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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gewebe.

Der eigentliche Ausgangspunct für Nägeli's Theorie von
der Molecularstruktur lag jedoch in der von ihm 1858 so ein-
gehend untersuchten Struktur der Stärkekörner. Aus der Art
und Weise, wie diese sich gegen Druck und Austrocknung, gegen
Quellungsmittel und Extraktion eines Theiles ihrer Substanz
verhalten, kam er zu der Vorstellung, daß die gesammte Substanz
eines Stärkekorns aus Molecülen besteht, welche nicht rund,
sondern polyedrisch geformt sein müssen, die unter sich im nor-
malen Zustand durch Wasserhüllen von einander getrennt sind,
und daß der Wassergehalt der geschichteten Substanz von der
Größe dieser Molecüle abhängt, insofern er um so geringer sein
muß, je größer die Molecüle selbst sind; eine Vorstellungsweise,
welche sich nun sofort auch auf die Struktur der Zellhaut über-
tragen ließ und nach welcher das Wachsthum überhaupt durch
Vergrößerung schon vorhandener, sowie durch Einlagerung neuer
kleiner Molecüle zwischen die vorhandenen verstanden werden
kann. Diese Nägeli'schen Molecüle sind selbst schon sehr zu-
sammengesetzte Gebilde, denn das kleinste derselben würde schon
aus zahlreichen Atomen von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauer-
stoff bestehen, gewöhnlich aber würde ein Molecül aus tausenden
von solchen Atomaggregaten, welche die Chemiker Molecüle nennen,
zusammengesetzt sein.

Schon bei der Untersuchung der Stärkekörner kam Nägeli
zu der Folgerung, daß Moleküle von verschiedener chemischer Natur
an jedem sichtbaren Punkt zusammengelagert sind: durch Extrak-
tion der Körner ließ sich derjenige Stoff vollständig entfernen,
welcher mit Jod ohne Weiteres blau wird, die Granulose. Nach
der Extraktion dagegen blieb ein sehr substanzarmes Skelet des
Stärkekornes zurück, welches im Wesentlichen genau die ursprüng-
liche Schichtung zeigte, mit Jod aber keine blaue Färbung an-
nahm und von Nägeli als Stärkecellulose bezeichnet wurde.
Aus diesem Verhalten folgte, daß im Stärkekorn zweierlei
chemisch verschiedene Molecüle überall neben einander gelagert
sind, etwa so, wie wenn man rothe und gelbe Ziegeln zum Auf-
bau eines Hauses so verwendet hätte, daß nach späterer Weg-

Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gewebe.

Der eigentliche Ausgangspunct für Nägeli's Theorie von
der Molecularſtruktur lag jedoch in der von ihm 1858 ſo ein-
gehend unterſuchten Struktur der Stärkekörner. Aus der Art
und Weiſe, wie dieſe ſich gegen Druck und Austrocknung, gegen
Quellungsmittel und Extraktion eines Theiles ihrer Subſtanz
verhalten, kam er zu der Vorſtellung, daß die geſammte Subſtanz
eines Stärkekorns aus Molecülen beſteht, welche nicht rund,
ſondern polyedriſch geformt ſein müſſen, die unter ſich im nor-
malen Zuſtand durch Waſſerhüllen von einander getrennt ſind,
und daß der Waſſergehalt der geſchichteten Subſtanz von der
Größe dieſer Molecüle abhängt, inſofern er um ſo geringer ſein
muß, je größer die Molecüle ſelbſt ſind; eine Vorſtellungsweiſe,
welche ſich nun ſofort auch auf die Struktur der Zellhaut über-
tragen ließ und nach welcher das Wachsthum überhaupt durch
Vergrößerung ſchon vorhandener, ſowie durch Einlagerung neuer
kleiner Molecüle zwiſchen die vorhandenen verſtanden werden
kann. Dieſe Nägeli'ſchen Molecüle ſind ſelbſt ſchon ſehr zu-
ſammengeſetzte Gebilde, denn das kleinſte derſelben würde ſchon
aus zahlreichen Atomen von Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauer-
ſtoff beſtehen, gewöhnlich aber würde ein Molecül aus tauſenden
von ſolchen Atomaggregaten, welche die Chemiker Molecüle nennen,
zuſammengeſetzt ſein.

Schon bei der Unterſuchung der Stärkekörner kam Nägeli
zu der Folgerung, daß Moleküle von verſchiedener chemiſcher Natur
an jedem ſichtbaren Punkt zuſammengelagert ſind: durch Extrak-
tion der Körner ließ ſich derjenige Stoff vollſtändig entfernen,
welcher mit Jod ohne Weiteres blau wird, die Granuloſe. Nach
der Extraktion dagegen blieb ein ſehr ſubſtanzarmes Skelet des
Stärkekornes zurück, welches im Weſentlichen genau die urſprüng-
liche Schichtung zeigte, mit Jod aber keine blaue Färbung an-
nahm und von Nägeli als Stärkecelluloſe bezeichnet wurde.
Aus dieſem Verhalten folgte, daß im Stärkekorn zweierlei
chemiſch verſchiedene Molecüle überall neben einander gelagert
ſind, etwa ſo, wie wenn man rothe und gelbe Ziegeln zum Auf-
bau eines Hauſes ſo verwendet hätte, daß nach ſpäterer Weg-

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[381/0393] Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gewebe. Der eigentliche Ausgangspunct für Nägeli's Theorie von der Molecularſtruktur lag jedoch in der von ihm 1858 ſo ein- gehend unterſuchten Struktur der Stärkekörner. Aus der Art und Weiſe, wie dieſe ſich gegen Druck und Austrocknung, gegen Quellungsmittel und Extraktion eines Theiles ihrer Subſtanz verhalten, kam er zu der Vorſtellung, daß die geſammte Subſtanz eines Stärkekorns aus Molecülen beſteht, welche nicht rund, ſondern polyedriſch geformt ſein müſſen, die unter ſich im nor- malen Zuſtand durch Waſſerhüllen von einander getrennt ſind, und daß der Waſſergehalt der geſchichteten Subſtanz von der Größe dieſer Molecüle abhängt, inſofern er um ſo geringer ſein muß, je größer die Molecüle ſelbſt ſind; eine Vorſtellungsweiſe, welche ſich nun ſofort auch auf die Struktur der Zellhaut über- tragen ließ und nach welcher das Wachsthum überhaupt durch Vergrößerung ſchon vorhandener, ſowie durch Einlagerung neuer kleiner Molecüle zwiſchen die vorhandenen verſtanden werden kann. Dieſe Nägeli'ſchen Molecüle ſind ſelbſt ſchon ſehr zu- ſammengeſetzte Gebilde, denn das kleinſte derſelben würde ſchon aus zahlreichen Atomen von Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauer- ſtoff beſtehen, gewöhnlich aber würde ein Molecül aus tauſenden von ſolchen Atomaggregaten, welche die Chemiker Molecüle nennen, zuſammengeſetzt ſein. Schon bei der Unterſuchung der Stärkekörner kam Nägeli zu der Folgerung, daß Moleküle von verſchiedener chemiſcher Natur an jedem ſichtbaren Punkt zuſammengelagert ſind: durch Extrak- tion der Körner ließ ſich derjenige Stoff vollſtändig entfernen, welcher mit Jod ohne Weiteres blau wird, die Granuloſe. Nach der Extraktion dagegen blieb ein ſehr ſubſtanzarmes Skelet des Stärkekornes zurück, welches im Weſentlichen genau die urſprüng- liche Schichtung zeigte, mit Jod aber keine blaue Färbung an- nahm und von Nägeli als Stärkecelluloſe bezeichnet wurde. Aus dieſem Verhalten folgte, daß im Stärkekorn zweierlei chemiſch verſchiedene Molecüle überall neben einander gelagert ſind, etwa ſo, wie wenn man rothe und gelbe Ziegeln zum Auf- bau eines Hauſes ſo verwendet hätte, daß nach ſpäterer Weg-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/393>, abgerufen am 24.11.2024.