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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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italienischen Schlachtfelde derart aus, daß er dekorirt und zu
einer Beförderung in Vorschlag gebracht wurde. Da er aber
auch einige schwere Verwundungen erlitten hatte, die ihn, wie
sich später erwies, zum activen Dienste untauglich machten, so
willigte man um so eher in seine Bitte, ihn als Zeugwart
auf dem Wyschehrad anzustellen, als der Vater Ludmilla's
mit zunehmenden Jahren zu kränkeln begonnen hatte. So be¬
durften die Beiden meiner Hilfe nicht mehr, und meine kleinen
Ersparnisse kamen Prokop zu Gute, dem sich damit unter
meiner Anleitung eine wissenschaftliche Laufbahn erschloß. Die
Alten lebten noch ein paar Jahre still und zufrieden bei den
Neuvermählten; endlich starb der Vater -- und bald darauf
folgte die Mutter in's Grab.

"Und was ist aus Arthur geworden?" fragte ich.

"Errathen Sie es nicht?" antwortete er lächelnd. "Er
ist wieder im Besitze einer vortrefflichen Gattin und einer gan¬
zen Reihe von allerliebsten Kindern. Und so bin nur ich,
weil ich es eben mußte, einsam geblieben und werde es sein
bis an mein Ende." Er hatte bei diesen Worten, in deren
stiller Heiterkeit ein leiser, feiner Schmerzenston wunderbar
vibrirte, die Gläser gefüllt. "Auf Ihr Glück!" sagte er und
trank. Dann legte er mir die Hand wie zum Segen auf's
Haupt: "Der Himmel schütze Sie vor den feindlichen Kugeln."

Es war spät geworden und ich mußte fort. Er geleitete
mich zum Doppelthore der Citadelle, das mir der verschlafene

italieniſchen Schlachtfelde derart aus, daß er dekorirt und zu
einer Beförderung in Vorſchlag gebracht wurde. Da er aber
auch einige ſchwere Verwundungen erlitten hatte, die ihn, wie
ſich ſpäter erwies, zum activen Dienſte untauglich machten, ſo
willigte man um ſo eher in ſeine Bitte, ihn als Zeugwart
auf dem Wyſchehrad anzuſtellen, als der Vater Ludmilla's
mit zunehmenden Jahren zu kränkeln begonnen hatte. So be¬
durften die Beiden meiner Hilfe nicht mehr, und meine kleinen
Erſparniſſe kamen Prokop zu Gute, dem ſich damit unter
meiner Anleitung eine wiſſenſchaftliche Laufbahn erſchloß. Die
Alten lebten noch ein paar Jahre ſtill und zufrieden bei den
Neuvermählten; endlich ſtarb der Vater — und bald darauf
folgte die Mutter in's Grab.

„Und was iſt aus Arthur geworden?“ fragte ich.

„Errathen Sie es nicht?“ antwortete er lächelnd. „Er
iſt wieder im Beſitze einer vortrefflichen Gattin und einer gan¬
zen Reihe von allerliebſten Kindern. Und ſo bin nur ich,
weil ich es eben mußte, einſam geblieben und werde es ſein
bis an mein Ende.“ Er hatte bei dieſen Worten, in deren
ſtiller Heiterkeit ein leiſer, feiner Schmerzenston wunderbar
vibrirte, die Gläſer gefüllt. „Auf Ihr Glück!“ ſagte er und
trank. Dann legte er mir die Hand wie zum Segen auf's
Haupt: „Der Himmel ſchütze Sie vor den feindlichen Kugeln.“

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[74/0090] italieniſchen Schlachtfelde derart aus, daß er dekorirt und zu einer Beförderung in Vorſchlag gebracht wurde. Da er aber auch einige ſchwere Verwundungen erlitten hatte, die ihn, wie ſich ſpäter erwies, zum activen Dienſte untauglich machten, ſo willigte man um ſo eher in ſeine Bitte, ihn als Zeugwart auf dem Wyſchehrad anzuſtellen, als der Vater Ludmilla's mit zunehmenden Jahren zu kränkeln begonnen hatte. So be¬ durften die Beiden meiner Hilfe nicht mehr, und meine kleinen Erſparniſſe kamen Prokop zu Gute, dem ſich damit unter meiner Anleitung eine wiſſenſchaftliche Laufbahn erſchloß. Die Alten lebten noch ein paar Jahre ſtill und zufrieden bei den Neuvermählten; endlich ſtarb der Vater — und bald darauf folgte die Mutter in's Grab. „Und was iſt aus Arthur geworden?“ fragte ich. „Errathen Sie es nicht?“ antwortete er lächelnd. „Er iſt wieder im Beſitze einer vortrefflichen Gattin und einer gan¬ zen Reihe von allerliebſten Kindern. Und ſo bin nur ich, weil ich es eben mußte, einſam geblieben und werde es ſein bis an mein Ende.“ Er hatte bei dieſen Worten, in deren ſtiller Heiterkeit ein leiſer, feiner Schmerzenston wunderbar vibrirte, die Gläſer gefüllt. „Auf Ihr Glück!“ ſagte er und trank. Dann legte er mir die Hand wie zum Segen auf's Haupt: „Der Himmel ſchütze Sie vor den feindlichen Kugeln.“ Es war ſpät geworden und ich mußte fort. Er geleitete mich zum Doppelthore der Citadelle, das mir der verſchlafene

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/90>, abgerufen am 24.11.2024.