in Verbindung mit einigen solchen Koelreuter's zu sammeln und unter dem Titel R. J. Camerarii opuscula botanici argumenti1797 (Pragae) herauszugeben. Ich werde mich hier ganz vorwiegend an dieses, wie es scheint, nur wenig be- kannte Buch halten. Die kleinen vorläufigen Mittheilungen des Camerarius sind daselbst aus dem neunten und zehnten Jahrgang der zweiten und aus dem fünften und sechsten Jahr- gang der dritten Dekurie der Ephemeriden der Leopoldina wörtlich abgedruckt; der uns später beschäftigende Brief an Va- lentin nach J. G. Gmelin's Ausgabe von 1749 wiederge- geben; ebenso ein Auszug desselben und eine Antwort des Valentin.
Camerarius hatte beobachtet, daß ein weiblicher Maul- beerbaum einmal Frucht trug, obwohl kein männlicher Baum (amentaceis floribus) in der Nähe war, daß aber die Beeren nur taube, hohle Samen enthielten, welche er mit den unbe- fruchteten Windeiern der Vögel verglich. Durch diese Beob- achtung aufmerksam geworden, machte er nun das erste Experi- ment mit einer anderen zweihäusigen Pflanze, dem Bingelkraut (Mercurialis annua); er nahm von den freiwachsenden Pflanzen Ende Mai zwei weibliche Exemplare (die man früher als männ- liche bezeichnete, die er jedoch als die weiblichen erkannte), setzte sie in Töpfe und sonderte sie von anderen ab. Die Pflanzen gediehen vortrefflich, die Früchte schwollen zahlreich an, halb reif aber begannen sie zu vertrocknen und nicht eine brachte vollen Samen; seine Mittheilung darüber ist vom 28. Dezember 1691 datirt. In der dritten Dekurie der Ephemeriden annus V erzählt er, daß er in einer Aussaat von Spinat neben diöcischen Pflanzen auch monöcische gefunden habe, dasselbe habe Ray bei Urtica romana beobachtet, was Camerarius an drei anderen Arten bestätigt fand. Die Nichtbeachtung dieser Thatsache hat später vielfach irrige Deutung der Experimente und Zweifel an der Sexualität veranlaßt.
schlecht der Pflanzen betreffenden Abhandlungen des Camerarius zeichnen sich vor denen ihrer Zeit durch geistvolle Auffassung und klare Darstellung aus.
Sachs, Geschichte der Botanik. 27
Rudolph Jacob Camerarius.
in Verbindung mit einigen ſolchen Koelreuter's zu ſammeln und unter dem Titel R. J. Camerarii opuscula botanici argumenti1797 (Pragae) herauszugeben. Ich werde mich hier ganz vorwiegend an dieſes, wie es ſcheint, nur wenig be- kannte Buch halten. Die kleinen vorläufigen Mittheilungen des Camerarius ſind daſelbſt aus dem neunten und zehnten Jahrgang der zweiten und aus dem fünften und ſechſten Jahr- gang der dritten Dekurie der Ephemeriden der Leopoldina wörtlich abgedruckt; der uns ſpäter beſchäftigende Brief an Va- lentin nach J. G. Gmelin's Ausgabe von 1749 wiederge- geben; ebenſo ein Auszug desſelben und eine Antwort des Valentin.
