Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Rudolph Jacob Camerarius (coma) geschickt abgeschnitten, worauf die beiden Kolben völligohne Samen blieben, obgleich die Zahl der tauben Schalen (vesicularum) sehr groß war." Betreffs der diöcischen Pflanzen Morus und Mercurialis verweist er auf seine früheren Mittheilungen in den Ephemeriden und auch der Spinat habe diese Resultate bestätigt. Nach dem Hinweis auf ähnliche Verhält- nisse bei den Thieren fährt er fort: "Im Pflanzenreich findet keine Erzeugung durch Samen, dieses vollkommenste Geschenk der Natur, dieses allgemeine Mittel zur Erhaltung der Species statt, wenn nicht vorher die Antheren, die in dem Samen enthaltene junge Pflanze vorbereitet haben (nisi praecedanei florum apices prius ipsam plantam debite praeparaverint). Es scheint daher gerechtfertigt, jenen apices einen edleren Namen beizulegen und die Bedeutung von männlichen Geschlechtsorganen, da die Kapseln derselben Behälter sind, in welchen der Same selbst, nämlich jenes Pulver, der subtilste Theil der Pflanze, secernirt und gesammelt wird, um von hier aus später abgegeben zu werden. Ebenso leuchtet ein, daß der Fruchtknoten mit seinem Griffel (seminale vasculum cum sua plumula sive stilo) das weibliche Geschlechtsorgan der Pflanze darstellt." Weiterhin geht er auf des Aristoteles Theorie der vermischten Geschlechter der Pflanzen ein und führt Swammerdam's Entdeckung des Hermaphroditismus der Schnecken an, was bei Thieren Ausnahme, bei den Pflanzen aber Regel sei. Ein Irrthum, der aber erst hundert Jahre später durch Konrad Sprengel erkannt und endlich in neuester Zeit vollkommen widerlegt worden ist, war es allerdings, wenn Camerarius glaubte, daß die herma- phroditischen Blüthen sich selbst befruchten, was er im Vergleich mit den Schnecken sehr sonderbar findet, was aber die meisten Botaniker trotz Koelreuter und Sprengel bis auf die neueste Zeit nicht sonderbar gefunden haben. Daß man am Schluß des 17. Jahrhunderts die Sexualität der Pflanzen höchstens im bildlichen Sinne gelten ließ (wobei Ray ausgenommen werden muß), daß aber Camerarius dieselbe ganz in demselben Sinne, wie bei den Thieren auffaßte, und diese Auffassung zur 27*
Rudolph Jacob Camerarius (coma) geſchickt abgeſchnitten, worauf die beiden Kolben völligohne Samen blieben, obgleich die Zahl der tauben Schalen (vesicularum) ſehr groß war.“ Betreffs der diöciſchen Pflanzen Morus und Mercurialis verweiſt er auf ſeine früheren Mittheilungen in den Ephemeriden und auch der Spinat habe dieſe Reſultate beſtätigt. Nach dem Hinweis auf ähnliche Verhält- niſſe bei den Thieren fährt er fort: „Im Pflanzenreich findet keine Erzeugung durch Samen, dieſes vollkommenſte Geſchenk der Natur, dieſes allgemeine Mittel zur Erhaltung der Species ſtatt, wenn nicht vorher die Antheren, die in dem Samen enthaltene junge Pflanze vorbereitet haben (nisi praecedanei florum apices prius ipsam plantam debite praeparaverint). Es ſcheint daher gerechtfertigt, jenen apices einen edleren Namen beizulegen und die Bedeutung von männlichen Geſchlechtsorganen, da die Kapſeln derſelben Behälter ſind, in welchen der Same ſelbſt, nämlich jenes Pulver, der ſubtilſte Theil der Pflanze, ſecernirt und geſammelt wird, um von hier aus ſpäter abgegeben zu werden. Ebenſo leuchtet ein, daß der Fruchtknoten mit ſeinem Griffel (seminale vasculum cum sua plumula sive stilo) das weibliche Geſchlechtsorgan der Pflanze darſtellt.“ Weiterhin geht er auf des Ariſtoteles Theorie der vermiſchten Geſchlechter der Pflanzen ein und führt Swammerdam's Entdeckung des Hermaphroditismus der Schnecken an, was bei Thieren Ausnahme, bei den Pflanzen aber Regel ſei. Ein Irrthum, der aber erſt hundert Jahre ſpäter durch Konrad Sprengel erkannt und endlich in neueſter Zeit vollkommen widerlegt worden iſt, war es allerdings, wenn Camerarius glaubte, daß die herma- phroditiſchen Blüthen ſich ſelbſt befruchten, was er im Vergleich mit den Schnecken ſehr ſonderbar findet, was aber die meiſten Botaniker trotz Koelreuter und Sprengel bis auf die neueſte Zeit nicht ſonderbar gefunden haben. Daß man am Schluß des 17. Jahrhunderts die Sexualität der Pflanzen höchſtens im bildlichen Sinne gelten ließ (wobei Ray ausgenommen werden muß), daß aber Camerarius dieſelbe ganz in demſelben Sinne, wie bei den Thieren auffaßte, und dieſe Auffaſſung zur 27*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0431" n="419"/><fw place="top" type="header">Rudolph Jacob Camerarius</fw><lb/> (<hi rendition="#aq">coma</hi>) geſchickt abgeſchnitten, worauf die beiden Kolben völlig<lb/> ohne Samen blieben, obgleich die Zahl der tauben Schalen<lb/> (<hi rendition="#aq">vesicularum</hi>) ſehr groß war.“ Betreffs der diöciſchen Pflanzen<lb/><hi rendition="#g">Morus</hi> und <hi rendition="#g">Mercurialis</hi> verweiſt er auf ſeine früheren<lb/> Mittheilungen in den Ephemeriden und auch der Spinat habe<lb/> dieſe Reſultate beſtätigt. Nach dem Hinweis auf ähnliche Verhält-<lb/> niſſe bei den Thieren fährt er fort: „Im Pflanzenreich findet<lb/> keine Erzeugung durch Samen, dieſes vollkommenſte Geſchenk der<lb/> Natur, dieſes allgemeine Mittel zur Erhaltung der Species ſtatt,<lb/> wenn nicht vorher die Antheren, die in dem Samen enthaltene<lb/> junge Pflanze vorbereitet haben (<hi rendition="#aq">nisi praecedanei florum apices<lb/> prius ipsam plantam debite praeparaverint</hi>). Es ſcheint<lb/> daher gerechtfertigt, jenen <hi rendition="#aq">apices</hi> einen edleren Namen beizulegen<lb/> und die Bedeutung von männlichen Geſchlechtsorganen, da die<lb/> Kapſeln derſelben Behälter ſind, in welchen der Same ſelbſt,<lb/> nämlich jenes Pulver, der ſubtilſte Theil der Pflanze, ſecernirt<lb/> und geſammelt wird, um von hier aus ſpäter abgegeben zu<lb/> werden. Ebenſo leuchtet ein, daß der Fruchtknoten mit ſeinem<lb/> Griffel (<hi rendition="#aq">seminale vasculum cum sua plumula sive stilo</hi>)<lb/> das weibliche Geſchlechtsorgan der Pflanze darſtellt.“ Weiterhin<lb/> geht er auf des <hi rendition="#g">Ariſtoteles</hi> Theorie der vermiſchten Geſchlechter<lb/> der Pflanzen ein und führt <hi rendition="#g">Swammerdam</hi>'s Entdeckung des<lb/> Hermaphroditismus der Schnecken an, was bei Thieren Ausnahme,<lb/> bei den Pflanzen aber Regel ſei. Ein Irrthum, der aber erſt<lb/> hundert Jahre ſpäter durch <hi rendition="#g">Konrad Sprengel</hi> erkannt und<lb/> endlich in neueſter Zeit vollkommen widerlegt worden iſt, war<lb/> es allerdings, wenn <hi rendition="#g">Camerarius</hi> glaubte, daß die herma-<lb/> phroditiſchen Blüthen ſich ſelbſt befruchten, was er im Vergleich<lb/> mit den Schnecken ſehr ſonderbar findet, was aber die meiſten<lb/> Botaniker trotz <hi rendition="#g">Koelreuter</hi> und <hi rendition="#g">Sprengel</hi> bis auf die neueſte<lb/> Zeit nicht ſonderbar gefunden haben. Daß man am Schluß<lb/> des 17. Jahrhunderts die Sexualität der Pflanzen höchſtens im<lb/> bildlichen Sinne gelten ließ (wobei <hi rendition="#g">Ray</hi> ausgenommen werden<lb/> muß), daß aber <hi rendition="#g">Camerarius</hi> dieſelbe ganz in demſelben<lb/> Sinne, wie bei den Thieren auffaßte, und dieſe Auffaſſung zur<lb/> <fw place="bottom" type="sig">27*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [419/0431]
Rudolph Jacob Camerarius
(coma) geſchickt abgeſchnitten, worauf die beiden Kolben völlig
ohne Samen blieben, obgleich die Zahl der tauben Schalen
(vesicularum) ſehr groß war.“ Betreffs der diöciſchen Pflanzen
Morus und Mercurialis verweiſt er auf ſeine früheren
Mittheilungen in den Ephemeriden und auch der Spinat habe
dieſe Reſultate beſtätigt. Nach dem Hinweis auf ähnliche Verhält-
niſſe bei den Thieren fährt er fort: „Im Pflanzenreich findet
keine Erzeugung durch Samen, dieſes vollkommenſte Geſchenk der
Natur, dieſes allgemeine Mittel zur Erhaltung der Species ſtatt,
wenn nicht vorher die Antheren, die in dem Samen enthaltene
junge Pflanze vorbereitet haben (nisi praecedanei florum apices
prius ipsam plantam debite praeparaverint). Es ſcheint
daher gerechtfertigt, jenen apices einen edleren Namen beizulegen
und die Bedeutung von männlichen Geſchlechtsorganen, da die
Kapſeln derſelben Behälter ſind, in welchen der Same ſelbſt,
nämlich jenes Pulver, der ſubtilſte Theil der Pflanze, ſecernirt
und geſammelt wird, um von hier aus ſpäter abgegeben zu
werden. Ebenſo leuchtet ein, daß der Fruchtknoten mit ſeinem
Griffel (seminale vasculum cum sua plumula sive stilo)
das weibliche Geſchlechtsorgan der Pflanze darſtellt.“ Weiterhin
geht er auf des Ariſtoteles Theorie der vermiſchten Geſchlechter
der Pflanzen ein und führt Swammerdam's Entdeckung des
Hermaphroditismus der Schnecken an, was bei Thieren Ausnahme,
bei den Pflanzen aber Regel ſei. Ein Irrthum, der aber erſt
hundert Jahre ſpäter durch Konrad Sprengel erkannt und
endlich in neueſter Zeit vollkommen widerlegt worden iſt, war
es allerdings, wenn Camerarius glaubte, daß die herma-
phroditiſchen Blüthen ſich ſelbſt befruchten, was er im Vergleich
mit den Schnecken ſehr ſonderbar findet, was aber die meiſten
Botaniker trotz Koelreuter und Sprengel bis auf die neueſte
Zeit nicht ſonderbar gefunden haben. Daß man am Schluß
des 17. Jahrhunderts die Sexualität der Pflanzen höchſtens im
bildlichen Sinne gelten ließ (wobei Ray ausgenommen werden
muß), daß aber Camerarius dieſelbe ganz in demſelben
Sinne, wie bei den Thieren auffaßte, und dieſe Auffaſſung zur
27*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |