Untersuchungen über die Saftbewegung der Pflanzen; seine Sta- tical essays 1727 schließen sich den vorhin genannten grund- legenden Werken an und zugleich erreicht mit dieser bedeutenden Leistung die erste Periode unserer Wissenschaft einen scharf mar- kirten Abschluß.
Auf diese Zeit schwunghaften Fortschrittes folgten jedoch einige Decennien, in welchen nichts Erhebliches geleistet, entdeckt und gedacht wurde, wo vielmehr unfruchtbare Zweifel an dem bereits Bewiesenen sich regten, ohne daß dieselben jedoch zu einer tieferen Fassung der Fragen oder zu neuen experimentellen Ent- scheidungen führten.
2) Um 1760 jedoch beginnt es auf den verschiedensten Ge- bieten der Pflanzenphysiologie wieder sich zu regen. Nachdem durch Du Hamel's Physique des arbres 1758 nicht nur alles Frühere übersichtlich zusammengefaßt und durch zahlreiche neue Beobachtungen bereichert worden war, begann nunmehr abermals eine Reihe der wichtigsten Entdeckungen bis zum An- fang unseres Jahrhunderts. Die Lehre von der sexuellen Fort- pflanzung, seit Camerarius kaum gefördert und durch die Evolutionstheorie verunstaltet, fand in Koelreuter einen Beobachter ersten Ranges, der im Anfang der sechziger Jahre einen tieferen Blick in das Wesen der Sexualität eröffnete, indem er die ersten Bastarde künstlich erzeugte, auch die Bestäubungseinrichtungen der Blüthe zuerst sorgfältig studirte und die merkwürdigen Bezieh- ungen derselben zur Biologie der Insecten hervorhob. Viel aus- führlicher wurden diese Beziehungen später von Conrad Sprengel untersucht (1793), der dabei zu so überraschenden und weit- aussehenden Resultaten gelangte, daß dieselben von seinen Zeit- genossen und lange nachher nicht einmal verstanden wurden, bis sie erst in neuester Zeit wieder im Interesse der Descendenz- theorie ihre verdiente Würdigung fanden.
Nicht minder groß waren die Fortschritte auf dem Gebiet der Ernährungslehre: in den achtziger Jahren bewies Ingen Houß, daß die grünen Pflanzentheile unter dem Einfluß des Lichts Kohlensäure aufnehmen, den Sauerstoff abscheiden und so
Einleitung.
Unterſuchungen über die Saftbewegung der Pflanzen; ſeine Sta- tical essays 1727 ſchließen ſich den vorhin genannten grund- legenden Werken an und zugleich erreicht mit dieſer bedeutenden Leiſtung die erſte Periode unſerer Wiſſenſchaft einen ſcharf mar- kirten Abſchluß.
Auf dieſe Zeit ſchwunghaften Fortſchrittes folgten jedoch einige Decennien, in welchen nichts Erhebliches geleiſtet, entdeckt und gedacht wurde, wo vielmehr unfruchtbare Zweifel an dem bereits Bewieſenen ſich regten, ohne daß dieſelben jedoch zu einer tieferen Faſſung der Fragen oder zu neuen experimentellen Ent- ſcheidungen führten.
