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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Italien in allen wesentlichen Dingen *) mit anderen des
sinkenden Reiches übereintreffen. Es bleibt demnach nur etwa
zu zeigen, wer zuerst die Benennung gothischer Architectur auf
eine Bauart übertragen habe, welche nicht früher hervortritt,
als um viele Jahrhunderte nach Auflösung beider gothischer
Reiche, welche Gründe, oder, wenn diese fehlen, welche Ver-
anlassungen dazu verleiten konnten, gothisch zu nennen, was
sicher weder den Gothen seinen Ursprung verdankt, noch je-
mals bei ihnen üblich war.

Die Bauart, welche unter uns die gothische genannt
wird, unterscheidet sich von den anderen des Mittelalters
durch die Anwendung von spitz zulaufenden, oder aus zween
Segmenten zusammengesetzten Bogen, von entsprechenden,
meist sehr complicirten Gewölbconstructionen; durch eine ent-
schiedene Hinneigung zum Pyramidalen und Schlanken, so-
wohl im Hauptentwurfe, als in den Nebenformen; endlich
auch durch eine größere Eigenthümlichkeit in den Verzierun-
gen aller Art, denen die Einheit des Gusses, die Ueberein-
stimmung nicht abzusprechen ist. Diese Bauart nun, welche
nach dem übereinstimmenden Resultat aller neueren Forschun-
gen nicht früher, als um das Jahr 1200, ihre ersten, ein-
fachen Grundformen zu entwickeln beginnt, und noch ungleich
später, im Verlaufe des dreizehnten Jahrhunderts, vielmehr
in dessen zweiter Hälfte, auch in der Ausgestaltung ihrer ver-
zierenden Theile eine gewisse Vollendung erreicht, läßt Georg

*) Unwesentlich nenne ich Abweichungen der Verzierung vom An-
tiken, welche nicht nothwendig gothischer Erfindung sind, oft erweislich
den Architecten des sinkenden Reiches angehören, oder, wie einiges an
dem Denkmahle Theodorichs, mit den Verzierungen altgriechischer Ge-
räthe zusammenfallen, daher ebenfalls entlehnt seyn könnten.

Italien in allen weſentlichen Dingen *) mit anderen des
ſinkenden Reiches uͤbereintreffen. Es bleibt demnach nur etwa
zu zeigen, wer zuerſt die Benennung gothiſcher Architectur auf
eine Bauart uͤbertragen habe, welche nicht fruͤher hervortritt,
als um viele Jahrhunderte nach Aufloͤſung beider gothiſcher
Reiche, welche Gruͤnde, oder, wenn dieſe fehlen, welche Ver-
anlaſſungen dazu verleiten konnten, gothiſch zu nennen, was
ſicher weder den Gothen ſeinen Urſprung verdankt, noch je-
mals bei ihnen uͤblich war.

Die Bauart, welche unter uns die gothiſche genannt
wird, unterſcheidet ſich von den anderen des Mittelalters
durch die Anwendung von ſpitz zulaufenden, oder aus zween
Segmenten zuſammengeſetzten Bogen, von entſprechenden,
meiſt ſehr complicirten Gewoͤlbconſtructionen; durch eine ent-
ſchiedene Hinneigung zum Pyramidalen und Schlanken, ſo-
wohl im Hauptentwurfe, als in den Nebenformen; endlich
auch durch eine groͤßere Eigenthuͤmlichkeit in den Verzierun-
gen aller Art, denen die Einheit des Guſſes, die Ueberein-
ſtimmung nicht abzuſprechen iſt. Dieſe Bauart nun, welche
nach dem uͤbereinſtimmenden Reſultat aller neueren Forſchun-
gen nicht fruͤher, als um das Jahr 1200, ihre erſten, ein-
fachen Grundformen zu entwickeln beginnt, und noch ungleich
ſpaͤter, im Verlaufe des dreizehnten Jahrhunderts, vielmehr
in deſſen zweiter Haͤlfte, auch in der Ausgeſtaltung ihrer ver-
zierenden Theile eine gewiſſe Vollendung erreicht, laͤßt Georg

*) Unweſentlich nenne ich Abweichungen der Verzierung vom An-
tiken, welche nicht nothwendig gothiſcher Erfindung ſind, oft erweislich
den Architecten des ſinkenden Reiches angehören, oder, wie einiges an
dem Denkmahle Theodorichs, mit den Verzierungen altgriechiſcher Ge-
räthe zuſammenfallen, daher ebenfalls entlehnt ſeyn könnten.
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[166/0188] Italien in allen weſentlichen Dingen *) mit anderen des ſinkenden Reiches uͤbereintreffen. Es bleibt demnach nur etwa zu zeigen, wer zuerſt die Benennung gothiſcher Architectur auf eine Bauart uͤbertragen habe, welche nicht fruͤher hervortritt, als um viele Jahrhunderte nach Aufloͤſung beider gothiſcher Reiche, welche Gruͤnde, oder, wenn dieſe fehlen, welche Ver- anlaſſungen dazu verleiten konnten, gothiſch zu nennen, was ſicher weder den Gothen ſeinen Urſprung verdankt, noch je- mals bei ihnen uͤblich war. Die Bauart, welche unter uns die gothiſche genannt wird, unterſcheidet ſich von den anderen des Mittelalters durch die Anwendung von ſpitz zulaufenden, oder aus zween Segmenten zuſammengeſetzten Bogen, von entſprechenden, meiſt ſehr complicirten Gewoͤlbconſtructionen; durch eine ent- ſchiedene Hinneigung zum Pyramidalen und Schlanken, ſo- wohl im Hauptentwurfe, als in den Nebenformen; endlich auch durch eine groͤßere Eigenthuͤmlichkeit in den Verzierun- gen aller Art, denen die Einheit des Guſſes, die Ueberein- ſtimmung nicht abzuſprechen iſt. Dieſe Bauart nun, welche nach dem uͤbereinſtimmenden Reſultat aller neueren Forſchun- gen nicht fruͤher, als um das Jahr 1200, ihre erſten, ein- fachen Grundformen zu entwickeln beginnt, und noch ungleich ſpaͤter, im Verlaufe des dreizehnten Jahrhunderts, vielmehr in deſſen zweiter Haͤlfte, auch in der Ausgeſtaltung ihrer ver- zierenden Theile eine gewiſſe Vollendung erreicht, laͤßt Georg *) Unweſentlich nenne ich Abweichungen der Verzierung vom An- tiken, welche nicht nothwendig gothiſcher Erfindung ſind, oft erweislich den Architecten des ſinkenden Reiches angehören, oder, wie einiges an dem Denkmahle Theodorichs, mit den Verzierungen altgriechiſcher Ge- räthe zuſammenfallen, daher ebenfalls entlehnt ſeyn könnten.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/188>, abgerufen am 04.12.2024.