Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.liche, blaue Augen wie ein Knabe. Unauslöschliche, gütige Menschenliebe lag milde in diesem dunkeln Antlitz, dunkel in so viel Linien, welche das Leben tief hineingeschnitten. Er stand auf und ging ein paar Mal durch die Schenke. Die weiten Hosen in die faltigen gelben Stiefel gesteckt, den Leib unter dem offenen weiten Rocke mit einer bunten Binde gegürtet, die Pelzmütze am Kopfe, sah er wie einer jener alten, reichen, tapferen Bojaren aus, welche zu Rathe saßen mit Wladimir und Jaroslaw, in die Schlacht zogen mit Igor und Roman. Den Frauen konnte er gefährlich sein, ich glaubte es ihm gern, und wie er so auf und ab ging und lächelte, war es auch mir ein Vergnügen, ihn anzusehen. Auch kam die Jüdin mit der Flasche Wein, setzte sie auf den Tisch und hockte wieder hinter den Ofen, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet. Mein Bojar kam herbei, sah die Flasche an und schien etwas zu erwarten. Eine Flasche Tokai, sagte er heiter, ist noch der beste Ersatz für das heiße Blut eines Weibes. Er rieb sich mit der flachen Hand die Brust; es machte mir den Eindruck, als ob ihm etwas auf dem Herzen brenne. Sie haben gewiß -- Ich fürchtete unzart zu sein, er aber fiel lebhaft ein: Ein Rendezvous? Freilich! -- schloß die Augen halb, liche, blaue Augen wie ein Knabe. Unauslöschliche, gütige Menschenliebe lag milde in diesem dunkeln Antlitz, dunkel in so viel Linien, welche das Leben tief hineingeschnitten. Er stand auf und ging ein paar Mal durch die Schenke. Die weiten Hosen in die faltigen gelben Stiefel gesteckt, den Leib unter dem offenen weiten Rocke mit einer bunten Binde gegürtet, die Pelzmütze am Kopfe, sah er wie einer jener alten, reichen, tapferen Bojaren aus, welche zu Rathe saßen mit Wladimir und Jaroslaw, in die Schlacht zogen mit Igor und Roman. Den Frauen konnte er gefährlich sein, ich glaubte es ihm gern, und wie er so auf und ab ging und lächelte, war es auch mir ein Vergnügen, ihn anzusehen. Auch kam die Jüdin mit der Flasche Wein, setzte sie auf den Tisch und hockte wieder hinter den Ofen, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet. Mein Bojar kam herbei, sah die Flasche an und schien etwas zu erwarten. Eine Flasche Tokai, sagte er heiter, ist noch der beste Ersatz für das heiße Blut eines Weibes. Er rieb sich mit der flachen Hand die Brust; es machte mir den Eindruck, als ob ihm etwas auf dem Herzen brenne. Sie haben gewiß — Ich fürchtete unzart zu sein, er aber fiel lebhaft ein: Ein Rendezvous? Freilich! — schloß die Augen halb, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0020"/> liche, blaue Augen wie ein Knabe. Unauslöschliche, gütige Menschenliebe lag milde in diesem dunkeln Antlitz, dunkel in so viel Linien, welche das Leben tief hineingeschnitten.</p><lb/> <p>Er stand auf und ging ein paar Mal durch die Schenke. Die weiten Hosen in die faltigen gelben Stiefel gesteckt, den Leib unter dem offenen weiten Rocke mit einer bunten Binde gegürtet, die Pelzmütze am Kopfe, sah er wie einer jener alten, reichen, tapferen Bojaren aus, welche zu Rathe saßen mit Wladimir und Jaroslaw, in die Schlacht zogen mit Igor und Roman.</p><lb/> <p>Den Frauen konnte er gefährlich sein, ich glaubte es ihm gern, und wie er so auf und ab ging und lächelte, war es auch mir ein Vergnügen, ihn anzusehen. Auch kam die Jüdin mit der Flasche Wein, setzte sie auf den Tisch und hockte wieder hinter den Ofen, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet. Mein Bojar kam herbei, sah die Flasche an und schien etwas zu erwarten.</p><lb/> <p>Eine Flasche Tokai, sagte er heiter, ist noch der beste Ersatz für das heiße Blut eines Weibes.</p><lb/> <p>Er rieb sich mit der flachen Hand die Brust; es machte mir den Eindruck, als ob ihm etwas auf dem Herzen brenne.</p><lb/> <p>Sie haben gewiß —</p><lb/> <p>Ich fürchtete unzart zu sein, er aber fiel lebhaft ein: Ein Rendezvous? Freilich! — schloß die Augen halb,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
liche, blaue Augen wie ein Knabe. Unauslöschliche, gütige Menschenliebe lag milde in diesem dunkeln Antlitz, dunkel in so viel Linien, welche das Leben tief hineingeschnitten.
Er stand auf und ging ein paar Mal durch die Schenke. Die weiten Hosen in die faltigen gelben Stiefel gesteckt, den Leib unter dem offenen weiten Rocke mit einer bunten Binde gegürtet, die Pelzmütze am Kopfe, sah er wie einer jener alten, reichen, tapferen Bojaren aus, welche zu Rathe saßen mit Wladimir und Jaroslaw, in die Schlacht zogen mit Igor und Roman.
Den Frauen konnte er gefährlich sein, ich glaubte es ihm gern, und wie er so auf und ab ging und lächelte, war es auch mir ein Vergnügen, ihn anzusehen. Auch kam die Jüdin mit der Flasche Wein, setzte sie auf den Tisch und hockte wieder hinter den Ofen, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet. Mein Bojar kam herbei, sah die Flasche an und schien etwas zu erwarten.
Eine Flasche Tokai, sagte er heiter, ist noch der beste Ersatz für das heiße Blut eines Weibes.
Er rieb sich mit der flachen Hand die Brust; es machte mir den Eindruck, als ob ihm etwas auf dem Herzen brenne.
Sie haben gewiß —
Ich fürchtete unzart zu sein, er aber fiel lebhaft ein: Ein Rendezvous? Freilich! — schloß die Augen halb,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T10:36:14Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T10:36:14Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |