Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gewebe.
gelang, in der gereinigten Interzellularsubstanz des Holzes die bekannte Zellstoffreaktion hervorzurufen.
Wigand's und Sanio's Arbeiten genügten vollkommen die von Mohl begründete Theorie der Interzellularsubstanz und der Cuticula definitiv zu beseitigen; sie lieferten aber deßhalb noch keinen Beweis für die Behauptung, daß die Mittellamellen in der That die primären Scheidewände seien, an welche sich beiderseits, sowie bei der Cuticula nur einseitig die sekundären Verdickungsschichten Mohl's angelagert hätten; vielmehr konnte von dem Standpunct aus, den Nägeli's Theorie der Intus- susception nunmehr gewährte, die Struktur der Scheidewände und die Existenz der Cuticula überhaupt ganz anders aufgefaßt werden; man brauchte fortan in der Mittellamelle verdickter Zellen und in der Cuticula weder ein Secret, noch eine primäre Zellhautlamelle zu sehen, denn es eröffnete sich nunmehr die Möglichkeit, daß diese Schichtenbildungen durch nachträgliche chemische und physikalische Differenzirung der durch Intussuscep- tion sich verdickenden Häute entstehen. Da die Phytotomen auch heute noch nicht über die Richtigkeit dieser Ansicht ganz einig sind, so sollte hier eben nur hervorgehoben werden, daß in der Frage der Cuticula und der Interzellularsubstanz eines derjenigen Momente liegt, durch deren Entscheidung die ältere Mohl'sche Appositionstheorie in Frage gestellt wird. Es ist nicht mehr Sache diese Geschichte, die in den sechziger und siebziger Jahren geltend gemachten neueren Ansichten vorzuführen, da der Streit noch nicht definitiv geschlichtet ist.
Zu Mohl's Vorstellung von dem festen Zellhautgerüst der Pflanzen gehörte die von ihm seit 1828 wie ein Dogma fest- gehaltene Ansicht, daß abgesehen von den Querwänden der ächten Holzgefäße und manchen sehr vereinzelten Vorkommnissen, eine Durchlöcherung der Scheidewände im Zellgewebe nicht vorkomme; daß die einfachen und gehöften Tüpfel vielmehr immer durch die primäre sehr dünne Hautlamelle verschlossen bleiben. Zwischen 1850 und 1860 jedoch wurden verschiedene, für die Physiologie sehr wichtige Ausnahmen von dieser Mohl'schen Regel con-
Sachs, Geschichte der Botanik. 24
Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gewebe.
gelang, in der gereinigten Interzellularſubſtanz des Holzes die bekannte Zellſtoffreaktion hervorzurufen.
Wigand's und Sanio's Arbeiten genügten vollkommen die von Mohl begründete Theorie der Interzellularſubſtanz und der Cuticula definitiv zu beſeitigen; ſie lieferten aber deßhalb noch keinen Beweis für die Behauptung, daß die Mittellamellen in der That die primären Scheidewände ſeien, an welche ſich beiderſeits, ſowie bei der Cuticula nur einſeitig die ſekundären Verdickungsſchichten Mohl's angelagert hätten; vielmehr konnte von dem Standpunct aus, den Nägeli's Theorie der Intus- ſusception nunmehr gewährte, die Struktur der Scheidewände und die Exiſtenz der Cuticula überhaupt ganz anders aufgefaßt werden; man brauchte fortan in der Mittellamelle verdickter Zellen und in der Cuticula weder ein Secret, noch eine primäre Zellhautlamelle zu ſehen, denn es eröffnete ſich nunmehr die Möglichkeit, daß dieſe Schichtenbildungen durch nachträgliche chemiſche und phyſikaliſche Differenzirung der durch Intusſuscep- tion ſich verdickenden Häute entſtehen. Da die Phytotomen auch heute noch nicht über die Richtigkeit dieſer Anſicht ganz einig ſind, ſo ſollte hier eben nur hervorgehoben werden, daß in der Frage der Cuticula und der Interzellularſubſtanz eines derjenigen Momente liegt, durch deren Entſcheidung die ältere Mohl'ſche Appoſitionstheorie in Frage geſtellt wird. Es iſt nicht mehr Sache dieſe Geſchichte, die in den ſechziger und ſiebziger Jahren geltend gemachten neueren Anſichten vorzuführen, da der Streit noch nicht definitiv geſchlichtet iſt.
