Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.Kunst, hatten die Großen ihr gehuldigt, ihr sich gefügt. Bald III. 10
Kunſt, hatten die Großen ihr gehuldigt, ihr ſich gefuͤgt. Bald III. 10
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0167" n="145"/> Kunſt, hatten die Großen ihr gehuldigt, ihr ſich gefuͤgt. Bald<lb/> aber ging man zu einer falſchen Zuverſicht uͤber, bediente ſich<lb/> der neuen Eroberung als eines ſicheren Beſitzes, der, einmal<lb/> erworben, nicht mehr entgehen koͤnne, unterwarf daher die<lb/> Kunſt, der man anfangs mit Ehrfurcht gedient hatte, nun-<lb/> mehr den Launen und Geluͤſten der Macht. Hieraus ent-<lb/> ſtand ohne Verſchulden des Kuͤnſtlers: Zuſammenſtellung des<lb/> Unvereinbaren (die Logen), Aufopferung des Hoͤheren fuͤr<lb/> Untergeordnetes (Saal der Thierbildungen), endlich, in Folge<lb/> der Ungeduld nach ſchneller Befriedigung, der Spaͤrlichkeit der<lb/> Belohnungen, fluͤchtigere, vernachlaͤſſigte Ausfuͤhrung (die Lo-<lb/> gen, die Farneſina, andere Villen, unzaͤhlige Staffeleygemaͤlde,<lb/> ſelbſt die Cartons zu den Tapeten). Die Zeit, in welcher<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118640445">Lionardo da Vinci</persName> durch den Adel und das Tiefſinnnige ſehr<lb/> vereinzelter Leiſtungen, durch ſeine mannichfaltigen Forſchun-<lb/> gen, die Gunſt und den freygebigen Schutz großer Fuͤrſten<lb/> ſich erwerben konnte, war nun voruͤber. Man wollte in kur-<lb/> zer Zeit befriedigt ſeyn, bey maͤßigem Anfwand große Raͤume<lb/> durch mancherley Andeutungen ausgefuͤllt ſehn; fuͤr die in-<lb/> nere Fuͤlle und gaͤnzliche Unerſchoͤpflichkeit des Gehaltes wahr-<lb/> haft vollendeter Kunſtwerke verlor ſich die Empfaͤnglichkeit<lb/> mehr und mehr. Es war nicht mehr weit bis zu der Epoche,<lb/> da <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> in Aufſchriften und in Buͤchern der Kuͤrze der Zeit<lb/> ſich ruͤhmen durfte, in welcher ſeinem haltloſen Talent gelun-<lb/> gen war, ungeheuere Saͤle und maͤchtige Triumphbogen durch<lb/> Figuren ohne Charakter, Leben und Bedeutung auszufuͤllen.<lb/> Bey abnehmender Kunſtliebe der Menge warben die Kuͤnſtler<lb/> um gegenſeitigen Neid, oder Beyfall; daher entſtand wiederum,<lb/> den Untergang der Kunſt zu beſchleunigen, Schulpedanterey<lb/> und Wetteifer im Paradoxen und Grillenhaften.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III.</hi> 10</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [145/0167]
Kunſt, hatten die Großen ihr gehuldigt, ihr ſich gefuͤgt. Bald
aber ging man zu einer falſchen Zuverſicht uͤber, bediente ſich
der neuen Eroberung als eines ſicheren Beſitzes, der, einmal
erworben, nicht mehr entgehen koͤnne, unterwarf daher die
Kunſt, der man anfangs mit Ehrfurcht gedient hatte, nun-
mehr den Launen und Geluͤſten der Macht. Hieraus ent-
ſtand ohne Verſchulden des Kuͤnſtlers: Zuſammenſtellung des
Unvereinbaren (die Logen), Aufopferung des Hoͤheren fuͤr
Untergeordnetes (Saal der Thierbildungen), endlich, in Folge
der Ungeduld nach ſchneller Befriedigung, der Spaͤrlichkeit der
Belohnungen, fluͤchtigere, vernachlaͤſſigte Ausfuͤhrung (die Lo-
gen, die Farneſina, andere Villen, unzaͤhlige Staffeleygemaͤlde,
ſelbſt die Cartons zu den Tapeten). Die Zeit, in welcher
Lionardo da Vinci durch den Adel und das Tiefſinnnige ſehr
vereinzelter Leiſtungen, durch ſeine mannichfaltigen Forſchun-
gen, die Gunſt und den freygebigen Schutz großer Fuͤrſten
ſich erwerben konnte, war nun voruͤber. Man wollte in kur-
zer Zeit befriedigt ſeyn, bey maͤßigem Anfwand große Raͤume
durch mancherley Andeutungen ausgefuͤllt ſehn; fuͤr die in-
nere Fuͤlle und gaͤnzliche Unerſchoͤpflichkeit des Gehaltes wahr-
haft vollendeter Kunſtwerke verlor ſich die Empfaͤnglichkeit
mehr und mehr. Es war nicht mehr weit bis zu der Epoche,
da Vaſari in Aufſchriften und in Buͤchern der Kuͤrze der Zeit
ſich ruͤhmen durfte, in welcher ſeinem haltloſen Talent gelun-
gen war, ungeheuere Saͤle und maͤchtige Triumphbogen durch
Figuren ohne Charakter, Leben und Bedeutung auszufuͤllen.
Bey abnehmender Kunſtliebe der Menge warben die Kuͤnſtler
um gegenſeitigen Neid, oder Beyfall; daher entſtand wiederum,
den Untergang der Kunſt zu beſchleunigen, Schulpedanterey
und Wetteifer im Paradoxen und Grillenhaften.
III. 10
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |