Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Bearbeitung des natürlichen Systems unter dem
auch über die der Cycadeen und Coniferen genauer zu
unterrichten. Trotz der Arbeiten Gärtner's und neuerer
Untersuchungen von Treviranus fand sich in der Theorie des
Samens noch insoferne eine große Unklarheit, als man die Lage
des Embryos im reifen Samen auf ein allgemeines Gesetz nicht
zurückzuführen wußte; dieß konnte nur geschehen, wenn die
Samenanlage vor der Befruchtung genau untersucht wurde;
diesen ersten Schritt zu einer Entwicklungsgeschichte that Robert
Brown
mit großem Erfolg; er unterschied zuerst mit Bestimmt-
heit an der Samenknospe die Integumente und den Kern und
in diesem letzteren den Embryosack, Theile welche allerdings schon
Malpighi und Grew beachtet hatten, ohne jedoch zu voller
Klarheit durchzudringen. Man hatte bisher die Mikropyle und
den Nabel des Samens nicht richtig unterschieden, ja zum Theil
vermengt; Robert Brown zeigte, daß der Nabel der Anhef-
tungsstelle der Samenknospe entspricht, während die Mikropyle
ein von den Eihäuten gebildeter Kanal ist, welcher nach dem
Scheitel des Knospenkernes hinführt; daß bei anatropen Samen-
knospen die Mikropyle neben dem Nabel, bei orthotropen aber
ihm gegenüber liegt, daß ferner jederzeit der Embryo im Em-
bryosack (Amnion) an derjenigen Stelle sich bildet, welche der
Mikropyle zunächstliegt und daß die Wurzel des Embryos immer
nach der Mikropyle hingerichtet ist, Thatsachen, welche ohne
weiteres die allgemeine Regel feststellten, nach welcher die Lage
des Embryos im Samen und in der Frucht zu beurtheilen ist.
Brown gab auch die erste richtige Erklärung des Endosperms
als einer innerhalb des Embryosackes nach der Befruchtung ent-
stehenden Nahrungsmasse und was mehr sagen will als dies, er
unterschied zuerst das Perisperm als eine außerhalb des Embryo-
sackes im Gewebe des Knospenkernes sich bildende Substanz.

Waren so morphologische Beziehungen in der Organisation
des Samens der Monocotylen und Dicotylen aufgestellt, welche
mit zu den wichtigsten Grundlagen der Classification dieser
Classen zählen, so that Robert Brown einen noch glücklicheren
Griff, indem er zuerst den Blüthenbau der Coniferen und Cyca-

Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem
auch über die der Cycadeen und Coniferen genauer zu
unterrichten. Trotz der Arbeiten Gärtner's und neuerer
Unterſuchungen von Treviranus fand ſich in der Theorie des
Samens noch inſoferne eine große Unklarheit, als man die Lage
des Embryos im reifen Samen auf ein allgemeines Geſetz nicht
zurückzuführen wußte; dieß konnte nur geſchehen, wenn die
Samenanlage vor der Befruchtung genau unterſucht wurde;
dieſen erſten Schritt zu einer Entwicklungsgeſchichte that Robert
Brown
mit großem Erfolg; er unterſchied zuerſt mit Beſtimmt-
heit an der Samenknoſpe die Integumente und den Kern und
in dieſem letzteren den Embryoſack, Theile welche allerdings ſchon
Malpighi und Grew beachtet hatten, ohne jedoch zu voller
Klarheit durchzudringen. Man hatte bisher die Mikropyle und
den Nabel des Samens nicht richtig unterſchieden, ja zum Theil
vermengt; Robert Brown zeigte, daß der Nabel der Anhef-
tungsſtelle der Samenknoſpe entſpricht, während die Mikropyle
ein von den Eihäuten gebildeter Kanal iſt, welcher nach dem
Scheitel des Knoſpenkernes hinführt; daß bei anatropen Samen-
knoſpen die Mikropyle neben dem Nabel, bei orthotropen aber
ihm gegenüber liegt, daß ferner jederzeit der Embryo im Em-
bryoſack (Amnion) an derjenigen Stelle ſich bildet, welche der
Mikropyle zunächſtliegt und daß die Wurzel des Embryos immer
nach der Mikropyle hingerichtet iſt, Thatſachen, welche ohne
weiteres die allgemeine Regel feſtſtellten, nach welcher die Lage
des Embryos im Samen und in der Frucht zu beurtheilen iſt.
