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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.
selben Organe auch bei zahlreichen phanerogamischen Pflanzen
nachgewiesen, dabei die Oeffnung der Spalte erkannt und sie
spiracula genannt. Auf der zum Zweck dieser Beobachtungen
abgezogenen Epidermis sah er deutlich die doppelt contourirten
Abgränzungen der Epidermiszellen, also diejenigen Zellwände,
welche auf der Oberfläche senkrecht stehen. Diese hielt nun
Hedwig für eine besondere Form von Gefäßen, die er als
vasa reducentia oder lymphatica, später sogar vasa exhalantia
bezeichnete und zugleich im Inneren des parenchymatischen Ge-
webes wieder zu finden glaubte, indem er offenbar die Stellen,
wo je drei Wandflächen zusammenstoßen, für Gefäße hielt, mit
denen er noch dazu die von dem älteren Moldenhawer (1779)
beschriebenen Milchzellen von Asclepias verwechselte; jener
scheint aber selbst schon die Interzellularräume im Mark der
Rose für gleichbedeutend mit diesen Milchzellen gehalten zu haben.
Mit dem Ausdruck Gefäß verband man eben im 18. Jahrhun-
dert eine ganz in's Unbestimmte verschwimmende Vorstellung,
welche ebensowohl die weiten Luftröhren des Holzes, wie die
feinsten Fäserchen für Gefäße gelten ließ. Hedwig's Vor-
stellung vom Bau der Spiralgefäße war sonderbar genug. Für
ihn war das Spiralband selbst als solches das Spiralgefäß;
dabei hielt er jenes für hohl, weil es sich durch Aufnahme
farbiger Flüssigkeiten färbt; bei den Spiralgefäßen mit entfernten
Windungen des Schraubenbandes sah er zwar die zwischen den
Windungen liegende, feine ursprüngliche Haut, er nahm jedoch
an, daß diese innerhalb des Spiralbands liege, von demselben
also äußerlich umwunden werde. Auf Tafel II des ersten Theils
der Historia muscorum bildet er sogar das Leistennetz ab,
welches die benachbarten Zellen an der Wand des Spiralgefäßes
zurückgelassen haben, erklärt dasselbe jedoch für durch Austrock-
nung entstandene Falten.

Hedwig war ohne Zweifel ein sehr geübter Mikroskopiker
und er empfahl überall die äußerste Behutsamkeit bei der Deut-
ung der mikroskopischen Bilder. Wenn aber ein Beobachter von
solcher Sorgfalt und Uebung, wie er, der noch dazu mit einem

Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.
ſelben Organe auch bei zahlreichen phanerogamiſchen Pflanzen
nachgewieſen, dabei die Oeffnung der Spalte erkannt und ſie
spiracula genannt. Auf der zum Zweck dieſer Beobachtungen
abgezogenen Epidermis ſah er deutlich die doppelt contourirten
Abgränzungen der Epidermiszellen, alſo diejenigen Zellwände,
welche auf der Oberfläche ſenkrecht ſtehen. Dieſe hielt nun
Hedwig für eine beſondere Form von Gefäßen, die er als
vasa reducentia oder lymphatica, ſpäter ſogar vasa exhalantia
bezeichnete und zugleich im Inneren des parenchymatiſchen Ge-
webes wieder zu finden glaubte, indem er offenbar die Stellen,
wo je drei Wandflächen zuſammenſtoßen, für Gefäße hielt, mit
denen er noch dazu die von dem älteren Moldenhawer (1779)
beſchriebenen Milchzellen von Asclepias verwechſelte; jener
ſcheint aber ſelbſt ſchon die Interzellularräume im Mark der
Roſe für gleichbedeutend mit dieſen Milchzellen gehalten zu haben.
Mit dem Ausdruck Gefäß verband man eben im 18. Jahrhun-
dert eine ganz in's Unbeſtimmte verſchwimmende Vorſtellung,
welche ebenſowohl die weiten Luftröhren des Holzes, wie die
feinſten Fäſerchen für Gefäße gelten ließ. Hedwig's Vor-
ſtellung vom Bau der Spiralgefäße war ſonderbar genug. Für
ihn war das Spiralband ſelbſt als ſolches das Spiralgefäß;
dabei hielt er jenes für hohl, weil es ſich durch Aufnahme
farbiger Flüſſigkeiten färbt; bei den Spiralgefäßen mit entfernten
Windungen des Schraubenbandes ſah er zwar die zwiſchen den
Windungen liegende, feine urſprüngliche Haut, er nahm jedoch
an, daß dieſe innerhalb des Spiralbands liege, von demſelben
alſo äußerlich umwunden werde. Auf Tafel II des erſten Theils
der Historia muscorum bildet er ſogar das Leiſtennetz ab,
welches die benachbarten Zellen an der Wand des Spiralgefäßes
zurückgelaſſen haben, erklärt dasſelbe jedoch für durch Austrock-
nung entſtandene Falten.

Hedwig war ohne Zweifel ein ſehr geübter Mikroſkopiker
und er empfahl überall die äußerſte Behutſamkeit bei der Deut-
ung der mikroſkopiſchen Bilder. Wenn aber ein Beobachter von
ſolcher Sorgfalt und Uebung, wie er, der noch dazu mit einem

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[274/0286] Die Phytotomie im 18. Jahrhundert. ſelben Organe auch bei zahlreichen phanerogamiſchen Pflanzen nachgewieſen, dabei die Oeffnung der Spalte erkannt und ſie spiracula genannt. Auf der zum Zweck dieſer Beobachtungen abgezogenen Epidermis ſah er deutlich die doppelt contourirten Abgränzungen der Epidermiszellen, alſo diejenigen Zellwände, welche auf der Oberfläche ſenkrecht ſtehen. Dieſe hielt nun Hedwig für eine beſondere Form von Gefäßen, die er als vasa reducentia oder lymphatica, ſpäter ſogar vasa exhalantia bezeichnete und zugleich im Inneren des parenchymatiſchen Ge- webes wieder zu finden glaubte, indem er offenbar die Stellen, wo je drei Wandflächen zuſammenſtoßen, für Gefäße hielt, mit denen er noch dazu die von dem älteren Moldenhawer (1779) beſchriebenen Milchzellen von Asclepias verwechſelte; jener ſcheint aber ſelbſt ſchon die Interzellularräume im Mark der Roſe für gleichbedeutend mit dieſen Milchzellen gehalten zu haben. Mit dem Ausdruck Gefäß verband man eben im 18. Jahrhun- dert eine ganz in's Unbeſtimmte verſchwimmende Vorſtellung, welche ebenſowohl die weiten Luftröhren des Holzes, wie die feinſten Fäſerchen für Gefäße gelten ließ. Hedwig's Vor- ſtellung vom Bau der Spiralgefäße war ſonderbar genug. Für ihn war das Spiralband ſelbſt als ſolches das Spiralgefäß; dabei hielt er jenes für hohl, weil es ſich durch Aufnahme farbiger Flüſſigkeiten färbt; bei den Spiralgefäßen mit entfernten Windungen des Schraubenbandes ſah er zwar die zwiſchen den Windungen liegende, feine urſprüngliche Haut, er nahm jedoch an, daß dieſe innerhalb des Spiralbands liege, von demſelben alſo äußerlich umwunden werde. Auf Tafel II des erſten Theils der Historia muscorum bildet er ſogar das Leiſtennetz ab, welches die benachbarten Zellen an der Wand des Spiralgefäßes zurückgelaſſen haben, erklärt dasſelbe jedoch für durch Austrock- nung entſtandene Falten. Hedwig war ohne Zweifel ein ſehr geübter Mikroſkopiker und er empfahl überall die äußerſte Behutſamkeit bei der Deut- ung der mikroſkopiſchen Bilder. Wenn aber ein Beobachter von ſolcher Sorgfalt und Uebung, wie er, der noch dazu mit einem

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/286>, abgerufen am 24.11.2024.