2) Um 1760 jedoch beginnt es auf den verſchiedenſten Ge- bieten der Pflanzenphyſiologie wieder ſich zu regen. Nachdem durch Du Hamel's Physique des arbres 1758 nicht nur alles Frühere überſichtlich zuſammengefaßt und durch zahlreiche neue Beobachtungen bereichert worden war, begann nunmehr abermals eine Reihe der wichtigſten Entdeckungen bis zum An- fang unſeres Jahrhunderts. Die Lehre von der ſexuellen Fort- pflanzung, ſeit Camerarius kaum gefördert und durch die Evolutionstheorie verunſtaltet, fand in Koelreuter einen Beobachter erſten Ranges, der im Anfang der ſechziger Jahre einen tieferen Blick in das Weſen der Sexualität eröffnete, indem er die erſten Baſtarde künſtlich erzeugte, auch die Beſtäubungseinrichtungen der Blüthe zuerſt ſorgfältig ſtudirte und die merkwürdigen Bezieh- ungen derſelben zur Biologie der Inſecten hervorhob. Viel aus- führlicher wurden dieſe Beziehungen ſpäter von Conrad Sprengel unterſucht (1793), der dabei zu ſo überraſchenden und weit- ausſehenden Reſultaten gelangte, daß dieſelben von ſeinen Zeit- genoſſen und lange nachher nicht einmal verſtanden wurden, bis ſie erſt in neueſter Zeit wieder im Intereſſe der Deſcendenz- theorie ihre verdiente Würdigung fanden.
Nicht minder groß waren die Fortſchritte auf dem Gebiet der Ernährungslehre: in den achtziger Jahren bewies Ingen Houß, daß die grünen Pflanzentheile unter dem Einfluß des Lichts Kohlenſäure aufnehmen, den Sauerſtoff abſcheiden und ſo
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Einleitung.
Unterſuchungen über die Saftbewegung der Pflanzen; ſeine Sta-
tical essays 1727 ſchließen ſich den vorhin genannten grund-
legenden Werken an und zugleich erreicht mit dieſer bedeutenden
Leiſtung die erſte Periode unſerer Wiſſenſchaft einen ſcharf mar-
kirten Abſchluß.
Auf dieſe Zeit ſchwunghaften Fortſchrittes folgten jedoch
einige Decennien, in welchen nichts Erhebliches geleiſtet, entdeckt
und gedacht wurde, wo vielmehr unfruchtbare Zweifel an dem
bereits Bewieſenen ſich regten, ohne daß dieſelben jedoch zu einer
tieferen Faſſung der Fragen oder zu neuen experimentellen Ent-
ſcheidungen führten.
2) Um 1760 jedoch beginnt es auf den verſchiedenſten Ge-
bieten der Pflanzenphyſiologie wieder ſich zu regen. Nachdem
durch Du Hamel's Physique des arbres 1758 nicht nur
alles Frühere überſichtlich zuſammengefaßt und durch zahlreiche
neue Beobachtungen bereichert worden war, begann nunmehr
abermals eine Reihe der wichtigſten Entdeckungen bis zum An-
fang unſeres Jahrhunderts. Die Lehre von der ſexuellen Fort-
pflanzung, ſeit Camerarius kaum gefördert und durch die
Evolutionstheorie verunſtaltet, fand in Koelreuter einen Beobachter
erſten Ranges, der im Anfang der ſechziger Jahre einen tieferen
Blick in das Weſen der Sexualität eröffnete, indem er die erſten
Baſtarde künſtlich erzeugte, auch die Beſtäubungseinrichtungen der
Blüthe zuerſt ſorgfältig ſtudirte und die merkwürdigen Bezieh-
ungen derſelben zur Biologie der Inſecten hervorhob. Viel aus-
führlicher wurden dieſe Beziehungen ſpäter von Conrad Sprengel
unterſucht (1793), der dabei zu ſo überraſchenden und weit-
ausſehenden Reſultaten gelangte, daß dieſelben von ſeinen Zeit-
genoſſen und lange nachher nicht einmal verſtanden wurden,
bis ſie erſt in neueſter Zeit wieder im Intereſſe der Deſcendenz-
theorie ihre verdiente Würdigung fanden.
Nicht minder groß waren die Fortſchritte auf dem Gebiet
der Ernährungslehre: in den achtziger Jahren bewies Ingen
Houß, daß die grünen Pflanzentheile unter dem Einfluß des
Lichts Kohlenſäure aufnehmen, den Sauerſtoff abſcheiden und ſo
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/409>, abgerufen am 25.11.2024.
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