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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Einleitung.
wie die der Thiere zu Stande kommen. In allen derartigen
Fällen war es ganz gleichgültig, ob die vorausgesetzten Analogieen
durch die fortgesetzten Untersuchungen endlich, wie bei der Sexua-
lität, bestätigt, oder, wie bei der Saftcirculation, verneint wurden.
Es handelte sich nicht um das Resultat, sondern darum, über-
haupt nur Ausgangspuncte für die Untersuchung zu gewinnen.
Zu diesem Zwecke genügte es, wenn, gestützt auf wirkliche oder
nur scheinbare Analogieen zwischen Pflanzen und Thieren, den
anscheinend ganz unthätigen Organen der Pflanze gewisse Func-
tionen fragweise zugemuthet, gewissermaßen angedichtet wurden.
Damit kam die wissenschaftliche Arbeit in Fluß, gleichgültig wie
später das Resultat ausfallen würde. Ueberall wo es sich um
Lebenserscheinungen handelt, ist eben unser eigenes Leben nicht
nur der erste Ausgangspunct, sondern auch das Maaß des Be-
greifens; was das Lebendige im Gegensatz zum Leblosen sei, er-
kennen wir zuerst durch Vergleichung unseres eignen Wesens mit
dem der verschiedenen Objecte. Von unseren Lebensregungen
schließen wir auf diejenigen der höheren Thiere, welche wir aus
dem Gebahren derselben ganz unmittelbar und instinktmäßig ver-
stehen; von diesen ausgehend werden uns auch die der niederen
Thiere verständlich und schließlich leiten uns weitere Analogie-
schlüsse bis hinüber zu den Pflanzen, deren Belebtheit uns eben
nur auf diese Weise bekannt wird. Indem so die Pflanzen als leben-
dige Wesen schon im Alterthum den Thieren genähert wurden, bot
sich von selbst dem weiteren Nachdenken die Annahme dar, daß
man nun auch im Einzelnen die Lebenserscheinungen der Thiere
bei den Pflanzen wiederfinden werde. Aus den botanischen
Fragmenten des Aristoteles erfahren wir, daß auf diese Weise
in der That die ersten Fragen der Pflanzenphysiologie entstanden
sind; und wie schon erwähnt, nahmen dieselben bei Cäsalpin
bereits eine bestimmtere Form an und die späteren Pflanzen-
physiologen bedienten sich immer wieder ähnlicher Analogie-
schlüsse. Einen anderen Anfang konnte die Geschichte unserer
Wissenschaft nicht nehmen, weil es psychologisch und historisch
genommen, keinen anderen giebt. Wenn sich nun auch die vor-

Einleitung.
wie die der Thiere zu Stande kommen. In allen derartigen
Fällen war es ganz gleichgültig, ob die vorausgeſetzten Analogieen
durch die fortgeſetzten Unterſuchungen endlich, wie bei der Sexua-
lität, beſtätigt, oder, wie bei der Saftcirculation, verneint wurden.
Es handelte ſich nicht um das Reſultat, ſondern darum, über-
haupt nur Ausgangspuncte für die Unterſuchung zu gewinnen.
Zu dieſem Zwecke genügte es, wenn, geſtützt auf wirkliche oder
nur ſcheinbare Analogieen zwiſchen Pflanzen und Thieren, den
anſcheinend ganz unthätigen Organen der Pflanze gewiſſe Func-
tionen fragweiſe zugemuthet, gewiſſermaßen angedichtet wurden.
Damit kam die wiſſenſchaftliche Arbeit in Fluß, gleichgültig wie
ſpäter das Reſultat ausfallen würde. Ueberall wo es ſich um
Lebenserſcheinungen handelt, iſt eben unſer eigenes Leben nicht
nur der erſte Ausgangspunct, ſondern auch das Maaß des Be-
greifens; was das Lebendige im Gegenſatz zum Lebloſen ſei, er-
kennen wir zuerſt durch Vergleichung unſeres eignen Weſens mit
dem der verſchiedenen Objecte. Von unſeren Lebensregungen
ſchließen wir auf diejenigen der höheren Thiere, welche wir aus
dem Gebahren derſelben ganz unmittelbar und inſtinktmäßig ver-
ſtehen; von dieſen ausgehend werden uns auch die der niederen
Thiere verſtändlich und ſchließlich leiten uns weitere Analogie-
ſchlüſſe bis hinüber zu den Pflanzen, deren Belebtheit uns eben
nur auf dieſe Weiſe bekannt wird. Indem ſo die Pflanzen als leben-
dige Weſen ſchon im Alterthum den Thieren genähert wurden, bot
ſich von ſelbſt dem weiteren Nachdenken die Annahme dar, daß
man nun auch im Einzelnen die Lebenserſcheinungen der Thiere
bei den Pflanzen wiederfinden werde. Aus den botaniſchen
Fragmenten des Ariſtoteles erfahren wir, daß auf dieſe Weiſe
in der That die erſten Fragen der Pflanzenphyſiologie entſtanden
ſind; und wie ſchon erwähnt, nahmen dieſelben bei Cäſalpin
bereits eine beſtimmtere Form an und die ſpäteren Pflanzen-
phyſiologen bedienten ſich immer wieder ähnlicher Analogie-
ſchlüſſe. Einen anderen Anfang konnte die Geſchichte unſerer
Wiſſenſchaft nicht nehmen, weil es pſychologiſch und hiſtoriſch
genommen, keinen anderen giebt. Wenn ſich nun auch die vor-

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[390/0402] Einleitung. wie die der Thiere zu Stande kommen. In allen derartigen Fällen war es ganz gleichgültig, ob die vorausgeſetzten Analogieen durch die fortgeſetzten Unterſuchungen endlich, wie bei der Sexua- lität, beſtätigt, oder, wie bei der Saftcirculation, verneint wurden. Es handelte ſich nicht um das Reſultat, ſondern darum, über- haupt nur Ausgangspuncte für die Unterſuchung zu gewinnen. Zu dieſem Zwecke genügte es, wenn, geſtützt auf wirkliche oder nur ſcheinbare Analogieen zwiſchen Pflanzen und Thieren, den anſcheinend ganz unthätigen Organen der Pflanze gewiſſe Func- tionen fragweiſe zugemuthet, gewiſſermaßen angedichtet wurden. Damit kam die wiſſenſchaftliche Arbeit in Fluß, gleichgültig wie ſpäter das Reſultat ausfallen würde. Ueberall wo es ſich um Lebenserſcheinungen handelt, iſt eben unſer eigenes Leben nicht nur der erſte Ausgangspunct, ſondern auch das Maaß des Be- greifens; was das Lebendige im Gegenſatz zum Lebloſen ſei, er- kennen wir zuerſt durch Vergleichung unſeres eignen Weſens mit dem der verſchiedenen Objecte. Von unſeren Lebensregungen ſchließen wir auf diejenigen der höheren Thiere, welche wir aus dem Gebahren derſelben ganz unmittelbar und inſtinktmäßig ver- ſtehen; von dieſen ausgehend werden uns auch die der niederen Thiere verſtändlich und ſchließlich leiten uns weitere Analogie- ſchlüſſe bis hinüber zu den Pflanzen, deren Belebtheit uns eben nur auf dieſe Weiſe bekannt wird. Indem ſo die Pflanzen als leben- dige Weſen ſchon im Alterthum den Thieren genähert wurden, bot ſich von ſelbſt dem weiteren Nachdenken die Annahme dar, daß man nun auch im Einzelnen die Lebenserſcheinungen der Thiere bei den Pflanzen wiederfinden werde. Aus den botaniſchen Fragmenten des Ariſtoteles erfahren wir, daß auf dieſe Weiſe in der That die erſten Fragen der Pflanzenphyſiologie entſtanden ſind; und wie ſchon erwähnt, nahmen dieſelben bei Cäſalpin bereits eine beſtimmtere Form an und die ſpäteren Pflanzen- phyſiologen bedienten ſich immer wieder ähnlicher Analogie- ſchlüſſe. Einen anderen Anfang konnte die Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft nicht nehmen, weil es pſychologiſch und hiſtoriſch genommen, keinen anderen giebt. Wenn ſich nun auch die vor-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/402>, abgerufen am 24.11.2024.