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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Kirche von drey Seiten umgiebt, mögen, wie ich früher ver-
muthet, ravennatische, können aber eben sowohl neugriechische
Arbeiten aus einer älteren, besseren Zeit seyn. Die früher
aus dem Gedächtniß gemachte Bemerkung, daß die alt-testa-
mentlichen Darstellungen dieser Halle auf weißem Grunde
stehen, gilt nur von einigen, die übrigen haben einen blas-
sen Goldgrund. Uebrigens gilt von denselben Alles, was
ich bereits bemerkt habe.

Jene allgemeinen, durchaus nicht erörterten Andeutun-
gen des Vasari, dieses letzte nach Art der späteren Byzan-
tiner angelegte Dach der Marcuskirche, endlich die Kuppeln
über den Durchschneidungen der Schiffe übrigens ganz rö-
misch angelegter Basiliken; da hätten wir, was die Ent-
stehung der Meinung erklärt, daß die Bauart, welche man
während des eilften und zwölften Jahrhundert im westlichen
Europa befolgte, im östlichen Reiche ihren Ursprung genom-
men habe. Wir haben uns erinnert, daß in Italien, wie
überhaupt in den Ländern, welche in kirchlichen Dingen sich
zu Rom hielten, die Baukunst nie aufhörte nach römischen
Erfahrungen und Grundsätzen ausgeübt zu werden; ferner,
daß in der Anlage der byzantinischen Tempel Vieles mit den
Gebräuchen der lateinischen Kirche ganz unverträglich war.
Man konnte demnach in Italien zu keiner Zeit die byzanti-
nischen Kirchen in allen Theilen, vielmehr nur unter Ein-
schränkungen und mit Abänderungen nachgebildet haben. Al-
lein selbst diese bedingte Nachahmung neugriechischer Bau-
werke beschränkte sich auf wenige geographische Puncte, ward
nicht einmal an diesen jemals ganz allgemein. Denn sogar
in Venedig, wo die Richtung des Handels und die lange
Schutzverwandtschaft zum östlichen Reiche zu der Vermuthung

III. 14

Kirche von drey Seiten umgiebt, moͤgen, wie ich fruͤher ver-
muthet, ravennatiſche, koͤnnen aber eben ſowohl neugriechiſche
Arbeiten aus einer aͤlteren, beſſeren Zeit ſeyn. Die fruͤher
aus dem Gedaͤchtniß gemachte Bemerkung, daß die alt-teſta-
mentlichen Darſtellungen dieſer Halle auf weißem Grunde
ſtehen, gilt nur von einigen, die uͤbrigen haben einen blaſ-
ſen Goldgrund. Uebrigens gilt von denſelben Alles, was
ich bereits bemerkt habe.

Jene allgemeinen, durchaus nicht eroͤrterten Andeutun-
gen des Vaſari, dieſes letzte nach Art der ſpaͤteren Byzan-
tiner angelegte Dach der Marcuskirche, endlich die Kuppeln
uͤber den Durchſchneidungen der Schiffe uͤbrigens ganz roͤ-
miſch angelegter Baſiliken; da haͤtten wir, was die Ent-
ſtehung der Meinung erklaͤrt, daß die Bauart, welche man
waͤhrend des eilften und zwoͤlften Jahrhundert im weſtlichen
Europa befolgte, im oͤſtlichen Reiche ihren Urſprung genom-
men habe. Wir haben uns erinnert, daß in Italien, wie
uͤberhaupt in den Laͤndern, welche in kirchlichen Dingen ſich
zu Rom hielten, die Baukunſt nie aufhoͤrte nach roͤmiſchen
Erfahrungen und Grundſaͤtzen ausgeuͤbt zu werden; ferner,
daß in der Anlage der byzantiniſchen Tempel Vieles mit den
Gebraͤuchen der lateiniſchen Kirche ganz unvertraͤglich war.
Man konnte demnach in Italien zu keiner Zeit die byzanti-
niſchen Kirchen in allen Theilen, vielmehr nur unter Ein-
ſchraͤnkungen und mit Abaͤnderungen nachgebildet haben. Al-
lein ſelbſt dieſe bedingte Nachahmung neugriechiſcher Bau-
werke beſchraͤnkte ſich auf wenige geographiſche Puncte, ward
nicht einmal an dieſen jemals ganz allgemein. Denn ſogar
in Venedig, wo die Richtung des Handels und die lange
Schutzverwandtſchaft zum oͤſtlichen Reiche zu der Vermuthung

III. 14
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[209/0231] Kirche von drey Seiten umgiebt, moͤgen, wie ich fruͤher ver- muthet, ravennatiſche, koͤnnen aber eben ſowohl neugriechiſche Arbeiten aus einer aͤlteren, beſſeren Zeit ſeyn. Die fruͤher aus dem Gedaͤchtniß gemachte Bemerkung, daß die alt-teſta- mentlichen Darſtellungen dieſer Halle auf weißem Grunde ſtehen, gilt nur von einigen, die uͤbrigen haben einen blaſ- ſen Goldgrund. Uebrigens gilt von denſelben Alles, was ich bereits bemerkt habe. Jene allgemeinen, durchaus nicht eroͤrterten Andeutun- gen des Vaſari, dieſes letzte nach Art der ſpaͤteren Byzan- tiner angelegte Dach der Marcuskirche, endlich die Kuppeln uͤber den Durchſchneidungen der Schiffe uͤbrigens ganz roͤ- miſch angelegter Baſiliken; da haͤtten wir, was die Ent- ſtehung der Meinung erklaͤrt, daß die Bauart, welche man waͤhrend des eilften und zwoͤlften Jahrhundert im weſtlichen Europa befolgte, im oͤſtlichen Reiche ihren Urſprung genom- men habe. Wir haben uns erinnert, daß in Italien, wie uͤberhaupt in den Laͤndern, welche in kirchlichen Dingen ſich zu Rom hielten, die Baukunſt nie aufhoͤrte nach roͤmiſchen Erfahrungen und Grundſaͤtzen ausgeuͤbt zu werden; ferner, daß in der Anlage der byzantiniſchen Tempel Vieles mit den Gebraͤuchen der lateiniſchen Kirche ganz unvertraͤglich war. Man konnte demnach in Italien zu keiner Zeit die byzanti- niſchen Kirchen in allen Theilen, vielmehr nur unter Ein- ſchraͤnkungen und mit Abaͤnderungen nachgebildet haben. Al- lein ſelbſt dieſe bedingte Nachahmung neugriechiſcher Bau- werke beſchraͤnkte ſich auf wenige geographiſche Puncte, ward nicht einmal an dieſen jemals ganz allgemein. Denn ſogar in Venedig, wo die Richtung des Handels und die lange Schutzverwandtſchaft zum oͤſtlichen Reiche zu der Vermuthung III. 14

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/231>, abgerufen am 29.11.2024.