Zu Mohl's Vorſtellung von dem feſten Zellhautgerüſt der Pflanzen gehörte die von ihm ſeit 1828 wie ein Dogma feſt- gehaltene Anſicht, daß abgeſehen von den Querwänden der ächten Holzgefäße und manchen ſehr vereinzelten Vorkommniſſen, eine Durchlöcherung der Scheidewände im Zellgewebe nicht vorkomme; daß die einfachen und gehöften Tüpfel vielmehr immer durch die primäre ſehr dünne Hautlamelle verſchloſſen bleiben. Zwiſchen 1850 und 1860 jedoch wurden verſchiedene, für die Phyſiologie ſehr wichtige Ausnahmen von dieſer Mohl'ſchen Regel con-
Sachs, Geſchichte der Botanik. 24
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Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gewebe.
gelang, in der gereinigten Interzellularſubſtanz des Holzes die
bekannte Zellſtoffreaktion hervorzurufen.
Wigand's und Sanio's Arbeiten genügten vollkommen
die von Mohl begründete Theorie der Interzellularſubſtanz und
der Cuticula definitiv zu beſeitigen; ſie lieferten aber deßhalb
noch keinen Beweis für die Behauptung, daß die Mittellamellen
in der That die primären Scheidewände ſeien, an welche ſich
beiderſeits, ſowie bei der Cuticula nur einſeitig die ſekundären
Verdickungsſchichten Mohl's angelagert hätten; vielmehr konnte
von dem Standpunct aus, den Nägeli's Theorie der Intus-
ſusception nunmehr gewährte, die Struktur der Scheidewände
und die Exiſtenz der Cuticula überhaupt ganz anders aufgefaßt
werden; man brauchte fortan in der Mittellamelle verdickter
Zellen und in der Cuticula weder ein Secret, noch eine primäre
Zellhautlamelle zu ſehen, denn es eröffnete ſich nunmehr die
Möglichkeit, daß dieſe Schichtenbildungen durch nachträgliche
chemiſche und phyſikaliſche Differenzirung der durch Intusſuscep-
tion ſich verdickenden Häute entſtehen. Da die Phytotomen auch
heute noch nicht über die Richtigkeit dieſer Anſicht ganz einig
ſind, ſo ſollte hier eben nur hervorgehoben werden, daß in der
Frage der Cuticula und der Interzellularſubſtanz eines derjenigen
Momente liegt, durch deren Entſcheidung die ältere Mohl'ſche
Appoſitionstheorie in Frage geſtellt wird. Es iſt nicht mehr
Sache dieſe Geſchichte, die in den ſechziger und ſiebziger Jahren
geltend gemachten neueren Anſichten vorzuführen, da der Streit
noch nicht definitiv geſchlichtet iſt.
Zu Mohl's Vorſtellung von dem feſten Zellhautgerüſt der
Pflanzen gehörte die von ihm ſeit 1828 wie ein Dogma feſt-
gehaltene Anſicht, daß abgeſehen von den Querwänden der ächten
Holzgefäße und manchen ſehr vereinzelten Vorkommniſſen, eine
Durchlöcherung der Scheidewände im Zellgewebe nicht vorkomme;
daß die einfachen und gehöften Tüpfel vielmehr immer durch die
primäre ſehr dünne Hautlamelle verſchloſſen bleiben. Zwiſchen
1850 und 1860 jedoch wurden verſchiedene, für die Phyſiologie
ſehr wichtige Ausnahmen von dieſer Mohl'ſchen Regel con-
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/381>, abgerufen am 24.11.2024.
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