Brown gab auch die erſte richtige Erklärung des Endoſperms
als einer innerhalb des Embryoſackes nach der Befruchtung ent-
ſtehenden Nahrungsmaſſe und was mehr ſagen will als dies, er
unterſchied zuerſt das Periſperm als eine außerhalb des Embryo-
ſackes im Gewebe des Knoſpenkernes ſich bildende Subſtanz.

Waren ſo morphologiſche Beziehungen in der Organiſation
des Samens der Monocotylen und Dicotylen aufgeſtellt, welche
mit zu den wichtigſten Grundlagen der Claſſification dieſer
Claſſen zählen, ſo that Robert Brown einen noch glücklicheren
Griff, indem er zuerſt den Blüthenbau der Coniferen und Cyca-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0164" n="152"/><fw place="top" type="header">Bearbeitung des natürlichen Sy&#x017F;tems unter dem</fw><lb/>
auch über die der <hi rendition="#g">Cycadeen</hi> und <hi rendition="#g">Coniferen</hi> genauer zu<lb/>
unterrichten. Trotz der Arbeiten <hi rendition="#g">Gärtner</hi>'s und neuerer<lb/>
Unter&#x017F;uchungen von <hi rendition="#g">Treviranus</hi> fand &#x017F;ich in der Theorie des<lb/>
Samens noch in&#x017F;oferne eine große Unklarheit, als man die Lage<lb/>
des Embryos im reifen Samen auf ein allgemeines Ge&#x017F;etz nicht<lb/>
zurückzuführen wußte; dieß konnte nur ge&#x017F;chehen, wenn die<lb/>
Samenanlage vor der Befruchtung genau unter&#x017F;ucht wurde;<lb/>
die&#x017F;en er&#x017F;ten Schritt zu einer Entwicklungsge&#x017F;chichte that <hi rendition="#g">Robert<lb/>
Brown</hi> mit großem Erfolg; er unter&#x017F;chied zuer&#x017F;t mit Be&#x017F;timmt-<lb/>
heit an der Samenkno&#x017F;pe die Integumente und den Kern und<lb/>
in die&#x017F;em letzteren den Embryo&#x017F;ack, Theile welche allerdings &#x017F;chon<lb/><hi rendition="#g">Malpighi</hi> und <hi rendition="#g">Grew</hi> beachtet hatten, ohne jedoch zu voller<lb/>
Klarheit durchzudringen. Man hatte bisher die Mikropyle und<lb/>
den Nabel des Samens nicht richtig unter&#x017F;chieden, ja zum Theil<lb/>
vermengt; <hi rendition="#g">Robert Brown</hi> zeigte, daß der Nabel der Anhef-<lb/>
tungs&#x017F;telle der Samenkno&#x017F;pe ent&#x017F;pricht, während die Mikropyle<lb/>
ein von den Eihäuten gebildeter Kanal i&#x017F;t, welcher nach dem<lb/>
Scheitel des Kno&#x017F;penkernes hinführt; daß bei anatropen Samen-<lb/>
kno&#x017F;pen die Mikropyle neben dem Nabel, bei orthotropen aber<lb/>
ihm gegenüber liegt, daß ferner jederzeit der Embryo im Em-<lb/>
bryo&#x017F;ack (Amnion) an derjenigen Stelle &#x017F;ich bildet, welche der<lb/>
Mikropyle zunäch&#x017F;tliegt und daß die Wurzel des Embryos immer<lb/>
nach der Mikropyle hingerichtet i&#x017F;t, That&#x017F;achen, welche ohne<lb/>
weiteres die allgemeine Regel fe&#x017F;t&#x017F;tellten, nach welcher die Lage<lb/>
des Embryos im Samen und in der Frucht zu beurtheilen i&#x017F;t.<lb/><hi rendition="#g">Brown</hi> gab auch die er&#x017F;te richtige Erklärung des Endo&#x017F;perms<lb/>
als einer innerhalb des Embryo&#x017F;ackes nach der Befruchtung ent-<lb/>
&#x017F;tehenden Nahrungsma&#x017F;&#x017F;e und was mehr &#x017F;agen will als dies, er<lb/>
unter&#x017F;chied zuer&#x017F;t das Peri&#x017F;perm als eine außerhalb des Embryo-<lb/>
&#x017F;ackes im Gewebe des Kno&#x017F;penkernes &#x017F;ich bildende Sub&#x017F;tanz.</p><lb/>
          <p>Waren &#x017F;o morphologi&#x017F;che Beziehungen in der Organi&#x017F;ation<lb/>
des Samens der Monocotylen und Dicotylen aufge&#x017F;tellt, welche<lb/>
mit zu den wichtig&#x017F;ten Grundlagen der Cla&#x017F;&#x017F;ification die&#x017F;er<lb/>
Cla&#x017F;&#x017F;en zählen, &#x017F;o that <hi rendition="#g">Robert Brown</hi> einen noch glücklicheren<lb/>
Griff, indem er zuer&#x017F;t den Blüthenbau der Coniferen und Cyca-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0164] Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem auch über die der Cycadeen und Coniferen genauer zu unterrichten. Trotz der Arbeiten Gärtner's und neuerer Unterſuchungen von Treviranus fand ſich in der Theorie des Samens noch inſoferne eine große Unklarheit, als man die Lage des Embryos im reifen Samen auf ein allgemeines Geſetz nicht zurückzuführen wußte; dieß konnte nur geſchehen, wenn die Samenanlage vor der Befruchtung genau unterſucht wurde; dieſen erſten Schritt zu einer Entwicklungsgeſchichte that Robert Brown mit großem Erfolg; er unterſchied zuerſt mit Beſtimmt- heit an der Samenknoſpe die Integumente und den Kern und in dieſem letzteren den Embryoſack, Theile welche allerdings ſchon Malpighi und Grew beachtet hatten, ohne jedoch zu voller Klarheit durchzudringen. Man hatte bisher die Mikropyle und den Nabel des Samens nicht richtig unterſchieden, ja zum Theil vermengt; Robert Brown zeigte, daß der Nabel der Anhef- tungsſtelle der Samenknoſpe entſpricht, während die Mikropyle ein von den Eihäuten gebildeter Kanal iſt, welcher nach dem Scheitel des Knoſpenkernes hinführt; daß bei anatropen Samen- knoſpen die Mikropyle neben dem Nabel, bei orthotropen aber ihm gegenüber liegt, daß ferner jederzeit der Embryo im Em- bryoſack (Amnion) an derjenigen Stelle ſich bildet, welche der Mikropyle zunächſtliegt und daß die Wurzel des Embryos immer nach der Mikropyle hingerichtet iſt, Thatſachen, welche ohne weiteres die allgemeine Regel feſtſtellten, nach welcher die Lage des Embryos im Samen und in der Frucht zu beurtheilen iſt. Brown gab auch die erſte richtige Erklärung des Endoſperms als einer innerhalb des Embryoſackes nach der Befruchtung ent- ſtehenden Nahrungsmaſſe und was mehr ſagen will als dies, er unterſchied zuerſt das Periſperm als eine außerhalb des Embryo- ſackes im Gewebe des Knoſpenkernes ſich bildende Subſtanz. Waren ſo morphologiſche Beziehungen in der Organiſation des Samens der Monocotylen und Dicotylen aufgeſtellt, welche mit zu den wichtigſten Grundlagen der Claſſification dieſer Claſſen zählen, ſo that Robert Brown einen noch glücklicheren Griff, indem er zuerſt den Blüthenbau der Coniferen und Cyca-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/164
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/164>, abgerufen am 21.11.2024.