genossen in Giotto's Werken bewunderten und priesen, ist, in Ansehung der damaligen Kunststufe und einzelner noch vorhan- dener Proben seines Kunstgeschickes, eben nichts Anderes, als jene Lebendigkeit der Bewegung und Handlung, welche zwar den bezeichneten Kunstaufgaben Reiz und Interesse verlieh, doch zugleich den ernsten Sinn der vorangehenden Kunstbestre- bungen verdrängte, deren Werth wir freyer beurtheilen kön- nen, als jene in der Bewunderung und Nachahmung des Giotto befangenen Alten.
Sehen wir nun, ob die Untersuchung seiner Künstler- werke dasselbe, oder ein ganz anderes Ergebniß gewähre. Lei- der giebt es nur noch ein einziges durch Inschrift beglaubig- tes Gemälde seiner Hand; in Bezug auf die übrigen, welche ihm noch beygemessen werden, müssen wir uns, da Vasari und Neuere in so alten Dingen überhaupt ganz unzuverlässig, besonders auf die Angaben des Ghiberti stützen, obwohl auch diese häufig höchst unbestimmt ausgesprochen und nicht ohne reifliche Ueberlegung aufzunehmen sind.
Das bezeichnete Bild befindet sich in der Kappelle Ba- roncelli der Kirche sta Croce zu Florenz; es bestehet in fünf Abtheilungen von italienisch - gothischer Anlage. Diese sind allerdings etwa im funfzehnten Jahrhunderte durch einen neue- ren Rahmen eingefaßt worden; doch greift die Neuerung nicht so weit in den Sockel des Bildes hinüber, daß wir deßhalb berechtigt wären, das Alter und die Aechtheit der daran be- findlichen (in Ansehung der Schriftzüge und deren jedesmali- ger Einfassung sicher älteren) Aufschrift zu bezweifeln, welche,
Andeutung ist wenigstens so harmlos, als die ausführliche Darstel- lung jener Maler und Dichter.
genoſſen in Giotto’s Werken bewunderten und prieſen, iſt, in Anſehung der damaligen Kunſtſtufe und einzelner noch vorhan- dener Proben ſeines Kunſtgeſchickes, eben nichts Anderes, als jene Lebendigkeit der Bewegung und Handlung, welche zwar den bezeichneten Kunſtaufgaben Reiz und Intereſſe verlieh, doch zugleich den ernſten Sinn der vorangehenden Kunſtbeſtre- bungen verdraͤngte, deren Werth wir freyer beurtheilen koͤn- nen, als jene in der Bewunderung und Nachahmung des Giotto befangenen Alten.
Sehen wir nun, ob die Unterſuchung ſeiner Kuͤnſtler- werke daſſelbe, oder ein ganz anderes Ergebniß gewaͤhre. Lei- der giebt es nur noch ein einziges durch Inſchrift beglaubig- tes Gemaͤlde ſeiner Hand; in Bezug auf die uͤbrigen, welche ihm noch beygemeſſen werden, muͤſſen wir uns, da Vaſari und Neuere in ſo alten Dingen uͤberhaupt ganz unzuverlaͤſſig, beſonders auf die Angaben des Ghiberti ſtuͤtzen, obwohl auch dieſe haͤufig hoͤchſt unbeſtimmt ausgeſprochen und nicht ohne reifliche Ueberlegung aufzunehmen ſind.
Das bezeichnete Bild befindet ſich in der Kappelle Ba- roncelli der Kirche ſta Croce zu Florenz; es beſtehet in fuͤnf Abtheilungen von italieniſch - gothiſcher Anlage. Dieſe ſind allerdings etwa im funfzehnten Jahrhunderte durch einen neue- ren Rahmen eingefaßt worden; doch greift die Neuerung nicht ſo weit in den Sockel des Bildes hinuͤber, daß wir deßhalb berechtigt waͤren, das Alter und die Aechtheit der daran be- findlichen (in Anſehung der Schriftzuͤge und deren jedesmali- ger Einfaſſung ſicher aͤlteren) Aufſchrift zu bezweifeln, welche,
Andeutung iſt wenigſtens ſo harmlos, als die ausfuͤhrliche Darſtel- lung jener Maler und Dichter.
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genoſſen in Giotto’s Werken bewunderten und prieſen, iſt, in
Anſehung der damaligen Kunſtſtufe und einzelner noch vorhan-
dener Proben ſeines Kunſtgeſchickes, eben nichts Anderes, als
jene Lebendigkeit der Bewegung und Handlung, welche zwar
den bezeichneten Kunſtaufgaben Reiz und Intereſſe verlieh,
doch zugleich den ernſten Sinn der vorangehenden Kunſtbeſtre-
bungen verdraͤngte, deren Werth wir freyer beurtheilen koͤn-
nen, als jene in der Bewunderung und Nachahmung des
Giotto befangenen Alten.
Sehen wir nun, ob die Unterſuchung ſeiner Kuͤnſtler-
werke daſſelbe, oder ein ganz anderes Ergebniß gewaͤhre. Lei-
der giebt es nur noch ein einziges durch Inſchrift beglaubig-
tes Gemaͤlde ſeiner Hand; in Bezug auf die uͤbrigen, welche
ihm noch beygemeſſen werden, muͤſſen wir uns, da Vaſari
und Neuere in ſo alten Dingen uͤberhaupt ganz unzuverlaͤſſig,
beſonders auf die Angaben des Ghiberti ſtuͤtzen, obwohl auch
dieſe haͤufig hoͤchſt unbeſtimmt ausgeſprochen und nicht ohne
reifliche Ueberlegung aufzunehmen ſind.
Das bezeichnete Bild befindet ſich in der Kappelle Ba-
roncelli der Kirche ſta Croce zu Florenz; es beſtehet in fuͤnf
Abtheilungen von italieniſch - gothiſcher Anlage. Dieſe ſind
allerdings etwa im funfzehnten Jahrhunderte durch einen neue-
ren Rahmen eingefaßt worden; doch greift die Neuerung nicht
ſo weit in den Sockel des Bildes hinuͤber, daß wir deßhalb
berechtigt waͤren, das Alter und die Aechtheit der daran be-
findlichen (in Anſehung der Schriftzuͤge und deren jedesmali-
ger Einfaſſung ſicher aͤlteren) Aufſchrift zu bezweifeln, welche,
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*) Andeutung iſt wenigſtens ſo harmlos, als die ausfuͤhrliche Darſtel-
lung jener Maler und Dichter.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/75>, abgerufen am 23.11.2024.
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