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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Bearbeitung des natürlichen Systems unter dem
die Königreiche den Familien u. s. w. entsprechen. Wenn
mit der Vorstellung einer geradlinigen Reihenfolge von den
unvollkommensten bis zu den höchsten Pflanzen die An-
nahme der Descendenz noch bis zu einem gewissen Grade
verträglich schien, so ist dagegen durch diese Vergleichung mit
einer Landkarte jede derartige Möglichkeit abgeschnitten und
die systematische Forschung zugleich auf einen gefährlichen Abweg
gebracht, insoferne nämlich bloßen habituellen Aehnlichkeiten, ge-
legentlichen Analogieen, durch welche eine Pflanzengruppe mit
fünf oder sechs anderen verbunden scheint, die Bedeutung wirk-
licher Verwandtschaftsbeziehungen zuerkannt wird. Für die Dar-
stellung im Buch ließ übrigens De Candolle die geradlinige
Reihenfolge als Nothbehelf gelten, da dieß ohnehin Nebensache
sei, denn die wahre Aufgabe der Wissenschaft sei, die Symmetrie-
verhältnisse einer jeden Familie und die gegenseitigen Beziehungen
der Familien unter einander zu studiren. Die Reihenfolge jedoch
dürfe bei der linearen Darstellung des Systems aus didaktischen
Gründen nicht mit den einfachsten Pflanzen beginnen, da diese
noch am wenigsten bekannt seien, vielmehr müsse die Darstellung
mit den höchstentwickelten Pflanzen anfangen; und so wurde denn
durch De Candolle in dem System auch die letzte Spur dessen
verwischt, was noch einen Anklang an eine aufsteigende, konti-
nuirliche Entwicklung der Formen bieten konnte. Auf dem
Boden der Constanz jedoch und mit der Annahme, daß jedem Ver-
wandtschaftskreis ein Symmetrieplan zu Grunde liege, um
welchen sich die einzelnen Formen wie Krystalle um ihre gemein-
same Grundform gruppiren, waren diese Auffassungen De Can-
dolle's ganz consequent. Es war damit im Pflanzenreich
dieselbe Vorstellungsweise zur Herrschaft gebracht, welche De
Candolle
's Zeitgenosse Cuvier, ein ebenso schroffer Verthei-
diger der Constanz, im Thierreich als Typentheorie aufgestellt
hatte. So verbanden sich denn bei De Candolle die glänzend-
sten, auf induktivem Weg gewonnenen Ergebnisse mit dem un-
fruchtbarem Dogma der Constanz der Arten, welches, wie Lange
witzig bemerkt, direkt aus der Arche Noa stammt, zu einem

Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem
die Königreiche den Familien u. ſ. w. entſprechen. Wenn
mit der Vorſtellung einer geradlinigen Reihenfolge von den
unvollkommenſten bis zu den höchſten Pflanzen die An-
nahme der Deſcendenz noch bis zu einem gewiſſen Grade
verträglich ſchien, ſo iſt dagegen durch dieſe Vergleichung mit
einer Landkarte jede derartige Möglichkeit abgeſchnitten und
die ſyſtematiſche Forſchung zugleich auf einen gefährlichen Abweg
gebracht, inſoferne nämlich bloßen habituellen Aehnlichkeiten, ge-
legentlichen Analogieen, durch welche eine Pflanzengruppe mit
fünf oder ſechs anderen verbunden ſcheint, die Bedeutung wirk-
licher Verwandtſchaftsbeziehungen zuerkannt wird. Für die Dar-
ſtellung im Buch ließ übrigens De Candolle die geradlinige
Reihenfolge als Nothbehelf gelten, da dieß ohnehin Nebenſache
ſei, denn die wahre Aufgabe der Wiſſenſchaft ſei, die Symmetrie-
verhältniſſe einer jeden Familie und die gegenſeitigen Beziehungen
der Familien unter einander zu ſtudiren. Die Reihenfolge jedoch
dürfe bei der linearen Darſtellung des Syſtems aus didaktiſchen
Gründen nicht mit den einfachſten Pflanzen beginnen, da dieſe
noch am wenigſten bekannt ſeien, vielmehr müſſe die Darſtellung
mit den höchſtentwickelten Pflanzen anfangen; und ſo wurde denn
durch De Candolle in dem Syſtem auch die letzte Spur deſſen
verwiſcht, was noch einen Anklang an eine aufſteigende, konti-
nuirliche Entwicklung der Formen bieten konnte. Auf dem
Boden der Conſtanz jedoch und mit der Annahme, daß jedem Ver-
wandtſchaftskreis ein Symmetrieplan zu Grunde liege, um
welchen ſich die einzelnen Formen wie Kryſtalle um ihre gemein-
ſame Grundform gruppiren, waren dieſe Auffaſſungen De Can-
dolle's ganz conſequent. Es war damit im Pflanzenreich
dieſelbe Vorſtellungsweiſe zur Herrſchaft gebracht, welche De
Candolle
's Zeitgenoſſe Cuvier, ein ebenſo ſchroffer Verthei-
diger der Conſtanz, im Thierreich als Typentheorie aufgeſtellt
hatte. So verbanden ſich denn bei De Candolle die glänzend-
ſten, auf induktivem Weg gewonnenen Ergebniſſe mit dem un-
fruchtbarem Dogma der Conſtanz der Arten, welches, wie Lange
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[148/0160] Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem die Königreiche den Familien u. ſ. w. entſprechen. Wenn mit der Vorſtellung einer geradlinigen Reihenfolge von den unvollkommenſten bis zu den höchſten Pflanzen die An- nahme der Deſcendenz noch bis zu einem gewiſſen Grade verträglich ſchien, ſo iſt dagegen durch dieſe Vergleichung mit einer Landkarte jede derartige Möglichkeit abgeſchnitten und die ſyſtematiſche Forſchung zugleich auf einen gefährlichen Abweg gebracht, inſoferne nämlich bloßen habituellen Aehnlichkeiten, ge- legentlichen Analogieen, durch welche eine Pflanzengruppe mit fünf oder ſechs anderen verbunden ſcheint, die Bedeutung wirk- licher Verwandtſchaftsbeziehungen zuerkannt wird. Für die Dar- ſtellung im Buch ließ übrigens De Candolle die geradlinige Reihenfolge als Nothbehelf gelten, da dieß ohnehin Nebenſache ſei, denn die wahre Aufgabe der Wiſſenſchaft ſei, die Symmetrie- verhältniſſe einer jeden Familie und die gegenſeitigen Beziehungen der Familien unter einander zu ſtudiren. Die Reihenfolge jedoch dürfe bei der linearen Darſtellung des Syſtems aus didaktiſchen Gründen nicht mit den einfachſten Pflanzen beginnen, da dieſe noch am wenigſten bekannt ſeien, vielmehr müſſe die Darſtellung mit den höchſtentwickelten Pflanzen anfangen; und ſo wurde denn durch De Candolle in dem Syſtem auch die letzte Spur deſſen verwiſcht, was noch einen Anklang an eine aufſteigende, konti- nuirliche Entwicklung der Formen bieten konnte. Auf dem Boden der Conſtanz jedoch und mit der Annahme, daß jedem Ver- wandtſchaftskreis ein Symmetrieplan zu Grunde liege, um welchen ſich die einzelnen Formen wie Kryſtalle um ihre gemein- ſame Grundform gruppiren, waren dieſe Auffaſſungen De Can- dolle's ganz conſequent. Es war damit im Pflanzenreich dieſelbe Vorſtellungsweiſe zur Herrſchaft gebracht, welche De Candolle's Zeitgenoſſe Cuvier, ein ebenſo ſchroffer Verthei- diger der Conſtanz, im Thierreich als Typentheorie aufgeſtellt hatte. So verbanden ſich denn bei De Candolle die glänzend- ſten, auf induktivem Weg gewonnenen Ergebniſſe mit dem un- fruchtbarem Dogma der Conſtanz der Arten, welches, wie Lange witzig bemerkt, direkt aus der Arche Noa ſtammt, zu einem

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/160>, abgerufen am 21.11.2024.