beschlagene Thüre aufschloß. Diese führte in eine Höhlung, welche mehrere Stufen tief in den Felsen gesprengt war und als Keller benützt wurde. Tertschka leuchtete mit dem Kien¬ spane, den sie von einem weitläufigen Herde genommen und angezündet hatte, voran und die Lebensmittel wurden unter¬ gebracht. Hierauf schloß der Aufseher die Thüre wieder hinter sich ab und zog sich in eine Art Verschlag zurück; die Uebri¬ gen aber streckten sich, unter einander kauderwälschend und ohne ihren neuen Kameraden zu beachten, längs der Seiten¬ wand auf eine Schütte alten Strohes zur Nachtruhe hin. Georg stand noch immer scheu und verlegen unweit des Ein¬ ganges; endlich trat Tertschka an ihn heran. "Geh' schlafen", sagte sie und deutete mit der Hand nach einer leeren Stelle des gemeinschaftlichen Lagers. Er folgte ihrem Winke, ängst¬ lich bedacht, so wenig Raum als möglich einzunehmen; schob er seinen Quersack unter den Kopf, breitete den abgelegten Kittel gleich einer Decke über sich und schlief mit einem tiefen Seuf¬ zer ein. Tertschka aber zündete noch eine kleine Oellampe an und begann, am Herde niedergekauert, wieder emsig zu nähen. Endlich ließ sie die Nadel sinken und unterzog die Jacke einer genauen Prüfung. Dann blies sie, mit der vollbrachten Arbeit zufrieden, das qualmende Flämmchen aus und legte sich, an¬ gekleidet, wie sie war, in einem Winkel neben dem Herde nieder. --
beſchlagene Thüre aufſchloß. Dieſe führte in eine Höhlung, welche mehrere Stufen tief in den Felſen geſprengt war und als Keller benützt wurde. Tertſchka leuchtete mit dem Kien¬ ſpane, den ſie von einem weitläufigen Herde genommen und angezündet hatte, voran und die Lebensmittel wurden unter¬ gebracht. Hierauf ſchloß der Aufſeher die Thüre wieder hinter ſich ab und zog ſich in eine Art Verſchlag zurück; die Uebri¬ gen aber ſtreckten ſich, unter einander kauderwälſchend und ohne ihren neuen Kameraden zu beachten, längs der Seiten¬ wand auf eine Schütte alten Strohes zur Nachtruhe hin. Georg ſtand noch immer ſcheu und verlegen unweit des Ein¬ ganges; endlich trat Tertſchka an ihn heran. „Geh' ſchlafen“, ſagte ſie und deutete mit der Hand nach einer leeren Stelle des gemeinſchaftlichen Lagers. Er folgte ihrem Winke, ängſt¬ lich bedacht, ſo wenig Raum als möglich einzunehmen; ſchob er ſeinen Querſack unter den Kopf, breitete den abgelegten Kittel gleich einer Decke über ſich und ſchlief mit einem tiefen Seuf¬ zer ein. Tertſchka aber zündete noch eine kleine Oellampe an und begann, am Herde niedergekauert, wieder emſig zu nähen. Endlich ließ ſie die Nadel ſinken und unterzog die Jacke einer genauen Prüfung. Dann blies ſie, mit der vollbrachten Arbeit zufrieden, das qualmende Flämmchen aus und legte ſich, an¬ gekleidet, wie ſie war, in einem Winkel neben dem Herde nieder. —
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beſchlagene Thüre aufſchloß. Dieſe führte in eine Höhlung,
welche mehrere Stufen tief in den Felſen geſprengt war und
als Keller benützt wurde. Tertſchka leuchtete mit dem Kien¬
ſpane, den ſie von einem weitläufigen Herde genommen und
angezündet hatte, voran und die Lebensmittel wurden unter¬
gebracht. Hierauf ſchloß der Aufſeher die Thüre wieder hinter
ſich ab und zog ſich in eine Art Verſchlag zurück; die Uebri¬
gen aber ſtreckten ſich, unter einander kauderwälſchend und
ohne ihren neuen Kameraden zu beachten, längs der Seiten¬
wand auf eine Schütte alten Strohes zur Nachtruhe hin.
Georg ſtand noch immer ſcheu und verlegen unweit des Ein¬
ganges; endlich trat Tertſchka an ihn heran. „Geh' ſchlafen“,
ſagte ſie und deutete mit der Hand nach einer leeren Stelle
des gemeinſchaftlichen Lagers. Er folgte ihrem Winke, ängſt¬
lich bedacht, ſo wenig Raum als möglich einzunehmen; ſchob er
ſeinen Querſack unter den Kopf, breitete den abgelegten Kittel
gleich einer Decke über ſich und ſchlief mit einem tiefen Seuf¬
zer ein. Tertſchka aber zündete noch eine kleine Oellampe an
und begann, am Herde niedergekauert, wieder emſig zu nähen.
Endlich ließ ſie die Nadel ſinken und unterzog die Jacke einer
genauen Prüfung. Dann blies ſie, mit der vollbrachten Arbeit
zufrieden, das qualmende Flämmchen aus und legte ſich, an¬
gekleidet, wie ſie war, in einem Winkel neben dem Herde
nieder. —
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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