Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Da lag sie so an den langen Abenden auf dem Divan, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, und ich lese ihr vor. Das Feuer knistert, der Samowar singt, das Heimchen zirpt, der Holzwurm klopft, das Mäuschen nagt, denn die weiße Katze liegt auf dem Vorsprung und spinnt. Lese ihr alle Romane. In der Kreisstadt, wissen Sie, war ja schon die Leihbibliothek und dann die Nachbarn -- hat Der ein Buch und Jener. Sie liegt mit geschlossenen Augen und ich im Lehnstuhl, und wir verschlingen die Bücher nur so. Schlafen oft lange nicht ein, sprechen so, ob Der Die bekommen wird oder nicht. Wenn etwa so eine Edelmuthsgeschichte vorkommt, da kann meine Nikolaja bis in die kleinen Ohrläppchen dunkelroth werden vor Zorn. Da richtet sie sich etwas auf, stützt sich mit der Hand und sagt zu mir, als hätte ich das geschrieben Sie soll das nicht thun, hörst du! -- und weint beinahe. Die Frauen, wissen Sie, die sind in den Romanen besonders edelmüthig. Da, wo der Geliebte in Gefahr ist, sind sie gleich dabei sich zu opfern, denken Sie! Der Teufel könnt' einen holen. Einmal, da kommt auch so eine Scene vor, wo eine Frau den Mann hingiebt, um ihr Kind zu retten Eine dumme Ge[schichte,] sag' ich Ihnen, "die Macht der Mutterliebe", g[laub' ich,] Da lag sie so an den langen Abenden auf dem Divan, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, und ich lese ihr vor. Das Feuer knistert, der Samowar singt, das Heimchen zirpt, der Holzwurm klopft, das Mäuschen nagt, denn die weiße Katze liegt auf dem Vorsprung und spinnt. Lese ihr alle Romane. In der Kreisstadt, wissen Sie, war ja schon die Leihbibliothek und dann die Nachbarn — hat Der ein Buch und Jener. Sie liegt mit geschlossenen Augen und ich im Lehnstuhl, und wir verschlingen die Bücher nur so. Schlafen oft lange nicht ein, sprechen so, ob Der Die bekommen wird oder nicht. Wenn etwa so eine Edelmuthsgeschichte vorkommt, da kann meine Nikolaja bis in die kleinen Ohrläppchen dunkelroth werden vor Zorn. Da richtet sie sich etwas auf, stützt sich mit der Hand und sagt zu mir, als hätte ich das geschrieben Sie soll das nicht thun, hörst du! — und weint beinahe. Die Frauen, wissen Sie, die sind in den Romanen besonders edelmüthig. Da, wo der Geliebte in Gefahr ist, sind sie gleich dabei sich zu opfern, denken Sie! Der Teufel könnt' einen holen. Einmal, da kommt auch so eine Scene vor, wo eine Frau den Mann hingiebt, um ihr Kind zu retten Eine dumme Ge[schichte,] sag' ich Ihnen, „die Macht der Mutterliebe“, g[laub' ich,] <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0051"/> <p>Da lag sie so an den langen Abenden auf dem Divan, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, und ich lese ihr vor.</p><lb/> <p>Das Feuer knistert, der Samowar singt, das Heimchen zirpt, der Holzwurm klopft, das Mäuschen nagt, denn die weiße Katze liegt auf dem Vorsprung und spinnt.</p><lb/> <p>Lese ihr alle Romane. In der Kreisstadt, wissen Sie, war ja schon die Leihbibliothek und dann die Nachbarn — hat Der ein Buch und Jener.</p><lb/> <p>Sie liegt mit geschlossenen Augen und ich im Lehnstuhl, und wir verschlingen die Bücher nur so.</p><lb/> <p>Schlafen oft lange nicht ein, sprechen so, ob Der Die bekommen wird oder nicht. Wenn etwa so eine Edelmuthsgeschichte vorkommt, da kann meine Nikolaja bis in die kleinen Ohrläppchen dunkelroth werden vor Zorn. Da richtet sie sich etwas auf, stützt sich mit der Hand und sagt zu mir, als hätte ich das geschrieben Sie soll das nicht thun, hörst du! — und weint beinahe.</p><lb/> <p>Die Frauen, wissen Sie, die sind in den Romanen besonders edelmüthig. Da, wo der Geliebte in Gefahr ist, sind sie gleich dabei sich zu opfern, denken Sie! Der Teufel könnt' einen holen. Einmal, da kommt auch so eine Scene vor, wo eine Frau den Mann hingiebt, um ihr Kind zu retten Eine dumme Ge<supplied>schichte,</supplied> sag' ich Ihnen, „die Macht der Mutterliebe“, g<supplied>laub' ich,</supplied><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
Da lag sie so an den langen Abenden auf dem Divan, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, und ich lese ihr vor.
Das Feuer knistert, der Samowar singt, das Heimchen zirpt, der Holzwurm klopft, das Mäuschen nagt, denn die weiße Katze liegt auf dem Vorsprung und spinnt.
Lese ihr alle Romane. In der Kreisstadt, wissen Sie, war ja schon die Leihbibliothek und dann die Nachbarn — hat Der ein Buch und Jener.
Sie liegt mit geschlossenen Augen und ich im Lehnstuhl, und wir verschlingen die Bücher nur so.
Schlafen oft lange nicht ein, sprechen so, ob Der Die bekommen wird oder nicht. Wenn etwa so eine Edelmuthsgeschichte vorkommt, da kann meine Nikolaja bis in die kleinen Ohrläppchen dunkelroth werden vor Zorn. Da richtet sie sich etwas auf, stützt sich mit der Hand und sagt zu mir, als hätte ich das geschrieben Sie soll das nicht thun, hörst du! — und weint beinahe.
Die Frauen, wissen Sie, die sind in den Romanen besonders edelmüthig. Da, wo der Geliebte in Gefahr ist, sind sie gleich dabei sich zu opfern, denken Sie! Der Teufel könnt' einen holen. Einmal, da kommt auch so eine Scene vor, wo eine Frau den Mann hingiebt, um ihr Kind zu retten Eine dumme Geschichte, sag' ich Ihnen, „die Macht der Mutterliebe“, glaub' ich,
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Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/51>, abgerufen am 16.02.2025. |