Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihn und grüßten ihn, und er leckte nur so nach links und nach rechts mit seiner rothen Zunge, als wollte er sagen: Ist schon gut! Ich weiß schon! -- Nikolaja machte also jetzt auch ihre Besuche in der Hürde und sie nahmen es beide genau. Wenn das Kind einmal ausblieb, schmollte der Hund und lief einmal, statt in den Hof, in den Wald, wo er sich den Spaß machte, dem Wolfe sein Weib zu verführen. Es war ein majestätisches Thier. Wenn Nikolaja kam, trieb er ihr die kleinen Lämmchen zu. Sie setzte sich auf seinen Rücken, und er trug sie so leicht, was leicht -- stolz! Er wußte, was er trug. Wie ich Kohle kennen lernte, war er alt, hatte schlechte Zähne, ein lahmes Bein, schlief oft, und es geschah, daß da und dort ein Lamm verloren ging. Um diese Zeit sprach man in unserer Gegend viel von einem Bären, einem ungeheuren Bären, sag' ich Ihnen, der sich auch bei den Senkows sehen ließ. Ich dachte gleich an meinen Bären in der Schlucht und schämte mich etwas. Einmal reite ich wieder zu den Senkows; da laufen mir Bauern über den Weg, rennen gegen die Hürde -- ein Tumult -- ich sporne mein Pferd, von Weitem höre ich: -- Der Bär! Der Bär! -- Die Angst kommt mir, ich jage nur hin, springe vom Pferd Da steht ein Haufe Volk -- Nikolaja liegt am Boden, den Wolfshund in den Armen, und schluchzt. Die Leute stehen herum und flüstern nur. ihn und grüßten ihn, und er leckte nur so nach links und nach rechts mit seiner rothen Zunge, als wollte er sagen: Ist schon gut! Ich weiß schon! — Nikolaja machte also jetzt auch ihre Besuche in der Hürde und sie nahmen es beide genau. Wenn das Kind einmal ausblieb, schmollte der Hund und lief einmal, statt in den Hof, in den Wald, wo er sich den Spaß machte, dem Wolfe sein Weib zu verführen. Es war ein majestätisches Thier. Wenn Nikolaja kam, trieb er ihr die kleinen Lämmchen zu. Sie setzte sich auf seinen Rücken, und er trug sie so leicht, was leicht — stolz! Er wußte, was er trug. Wie ich Kohle kennen lernte, war er alt, hatte schlechte Zähne, ein lahmes Bein, schlief oft, und es geschah, daß da und dort ein Lamm verloren ging. Um diese Zeit sprach man in unserer Gegend viel von einem Bären, einem ungeheuren Bären, sag' ich Ihnen, der sich auch bei den Senkows sehen ließ. Ich dachte gleich an meinen Bären in der Schlucht und schämte mich etwas. Einmal reite ich wieder zu den Senkows; da laufen mir Bauern über den Weg, rennen gegen die Hürde — ein Tumult — ich sporne mein Pferd, von Weitem höre ich: — Der Bär! Der Bär! — Die Angst kommt mir, ich jage nur hin, springe vom Pferd Da steht ein Haufe Volk — Nikolaja liegt am Boden, den Wolfshund in den Armen, und schluchzt. Die Leute stehen herum und flüstern nur. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0038"/> ihn und grüßten ihn, und er leckte nur so nach links und nach rechts mit seiner rothen Zunge, als wollte er sagen: Ist schon gut! Ich weiß schon! — Nikolaja machte also jetzt auch ihre Besuche in der Hürde und sie nahmen es beide genau. Wenn das Kind einmal ausblieb, schmollte der Hund und lief einmal, statt in den Hof, in den Wald, wo er sich den Spaß machte, dem Wolfe sein Weib zu verführen.</p><lb/> <p>Es war ein majestätisches Thier. Wenn Nikolaja kam, trieb er ihr die kleinen Lämmchen zu. Sie setzte sich auf seinen Rücken, und er trug sie so leicht, was leicht — stolz! Er wußte, was er trug. Wie ich Kohle kennen lernte, war er alt, hatte schlechte Zähne, ein lahmes Bein, schlief oft, und es geschah, daß da und dort ein Lamm verloren ging.</p><lb/> <p>Um diese Zeit sprach man in unserer Gegend viel von einem Bären, einem ungeheuren Bären, sag' ich Ihnen, der sich auch bei den Senkows sehen ließ.</p><lb/> <p>Ich dachte gleich an meinen Bären in der Schlucht und schämte mich etwas.</p><lb/> <p>Einmal reite ich wieder zu den Senkows; da laufen mir Bauern über den Weg, rennen gegen die Hürde — ein Tumult — ich sporne mein Pferd, von Weitem höre ich: — Der Bär! Der Bär! — Die Angst kommt mir, ich jage nur hin, springe vom Pferd Da steht ein Haufe Volk — Nikolaja liegt am Boden, den Wolfshund in den Armen, und schluchzt. Die Leute stehen herum und flüstern nur.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
ihn und grüßten ihn, und er leckte nur so nach links und nach rechts mit seiner rothen Zunge, als wollte er sagen: Ist schon gut! Ich weiß schon! — Nikolaja machte also jetzt auch ihre Besuche in der Hürde und sie nahmen es beide genau. Wenn das Kind einmal ausblieb, schmollte der Hund und lief einmal, statt in den Hof, in den Wald, wo er sich den Spaß machte, dem Wolfe sein Weib zu verführen.
Es war ein majestätisches Thier. Wenn Nikolaja kam, trieb er ihr die kleinen Lämmchen zu. Sie setzte sich auf seinen Rücken, und er trug sie so leicht, was leicht — stolz! Er wußte, was er trug. Wie ich Kohle kennen lernte, war er alt, hatte schlechte Zähne, ein lahmes Bein, schlief oft, und es geschah, daß da und dort ein Lamm verloren ging.
Um diese Zeit sprach man in unserer Gegend viel von einem Bären, einem ungeheuren Bären, sag' ich Ihnen, der sich auch bei den Senkows sehen ließ.
Ich dachte gleich an meinen Bären in der Schlucht und schämte mich etwas.
Einmal reite ich wieder zu den Senkows; da laufen mir Bauern über den Weg, rennen gegen die Hürde — ein Tumult — ich sporne mein Pferd, von Weitem höre ich: — Der Bär! Der Bär! — Die Angst kommt mir, ich jage nur hin, springe vom Pferd Da steht ein Haufe Volk — Nikolaja liegt am Boden, den Wolfshund in den Armen, und schluchzt. Die Leute stehen herum und flüstern nur.
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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