Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

gläsern, wirklicher Grünspan an den kleinen Blechmaßen, aus denen die Bauern tranken, wenn sie an den Schenktisch traten und ihre Kupfermünzen hinlegten. Eine grüne Vegetation bedeckte den Käse, den Moschku mir vorsetzte, und sein Weib saß im gelben Schlafrock mit großen Grünspanblumen hinter dem Ofen und schläferte ihr blaßgrünes Kind. Grünspan in dem abgehärmten Gesicht des Juden, Grünspan um seine kleinen, unruhigen Augen, um seine dünnen, bewegungsvollen Nasenflügel, in seinen höhnisch verzogenen, sauren Mundwinkeln.

Es giebt Gesichter, welche mit der Zeit Grünspan ansetzen, es giebt solche, und mein Jude hatte ein solches Gesicht.

Der Schenktisch stand zwischen mir und seinen Gästen. Sie saßen Alle um einen schmalen, langen Tisch, meist Bauern aus der Umgegend. Sie unterhielten sich leise und steckten die zottigen, schwermüthigen, grünen Köpfe zusammen. Einer schien mir ein Kirchensänger. Er führte das große Wort, hatte eine große Dose, aus der er aber allein schnupfte, des nöthigen Respectes wegen, und las den Leuten aus einer halbvermoderten, grünen russischen Zeitung vor.

Alles leise, ernsthaft, würdevoll, und draußen sang die Bauernwache ein melancholisches Lied, dessen Töne aus weiter Ferne zu kommen schienen. Wie Geister schwebten sie um die Schenke und klagten und schienen sich nicht hinein zu wagen unter die lebenden, flüstern-

gläsern, wirklicher Grünspan an den kleinen Blechmaßen, aus denen die Bauern tranken, wenn sie an den Schenktisch traten und ihre Kupfermünzen hinlegten. Eine grüne Vegetation bedeckte den Käse, den Moschku mir vorsetzte, und sein Weib saß im gelben Schlafrock mit großen Grünspanblumen hinter dem Ofen und schläferte ihr blaßgrünes Kind. Grünspan in dem abgehärmten Gesicht des Juden, Grünspan um seine kleinen, unruhigen Augen, um seine dünnen, bewegungsvollen Nasenflügel, in seinen höhnisch verzogenen, sauren Mundwinkeln.

Es giebt Gesichter, welche mit der Zeit Grünspan ansetzen, es giebt solche, und mein Jude hatte ein solches Gesicht.

Der Schenktisch stand zwischen mir und seinen Gästen. Sie saßen Alle um einen schmalen, langen Tisch, meist Bauern aus der Umgegend. Sie unterhielten sich leise und steckten die zottigen, schwermüthigen, grünen Köpfe zusammen. Einer schien mir ein Kirchensänger. Er führte das große Wort, hatte eine große Dose, aus der er aber allein schnupfte, des nöthigen Respectes wegen, und las den Leuten aus einer halbvermoderten, grünen russischen Zeitung vor.

Alles leise, ernsthaft, würdevoll, und draußen sang die Bauernwache ein melancholisches Lied, dessen Töne aus weiter Ferne zu kommen schienen. Wie Geister schwebten sie um die Schenke und klagten und schienen sich nicht hinein zu wagen unter die lebenden, flüstern-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0014"/>
gläsern, wirklicher Grünspan an den      kleinen Blechmaßen, aus denen die Bauern tranken, wenn sie an den Schenktisch traten und ihre      Kupfermünzen hinlegten. Eine grüne Vegetation bedeckte den Käse, den Moschku mir vorsetzte, und      sein Weib saß im gelben Schlafrock mit großen Grünspanblumen hinter dem Ofen und schläferte ihr      blaßgrünes Kind. Grünspan in dem abgehärmten Gesicht des Juden, Grünspan um seine kleinen,      unruhigen Augen, um seine dünnen, bewegungsvollen Nasenflügel, in seinen höhnisch verzogenen,      sauren Mundwinkeln.</p><lb/>
        <p>Es giebt Gesichter, welche mit der Zeit Grünspan ansetzen, es giebt solche, und mein Jude      hatte ein solches Gesicht.</p><lb/>
        <p>Der Schenktisch stand zwischen mir und seinen Gästen. Sie saßen Alle um einen schmalen,      langen Tisch, meist Bauern aus der Umgegend. Sie unterhielten sich leise und steckten die      zottigen, schwermüthigen, grünen Köpfe zusammen. Einer schien mir ein Kirchensänger. Er führte      das große Wort, hatte eine große Dose, aus der er aber allein schnupfte, des nöthigen Respectes      wegen, und las den Leuten aus einer halbvermoderten, grünen russischen Zeitung vor.</p><lb/>
        <p>Alles leise, ernsthaft, würdevoll, und draußen sang die Bauernwache ein melancholisches Lied,      dessen Töne aus weiter Ferne zu kommen schienen. Wie Geister schwebten sie um die Schenke und      klagten und schienen sich nicht hinein zu wagen unter die lebenden, flüstern-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] gläsern, wirklicher Grünspan an den kleinen Blechmaßen, aus denen die Bauern tranken, wenn sie an den Schenktisch traten und ihre Kupfermünzen hinlegten. Eine grüne Vegetation bedeckte den Käse, den Moschku mir vorsetzte, und sein Weib saß im gelben Schlafrock mit großen Grünspanblumen hinter dem Ofen und schläferte ihr blaßgrünes Kind. Grünspan in dem abgehärmten Gesicht des Juden, Grünspan um seine kleinen, unruhigen Augen, um seine dünnen, bewegungsvollen Nasenflügel, in seinen höhnisch verzogenen, sauren Mundwinkeln. Es giebt Gesichter, welche mit der Zeit Grünspan ansetzen, es giebt solche, und mein Jude hatte ein solches Gesicht. Der Schenktisch stand zwischen mir und seinen Gästen. Sie saßen Alle um einen schmalen, langen Tisch, meist Bauern aus der Umgegend. Sie unterhielten sich leise und steckten die zottigen, schwermüthigen, grünen Köpfe zusammen. Einer schien mir ein Kirchensänger. Er führte das große Wort, hatte eine große Dose, aus der er aber allein schnupfte, des nöthigen Respectes wegen, und las den Leuten aus einer halbvermoderten, grünen russischen Zeitung vor. Alles leise, ernsthaft, würdevoll, und draußen sang die Bauernwache ein melancholisches Lied, dessen Töne aus weiter Ferne zu kommen schienen. Wie Geister schwebten sie um die Schenke und klagten und schienen sich nicht hinein zu wagen unter die lebenden, flüstern-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/14
Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/14>, abgerufen am 23.11.2024.