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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Einleitung.
ein Antrieb, die Einrichtungen der Pflanzenorgane sorgfältig zu
betrachten, worauf es doch zunächst allein ankam. So finden
wir es auch in der That bei Malpighi, Grew, Hales und
weiter unten werden wir sehen, wie selbst noch am Ende des
vorigen Jahrhunderts Konrad Sprengel in strenger Durchführung
seines teleologischen Standpunctes die glänzendsten Entdeckungen
über die Beziehungen des Blüthenbaues zur Insektenwelt u. s. w.
machte. Dem Fortschritt der Morphologie war die teleologische
Auffassung von vornherein schädlich, obgleich die Geschichte der
Systematik zeigt, wie schwer es den Botanikern wurde, sich von
derartigen Ansichten zu trennen. Ganz anders verhielt es sich
bei der Physiologie; hier erwies sich die Teleologie wenigstens
als heuristisches Princip in hohem Grade nützlich, wenn es sich
darum handelte die Funktionen der Organe zu entdecken, den Zu-
sammenhang der Lebenserscheinungen zu verstehen. Etwas ganz
anderes freilich war es, als es darauf ankam, die Ursachen der-
selben aufzusuchen, die Vegetationserscheinungen in ihrem causalen
Zusammenhang aufzufassen. Da genügte die teleologische Auf-
fassung nicht mehr, ja sie mußte als ein Hinderniß beseitigt
werden, wenn sich auch immerhin die Schwierigkeit ergab,
wie denn nun ohne den teleologischen Standpunct die zweck-
mäßigen Einrichtungen der Organismen zu verstehen sind. Es
bedarf hier nur des Hinweises, daß diese Schwierigkeit durch
die Selectionstheorie in befriedigender Weise gehoben wurde.
Sie ist für die Physiologie in dieser Beziehung ganz ebenso
wichtig geworden, wie die Descendenztheorie überhaupt für die
Systematik und Morphologie. Wenn die Descendenztheorie die
morphologische Behandlung der Organismen endlich von dem
Einfluß der Scholastik befreite, so hat nicht weniger die Physio-
logie speciell durch die Selectionstheorie erst die Möglichkeit ge-
wonnen, sich von teleologischen Deutungen ganz frei zu machen.
Nur ein völliges Mißverstehen der Darwin'schen Lehre kann
dieser den Vorwurf zuziehen, sie falle in die Teleologie zurück,
während ihr größtes Verdienst darin besteht, die Teleologie auch
da als überflüssig erscheinen zu lassen, wo sie den Naturforschern

Einleitung.
ein Antrieb, die Einrichtungen der Pflanzenorgane ſorgfältig zu
betrachten, worauf es doch zunächſt allein ankam. So finden
wir es auch in der That bei Malpighi, Grew, Hales und
weiter unten werden wir ſehen, wie ſelbſt noch am Ende des
vorigen Jahrhunderts Konrad Sprengel in ſtrenger Durchführung
ſeines teleologiſchen Standpunctes die glänzendſten Entdeckungen
über die Beziehungen des Blüthenbaues zur Inſektenwelt u. ſ. w.
machte. Dem Fortſchritt der Morphologie war die teleologiſche
Auffaſſung von vornherein ſchädlich, obgleich die Geſchichte der
Syſtematik zeigt, wie ſchwer es den Botanikern wurde, ſich von
derartigen Anſichten zu trennen. Ganz anders verhielt es ſich
bei der Phyſiologie; hier erwies ſich die Teleologie wenigſtens
als heuriſtiſches Princip in hohem Grade nützlich, wenn es ſich
darum handelte die Funktionen der Organe zu entdecken, den Zu-
ſammenhang der Lebenserſcheinungen zu verſtehen. Etwas ganz
anderes freilich war es, als es darauf ankam, die Urſachen der-
ſelben aufzuſuchen, die Vegetationserſcheinungen in ihrem cauſalen
Zuſammenhang aufzufaſſen. Da genügte die teleologiſche Auf-
faſſung nicht mehr, ja ſie mußte als ein Hinderniß beſeitigt
werden, wenn ſich auch immerhin die Schwierigkeit ergab,
wie denn nun ohne den teleologiſchen Standpunct die zweck-
mäßigen Einrichtungen der Organismen zu verſtehen ſind. Es
bedarf hier nur des Hinweiſes, daß dieſe Schwierigkeit durch
die Selectionstheorie in befriedigender Weiſe gehoben wurde.
Sie iſt für die Phyſiologie in dieſer Beziehung ganz ebenſo
wichtig geworden, wie die Deſcendenztheorie überhaupt für die
Syſtematik und Morphologie. Wenn die Deſcendenztheorie die
morphologiſche Behandlung der Organismen endlich von dem
Einfluß der Scholaſtik befreite, ſo hat nicht weniger die Phyſio-
logie ſpeciell durch die Selectionstheorie erſt die Möglichkeit ge-
wonnen, ſich von teleologiſchen Deutungen ganz frei zu machen.
Nur ein völliges Mißverſtehen der Darwin'ſchen Lehre kann
dieſer den Vorwurf zuziehen, ſie falle in die Teleologie zurück,
während ihr größtes Verdienſt darin beſteht, die Teleologie auch
da als überflüſſig erſcheinen zu laſſen, wo ſie den Naturforſchern

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[392/0404] Einleitung. ein Antrieb, die Einrichtungen der Pflanzenorgane ſorgfältig zu betrachten, worauf es doch zunächſt allein ankam. So finden wir es auch in der That bei Malpighi, Grew, Hales und weiter unten werden wir ſehen, wie ſelbſt noch am Ende des vorigen Jahrhunderts Konrad Sprengel in ſtrenger Durchführung ſeines teleologiſchen Standpunctes die glänzendſten Entdeckungen über die Beziehungen des Blüthenbaues zur Inſektenwelt u. ſ. w. machte. Dem Fortſchritt der Morphologie war die teleologiſche Auffaſſung von vornherein ſchädlich, obgleich die Geſchichte der Syſtematik zeigt, wie ſchwer es den Botanikern wurde, ſich von derartigen Anſichten zu trennen. Ganz anders verhielt es ſich bei der Phyſiologie; hier erwies ſich die Teleologie wenigſtens als heuriſtiſches Princip in hohem Grade nützlich, wenn es ſich darum handelte die Funktionen der Organe zu entdecken, den Zu- ſammenhang der Lebenserſcheinungen zu verſtehen. Etwas ganz anderes freilich war es, als es darauf ankam, die Urſachen der- ſelben aufzuſuchen, die Vegetationserſcheinungen in ihrem cauſalen Zuſammenhang aufzufaſſen. Da genügte die teleologiſche Auf- faſſung nicht mehr, ja ſie mußte als ein Hinderniß beſeitigt werden, wenn ſich auch immerhin die Schwierigkeit ergab, wie denn nun ohne den teleologiſchen Standpunct die zweck- mäßigen Einrichtungen der Organismen zu verſtehen ſind. Es bedarf hier nur des Hinweiſes, daß dieſe Schwierigkeit durch die Selectionstheorie in befriedigender Weiſe gehoben wurde. Sie iſt für die Phyſiologie in dieſer Beziehung ganz ebenſo wichtig geworden, wie die Deſcendenztheorie überhaupt für die Syſtematik und Morphologie. Wenn die Deſcendenztheorie die morphologiſche Behandlung der Organismen endlich von dem Einfluß der Scholaſtik befreite, ſo hat nicht weniger die Phyſio- logie ſpeciell durch die Selectionstheorie erſt die Möglichkeit ge- wonnen, ſich von teleologiſchen Deutungen ganz frei zu machen. Nur ein völliges Mißverſtehen der Darwin'ſchen Lehre kann dieſer den Vorwurf zuziehen, ſie falle in die Teleologie zurück, während ihr größtes Verdienſt darin beſteht, die Teleologie auch da als überflüſſig erſcheinen zu laſſen, wo ſie den Naturforſchern

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/404>, abgerufen am 24.11.2024.