"Flora" im Jahre 1843 von Mohl und Schlechtendal die "Botanische Zeitung", von Schleiden und Nägeli eine "Zeit- schrift für wissenschaftliche Botanik" gegründet wurde, welche letztere allerdings nur drei Jahrgänge 1844-1846 erlebte, die fast ganz allein mit Nägeli's Arbeiten sich füllten. Beide aber stellten sich ausgesprochenermaßen die Aufgabe, die neuen Ziele der Wissenschaft vertreten zu wollen. Die nächste Folge war, daß auch die "Flora" fortan ihre Saiten etwas höher spannte und dem neuen Zeitgeist gerecht zu werden suchte, was unter Fürnrohr's nunmehr alleiniger Leitung auch in den Literaturreferaten vortrefflich gelang.
Mit der Bearbeitung der Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik war Schleiden's Productivität in höherem Sinne des Wortes erschöpft; seine späteren, zum Theil umfangreichen Schriften übten keinen maßgebenden Einfluß mehr auf die wie- tere Entwicklung der Wissenschaft aus. Das Ideal, welches er für die wissenschaftliche Botanik hingestellt und in seinen gröberen Umrissen zu zeichnen versucht hatte, bedurfte zu seiner Realisirung der ausdauerndsten Arbeit, nicht nur Eines Mannes, son- dern ganzer Generationen von Beobachtern und Denkern; Schleiden aber unterließ es, zur Erreichung des hochgesteckten Zieles nun ein mühsames, unverdrossenes Fortarbeiten anzu- wenden.
Schon in den ersten Jahren, wo Schleiden's Grundzüge die wissenschaftliche Welt in Bewegung setzten, begann ein Mann von ganz wesentlich anderen Geistesanlagen die Bearbeitung der großen Aufgabe. Es war Nägeli, der von jetzt an in allen Theilen der Botanik grundlegend arbeitete, die zunächst erreich- baren Ziele feststellte, die inductive Methode und die Entwick- lungsgeschichte nicht nur forderte oder durch abgerissene Unter- suchungen bald hier, bald dort Etwas zu Tage förderte, sondern mit ernster Ausdauer jede aufgenommene Frage so lange bear- beitete, bis ein erhebliches Resultat erreicht war und fast jedes Mal war das Resultat nicht nur eine Bereicherung unseres posi- tiven Wissens, sondern zugleich ein neues Fundament, auf
Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
„Flora“ im Jahre 1843 von Mohl und Schlechtendal die „Botaniſche Zeitung“, von Schleiden und Nägeli eine „Zeit- ſchrift für wiſſenſchaftliche Botanik“ gegründet wurde, welche letztere allerdings nur drei Jahrgänge 1844-1846 erlebte, die faſt ganz allein mit Nägeli's Arbeiten ſich füllten. Beide aber ſtellten ſich ausgeſprochenermaßen die Aufgabe, die neuen Ziele der Wiſſenſchaft vertreten zu wollen. Die nächſte Folge war, daß auch die „Flora“ fortan ihre Saiten etwas höher ſpannte und dem neuen Zeitgeiſt gerecht zu werden ſuchte, was unter Fürnrohr's nunmehr alleiniger Leitung auch in den Literaturreferaten vortrefflich gelang.
Mit der Bearbeitung der Grundzüge der wiſſenſchaftlichen Botanik war Schleiden's Productivität in höherem Sinne des Wortes erſchöpft; ſeine ſpäteren, zum Theil umfangreichen Schriften übten keinen maßgebenden Einfluß mehr auf die wie- tere Entwicklung der Wiſſenſchaft aus. Das Ideal, welches er für die wiſſenſchaftliche Botanik hingeſtellt und in ſeinen gröberen Umriſſen zu zeichnen verſucht hatte, bedurfte zu ſeiner Realiſirung der ausdauerndſten Arbeit, nicht nur Eines Mannes, ſon- dern ganzer Generationen von Beobachtern und Denkern; Schleiden aber unterließ es, zur Erreichung des hochgeſteckten Zieles nun ein mühſames, unverdroſſenes Fortarbeiten anzu- wenden.
Schon in den erſten Jahren, wo Schleiden's Grundzüge die wiſſenſchaftliche Welt in Bewegung ſetzten, begann ein Mann von ganz weſentlich anderen Geiſtesanlagen die Bearbeitung der großen Aufgabe. Es war Nägeli, der von jetzt an in allen Theilen der Botanik grundlegend arbeitete, die zunächſt erreich- baren Ziele feſtſtellte, die inductive Methode und die Entwick- lungsgeſchichte nicht nur forderte oder durch abgeriſſene Unter- ſuchungen bald hier, bald dort Etwas zu Tage förderte, ſondern mit ernſter Ausdauer jede aufgenommene Frage ſo lange bear- beitete, bis ein erhebliches Reſultat erreicht war und faſt jedes Mal war das Reſultat nicht nur eine Bereicherung unſeres poſi- tiven Wiſſens, ſondern zugleich ein neues Fundament, auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0219"n="207"/><fwplace="top"type="header">Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.</fw><lb/>„Flora“ im Jahre 1843 von <hirendition="#g">Mohl</hi> und <hirendition="#g">Schlechtendal</hi> die<lb/>„Botaniſche Zeitung“, von <hirendition="#g">Schleiden</hi> und <hirendition="#g">Nägeli</hi> eine „Zeit-<lb/>ſchrift für wiſſenſchaftliche Botanik“ gegründet wurde, welche<lb/>
letztere allerdings nur drei Jahrgänge 1844-1846 erlebte, die<lb/>
faſt ganz allein mit <hirendition="#g">Nägeli</hi>'s Arbeiten ſich füllten. Beide<lb/>
aber ſtellten ſich ausgeſprochenermaßen die Aufgabe, die neuen<lb/>
Ziele der Wiſſenſchaft vertreten zu wollen. Die nächſte Folge<lb/>
war, daß auch die „Flora“ fortan ihre Saiten etwas höher<lb/>ſpannte und dem neuen Zeitgeiſt gerecht zu werden ſuchte, was<lb/>
unter <hirendition="#g">Fürnrohr</hi>'s nunmehr alleiniger Leitung auch in den<lb/>
Literaturreferaten vortrefflich gelang.</p><lb/><p>Mit der Bearbeitung der Grundzüge der wiſſenſchaftlichen<lb/>
Botanik war <hirendition="#g">Schleiden</hi>'s Productivität in höherem Sinne<lb/>
des Wortes erſchöpft; ſeine ſpäteren, zum Theil umfangreichen<lb/>
Schriften übten keinen maßgebenden Einfluß mehr auf die wie-<lb/>
tere Entwicklung der Wiſſenſchaft aus. Das Ideal, welches er<lb/>
für die wiſſenſchaftliche Botanik hingeſtellt und in ſeinen gröberen<lb/>
Umriſſen zu zeichnen verſucht hatte, bedurfte zu ſeiner Realiſirung<lb/>
der ausdauerndſten Arbeit, nicht nur Eines Mannes, ſon-<lb/>
dern ganzer Generationen von Beobachtern und Denkern;<lb/><hirendition="#g">Schleiden</hi> aber unterließ es, zur Erreichung des hochgeſteckten<lb/>
Zieles nun ein mühſames, unverdroſſenes Fortarbeiten anzu-<lb/>
wenden.</p><lb/><p>Schon in den erſten Jahren, wo <hirendition="#g">Schleiden</hi>'s Grundzüge<lb/>
die wiſſenſchaftliche Welt in Bewegung ſetzten, begann ein Mann<lb/>
von ganz weſentlich anderen Geiſtesanlagen die Bearbeitung der<lb/>
großen Aufgabe. Es war <hirendition="#b">Nägeli</hi>, der von jetzt an in allen<lb/>
Theilen der Botanik grundlegend arbeitete, die zunächſt erreich-<lb/>
baren Ziele feſtſtellte, die inductive Methode und die Entwick-<lb/>
lungsgeſchichte nicht nur forderte oder durch abgeriſſene Unter-<lb/>ſuchungen bald hier, bald dort Etwas zu Tage förderte, ſondern<lb/>
mit ernſter Ausdauer jede aufgenommene Frage ſo lange bear-<lb/>
beitete, bis ein erhebliches Reſultat erreicht war und faſt jedes<lb/>
Mal war das Reſultat nicht nur eine Bereicherung unſeres poſi-<lb/>
tiven Wiſſens, ſondern zugleich ein neues Fundament, auf<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[207/0219]
Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
„Flora“ im Jahre 1843 von Mohl und Schlechtendal die
„Botaniſche Zeitung“, von Schleiden und Nägeli eine „Zeit-
ſchrift für wiſſenſchaftliche Botanik“ gegründet wurde, welche
letztere allerdings nur drei Jahrgänge 1844-1846 erlebte, die
faſt ganz allein mit Nägeli's Arbeiten ſich füllten. Beide
aber ſtellten ſich ausgeſprochenermaßen die Aufgabe, die neuen
Ziele der Wiſſenſchaft vertreten zu wollen. Die nächſte Folge
war, daß auch die „Flora“ fortan ihre Saiten etwas höher
ſpannte und dem neuen Zeitgeiſt gerecht zu werden ſuchte, was
unter Fürnrohr's nunmehr alleiniger Leitung auch in den
Literaturreferaten vortrefflich gelang.
Mit der Bearbeitung der Grundzüge der wiſſenſchaftlichen
Botanik war Schleiden's Productivität in höherem Sinne
des Wortes erſchöpft; ſeine ſpäteren, zum Theil umfangreichen
Schriften übten keinen maßgebenden Einfluß mehr auf die wie-
tere Entwicklung der Wiſſenſchaft aus. Das Ideal, welches er
für die wiſſenſchaftliche Botanik hingeſtellt und in ſeinen gröberen
Umriſſen zu zeichnen verſucht hatte, bedurfte zu ſeiner Realiſirung
der ausdauerndſten Arbeit, nicht nur Eines Mannes, ſon-
dern ganzer Generationen von Beobachtern und Denkern;
Schleiden aber unterließ es, zur Erreichung des hochgeſteckten
Zieles nun ein mühſames, unverdroſſenes Fortarbeiten anzu-
wenden.
Schon in den erſten Jahren, wo Schleiden's Grundzüge
die wiſſenſchaftliche Welt in Bewegung ſetzten, begann ein Mann
von ganz weſentlich anderen Geiſtesanlagen die Bearbeitung der
großen Aufgabe. Es war Nägeli, der von jetzt an in allen
Theilen der Botanik grundlegend arbeitete, die zunächſt erreich-
baren Ziele feſtſtellte, die inductive Methode und die Entwick-
lungsgeſchichte nicht nur forderte oder durch abgeriſſene Unter-
ſuchungen bald hier, bald dort Etwas zu Tage förderte, ſondern
mit ernſter Ausdauer jede aufgenommene Frage ſo lange bear-
beitete, bis ein erhebliches Reſultat erreicht war und faſt jedes
Mal war das Reſultat nicht nur eine Bereicherung unſeres poſi-
tiven Wiſſens, ſondern zugleich ein neues Fundament, auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/219>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.