, daß man, als Vasari schrieb, noch wissen konnte, vielleicht noch wissen mußte, wer jene auffallenden Tafeln gemalt hatte. Diese treffen zudem
Vaſari dem Cimabue beygelegt, (die beruͤhmtere in ſta Maria novella, die andere, aus ſta Trinita, in der Gallerie der flo- rentiniſchen Kunſtſchule) ſicher florentiniſche Arbeiten ſind, ſo werden wir nicht anſtehen duͤrfen, dieſer Schule, bey achtens- werther Steigerung der Geſchicklichkeit, auch eine entſchiedene Eigenthuͤmlichkeit des Sinnes und Geiſtes einzuraͤumen.
Nicht, weil Vaſari Solches beſtimmt zu wiſſen vorgiebt, vielmehr aus anderen, allgemeineren Gruͤnden glaube ich, daß jene beiden großen Tafeln in der That von Cimabue gemalt worden. Allerdings konnte Vaſari, da er uͤberhaupt nirgend auf den Grund gegangen, da die Malereyen in Kloſterkirchen meiſt Geſchenke und daher unbekundet ſind, da ihn hier nicht einmal Aufſchriften leiteten, durchaus nur durch oͤrtliche Tra- ditionen beſtimmt worden ſeyn, die erwaͤhnten Tafeln dem Cimabue beyzulegen, welche in dieſem Falle vielleicht an ſich ſelbſt verdaͤchtig ſind, weil Cimabue ſeit Giotto’s Umwaͤlzung der italieniſchen Kunſtmanieren veraltet und faſt vergeſſen war. Erwaͤgen wir indeß, daß beide Tafeln bis gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes die Hauptaltaͤre zweyer anſehnli- chen, verehrten, ſtark beſuchten Kloſterkirchen zierten; daß ſie in ungewoͤhnlichen Dimenſionen ausgefuͤhrt waren und ſelbſt denen auffallen mußten, welchen die Manier grell und abſto- ßend zu ſeyn ſchien; daß Cimabue, wie man immer ſeine Manier gering ſchaͤtzen mochte, doch durch das vielgeleſene Gedicht des Dante im Andenken gebildeter Menſchen ſich er- halten mußte und, wie Ghiberti’s und Filippo Villani’s Er- waͤhnungen zeigen, wirklich darin fortlebte: ſo werden wir die Wahrſcheinlichkeit zugeben muͤſſen, daß man, als Vaſari ſchrieb, noch wiſſen konnte, vielleicht noch wiſſen mußte, wer jene auffallenden Tafeln gemalt hatte. Dieſe treffen zudem
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[30/0048]
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werden wir nicht anſtehen duͤrfen, dieſer Schule, bey achtens-
werther Steigerung der Geſchicklichkeit, auch eine entſchiedene
Eigenthuͤmlichkeit des Sinnes und Geiſtes einzuraͤumen.
Nicht, weil Vaſari Solches beſtimmt zu wiſſen vorgiebt,
vielmehr aus anderen, allgemeineren Gruͤnden glaube ich, daß
jene beiden großen Tafeln in der That von Cimabue gemalt
worden. Allerdings konnte Vaſari, da er uͤberhaupt nirgend
auf den Grund gegangen, da die Malereyen in Kloſterkirchen
meiſt Geſchenke und daher unbekundet ſind, da ihn hier nicht
einmal Aufſchriften leiteten, durchaus nur durch oͤrtliche Tra-
ditionen beſtimmt worden ſeyn, die erwaͤhnten Tafeln dem
Cimabue beyzulegen, welche in dieſem Falle vielleicht an ſich
ſelbſt verdaͤchtig ſind, weil Cimabue ſeit Giotto’s Umwaͤlzung
der italieniſchen Kunſtmanieren veraltet und faſt vergeſſen war.
Erwaͤgen wir indeß, daß beide Tafeln bis gegen Ende des
funfzehnten Jahrhundertes die Hauptaltaͤre zweyer anſehnli-
chen, verehrten, ſtark beſuchten Kloſterkirchen zierten; daß ſie
in ungewoͤhnlichen Dimenſionen ausgefuͤhrt waren und ſelbſt
denen auffallen mußten, welchen die Manier grell und abſto-
ßend zu ſeyn ſchien; daß Cimabue, wie man immer ſeine
Manier gering ſchaͤtzen mochte, doch durch das vielgeleſene
Gedicht des Dante im Andenken gebildeter Menſchen ſich er-
halten mußte und, wie Ghiberti’s und Filippo Villani’s Er-
waͤhnungen zeigen, wirklich darin fortlebte: ſo werden wir die
Wahrſcheinlichkeit zugeben muͤſſen, daß man, als Vaſari
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jene auffallenden Tafeln gemalt hatte. Dieſe treffen zudem
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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