Camerarius hatte beobachtet, daß ein weiblicher Maul- beerbaum einmal Frucht trug, obwohl kein männlicher Baum (amentaceis floribus) in der Nähe war, daß aber die Beeren nur taube, hohle Samen enthielten, welche er mit den unbe- fruchteten Windeiern der Vögel verglich. Durch dieſe Beob- achtung aufmerkſam geworden, machte er nun das erſte Experi- ment mit einer anderen zweihäuſigen Pflanze, dem Bingelkraut (Mercurialis annua); er nahm von den freiwachſenden Pflanzen Ende Mai zwei weibliche Exemplare (die man früher als männ- liche bezeichnete, die er jedoch als die weiblichen erkannte), ſetzte ſie in Töpfe und ſonderte ſie von anderen ab. Die Pflanzen gediehen vortrefflich, die Früchte ſchwollen zahlreich an, halb reif aber begannen ſie zu vertrocknen und nicht eine brachte vollen Samen; ſeine Mittheilung darüber iſt vom 28. Dezember 1691 datirt. In der dritten Dekurie der Ephemeriden annus V erzählt er, daß er in einer Ausſaat von Spinat neben diöciſchen Pflanzen auch monöciſche gefunden habe, dasſelbe habe Ray bei Urtica romana beobachtet, was Camerarius an drei anderen Arten beſtätigt fand. Die Nichtbeachtung dieſer Thatſache hat ſpäter vielfach irrige Deutung der Experimente und Zweifel an der Sexualität veranlaßt.
ſchlecht der Pflanzen betreffenden Abhandlungen des Camerarius zeichnen ſich vor denen ihrer Zeit durch geiſtvolle Auffaſſung und klare Darſtellung aus.
Sachs, Geſchichte der Botanik. 27
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Rudolph Jacob Camerarius.
1)
in Verbindung mit einigen ſolchen Koelreuter's zu ſammeln
und unter dem Titel R. J. Camerarii opuscula botanici
argumenti1797 (Pragae) herauszugeben. Ich werde mich
hier ganz vorwiegend an dieſes, wie es ſcheint, nur wenig be-
kannte Buch halten. Die kleinen vorläufigen Mittheilungen
des Camerarius ſind daſelbſt aus dem neunten und zehnten
Jahrgang der zweiten und aus dem fünften und ſechſten Jahr-
gang der dritten Dekurie der Ephemeriden der Leopoldina
wörtlich abgedruckt; der uns ſpäter beſchäftigende Brief an Va-
lentin nach J. G. Gmelin's Ausgabe von 1749 wiederge-
geben; ebenſo ein Auszug desſelben und eine Antwort des
Valentin.
Camerarius hatte beobachtet, daß ein weiblicher Maul-
beerbaum einmal Frucht trug, obwohl kein männlicher Baum
(amentaceis floribus) in der Nähe war, daß aber die Beeren
nur taube, hohle Samen enthielten, welche er mit den unbe-
fruchteten Windeiern der Vögel verglich. Durch dieſe Beob-
achtung aufmerkſam geworden, machte er nun das erſte Experi-
ment mit einer anderen zweihäuſigen Pflanze, dem Bingelkraut
(Mercurialis annua); er nahm von den freiwachſenden Pflanzen
Ende Mai zwei weibliche Exemplare (die man früher als männ-
liche bezeichnete, die er jedoch als die weiblichen erkannte), ſetzte
ſie in Töpfe und ſonderte ſie von anderen ab. Die Pflanzen
gediehen vortrefflich, die Früchte ſchwollen zahlreich an, halb reif
aber begannen ſie zu vertrocknen und nicht eine brachte vollen
Samen; ſeine Mittheilung darüber iſt vom 28. Dezember 1691
datirt. In der dritten Dekurie der Ephemeriden annus V erzählt
er, daß er in einer Ausſaat von Spinat neben diöciſchen Pflanzen
auch monöciſche gefunden habe, dasſelbe habe Ray bei Urtica
romana beobachtet, was Camerarius an drei anderen Arten
beſtätigt fand. Die Nichtbeachtung dieſer Thatſache hat ſpäter
vielfach irrige Deutung der Experimente und Zweifel an der
Sexualität veranlaßt.
1) ſchlecht der Pflanzen betreffenden Abhandlungen des Camerarius zeichnen
ſich vor denen ihrer Zeit durch geiſtvolle Auffaſſung und klare Darſtellung aus.
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/429>, abgerufen am 17.06.2024.
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