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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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und da sich Heidrich bereits dieser zur Linken niedergelassen
hatte, so kam ich dem Wunsche des Kindes entgegen, indem
ich mich rasch auf die andere Seite neben Frau Louise begab.
Nun hatte ich sie mir gegenüber und ihr Antlitz vor Augen,
in welchen mir erst jetzt die Aehnlichkeit mit dem ihrer Schwe¬
ster Emilie auffiel. Aber die Züge dieses jungen Mädchens
erschienen in unangenehmer Deutlichkeit neben jenen Marian¬
nens, welche von einem weichen, vermittelnden Schmelz über¬
haucht waren, wie er die Frauenköpfe Greuze's kennzeichnet,
hier jedoch von einer fast kindlichen Frische des Colorits durch¬
leuchtet wurde. Ihr Blick wich dem meinen aus; schweigend,
aber mit inniger Sorgfalt legte sie der Kleinen an ihrer Seite
von den Speisen vor und lächelte, während sie selbst zierlich
und flüchtig aß, still zu den heiteren Bemerkungen, welche ihr
Nachbar zur linken aufmunternd an sie richtete. Nach und
nach wurde sie gesprächiger, wozu wohl der feurige Ungarwein,
der in kleinen Gläsern gereicht worden war und von dem sie
mehrmals genippt hatte, mochte beigetragen haben. Eine süße
Selbstvergessenheit schien sie allmälig zu überkommen; ihre
großen dunklen Augen begannen zu funkeln und mit heller
Stimme und fröhlichem Lachen erwiederte sie die Scherze Heid¬
richs, dessen Munterkeit ebenfalls mehr und mehr zunahm.
Und als der junge Mann nach beendeter Mahlzeit sich plötz¬
lich erhob und ein gemeinsames Spiel vorschlug, da sprang
auch sie auf und blickte, indem sie zustimmend in die Hände

und da ſich Heidrich bereits dieſer zur Linken niedergelaſſen
hatte, ſo kam ich dem Wunſche des Kindes entgegen, indem
ich mich raſch auf die andere Seite neben Frau Louiſe begab.
Nun hatte ich ſie mir gegenüber und ihr Antlitz vor Augen,
in welchen mir erſt jetzt die Aehnlichkeit mit dem ihrer Schwe¬
ſter Emilie auffiel. Aber die Züge dieſes jungen Mädchens
erſchienen in unangenehmer Deutlichkeit neben jenen Marian¬
nens, welche von einem weichen, vermittelnden Schmelz über¬
haucht waren, wie er die Frauenköpfe Greuze's kennzeichnet,
hier jedoch von einer faſt kindlichen Friſche des Colorits durch¬
leuchtet wurde. Ihr Blick wich dem meinen aus; ſchweigend,
aber mit inniger Sorgfalt legte ſie der Kleinen an ihrer Seite
von den Speiſen vor und lächelte, während ſie ſelbſt zierlich
und flüchtig aß, ſtill zu den heiteren Bemerkungen, welche ihr
Nachbar zur linken aufmunternd an ſie richtete. Nach und
nach wurde ſie geſprächiger, wozu wohl der feurige Ungarwein,
der in kleinen Gläſern gereicht worden war und von dem ſie
mehrmals genippt hatte, mochte beigetragen haben. Eine ſüße
Selbſtvergeſſenheit ſchien ſie allmälig zu überkommen; ihre
großen dunklen Augen begannen zu funkeln und mit heller
Stimme und fröhlichem Lachen erwiederte ſie die Scherze Heid¬
richs, deſſen Munterkeit ebenfalls mehr und mehr zunahm.
Und als der junge Mann nach beendeter Mahlzeit ſich plötz¬
lich erhob und ein gemeinſames Spiel vorſchlug, da ſprang
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[93/0109] und da ſich Heidrich bereits dieſer zur Linken niedergelaſſen hatte, ſo kam ich dem Wunſche des Kindes entgegen, indem ich mich raſch auf die andere Seite neben Frau Louiſe begab. Nun hatte ich ſie mir gegenüber und ihr Antlitz vor Augen, in welchen mir erſt jetzt die Aehnlichkeit mit dem ihrer Schwe¬ ſter Emilie auffiel. Aber die Züge dieſes jungen Mädchens erſchienen in unangenehmer Deutlichkeit neben jenen Marian¬ nens, welche von einem weichen, vermittelnden Schmelz über¬ haucht waren, wie er die Frauenköpfe Greuze's kennzeichnet, hier jedoch von einer faſt kindlichen Friſche des Colorits durch¬ leuchtet wurde. Ihr Blick wich dem meinen aus; ſchweigend, aber mit inniger Sorgfalt legte ſie der Kleinen an ihrer Seite von den Speiſen vor und lächelte, während ſie ſelbſt zierlich und flüchtig aß, ſtill zu den heiteren Bemerkungen, welche ihr Nachbar zur linken aufmunternd an ſie richtete. Nach und nach wurde ſie geſprächiger, wozu wohl der feurige Ungarwein, der in kleinen Gläſern gereicht worden war und von dem ſie mehrmals genippt hatte, mochte beigetragen haben. Eine ſüße Selbſtvergeſſenheit ſchien ſie allmälig zu überkommen; ihre großen dunklen Augen begannen zu funkeln und mit heller Stimme und fröhlichem Lachen erwiederte ſie die Scherze Heid¬ richs, deſſen Munterkeit ebenfalls mehr und mehr zunahm. Und als der junge Mann nach beendeter Mahlzeit ſich plötz¬ lich erhob und ein gemeinſames Spiel vorſchlug, da ſprang auch ſie auf und blickte, indem ſie zuſtimmend in die Hände

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/109>, abgerufen am 14.05.2024.