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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Sexualtheorie.
derselbe 1717 seine Vorlesung am Jardin de roy in Paris er-
öffnete, habe ich nicht zu Gesicht bekommen; De Candolle
jedoch, der ihm eine ganz besondere Bedeutung für die Entwick-
lung der Sexualtheorie beimißt, sagt 1), daß er in dieser Rede
"die Sexualität der Pflanzen auf das Förmlichste und als
eine zu seiner Zeit bekannte Sache aufstellte", und ferner
"Vaillant beschreibe sehr malerisch, auf welche Weise die
Staubgefäße den Stempel befruchten," wobei wohl nicht viel
Richtiges untergelaufen sein mag, da erst Koelreuter, Konrad
Sprengel und die Botaniker der neuesten Zeit gerade über diesen
letzten Punct ins Reine gekommen sind. Vaillant's Verdienst
dürfte sich also auf eine rhethorische Schilderung des damals
Bekannten beschränken. Dennoch fährt De Candolle fort
"Vaillant's Entdeckungen wurden u. s. w.", sowie es auf
der folgenden Seite daselbst heißt: "Linne bestätigte diese Ent-
deckungen im Jahre 1736 in seinen Fundamenta botanica
und benutzte dieselbe im Jahre 1735 bei der Begründung seines
Sexualsystems auf eine geschickte Weise." Welche Verwirrung
der Begriffe diesen und vielen ähnlichen Angaben zu Grunde
liegt, habe ich schon oben p. 88 gezeigt und wie es mit Linne's
Verdiensten um die Constatirung der Sexualität aussah, wird
man aus meiner Darstellung im 1. Buch p. 93-95 bereits
zur Genüge entnommen haben. Linne's ganze geistige Anlage
brachte es mit sich, daß er auf den experimentellen Nachweis
einer Thatsache, auch wenn sie, wie die Sexualität, nur und aus-
schließlich experimentell bewiesen werden kann, doch nur unbe-
deutenden Werth legte; auf seinem scholastisch philosophischen
Standpunct war es ihm viel wichtiger, die Existenz dieser That-
sache philosophisch, wie er meinte, aus dem Begriff der Pflanze
oder aus der Vernunft abzuleiten und dabei verschiedene Ana-
logieen von den Thieren herbeizuziehen; daher ließ er des Came-
rarius Verdienst zwar gelten, kümmerte sich jedoch wenig
um die allein entscheidenden Experimente desselben, während er

1) Pflanzenphysiologie übersetzt von Roeper II. 1835. p. 82.

Geſchichte der Sexualtheorie.
derſelbe 1717 ſeine Vorleſung am Jardin de roy in Paris er-
öffnete, habe ich nicht zu Geſicht bekommen; De Candolle
jedoch, der ihm eine ganz beſondere Bedeutung für die Entwick-
lung der Sexualtheorie beimißt, ſagt 1), daß er in dieſer Rede
„die Sexualität der Pflanzen auf das Förmlichſte und als
eine zu ſeiner Zeit bekannte Sache aufſtellte“, und ferner
Vaillant beſchreibe ſehr maleriſch, auf welche Weiſe die
Staubgefäße den Stempel befruchten,“ wobei wohl nicht viel
Richtiges untergelaufen ſein mag, da erſt Koelreuter, Konrad
Sprengel und die Botaniker der neueſten Zeit gerade über dieſen
letzten Punct ins Reine gekommen ſind. Vaillant's Verdienſt
dürfte ſich alſo auf eine rhethoriſche Schilderung des damals
Bekannten beſchränken. Dennoch fährt De Candolle fort
Vaillant's Entdeckungen wurden u. ſ. w.“, ſowie es auf
der folgenden Seite daſelbſt heißt: „Linné beſtätigte dieſe Ent-
deckungen im Jahre 1736 in ſeinen Fundamenta botanica
und benutzte dieſelbe im Jahre 1735 bei der Begründung ſeines
Sexualſyſtems auf eine geſchickte Weiſe.“ Welche Verwirrung
der Begriffe dieſen und vielen ähnlichen Angaben zu Grunde
liegt, habe ich ſchon oben p. 88 gezeigt und wie es mit Linné's
Verdienſten um die Conſtatirung der Sexualität ausſah, wird
man aus meiner Darſtellung im 1. Buch p. 93-95 bereits
zur Genüge entnommen haben. Linné's ganze geiſtige Anlage
brachte es mit ſich, daß er auf den experimentellen Nachweis
einer Thatſache, auch wenn ſie, wie die Sexualität, nur und aus-
ſchließlich experimentell bewieſen werden kann, doch nur unbe-
deutenden Werth legte; auf ſeinem ſcholaſtiſch philoſophiſchen
Standpunct war es ihm viel wichtiger, die Exiſtenz dieſer That-
ſache philoſophiſch, wie er meinte, aus dem Begriff der Pflanze
oder aus der Vernunft abzuleiten und dabei verſchiedene Ana-
logieen von den Thieren herbeizuziehen; daher ließ er des Came-
rarius Verdienſt zwar gelten, kümmerte ſich jedoch wenig
um die allein entſcheidenden Experimente desſelben, während er

1) Pflanzenphyſiologie überſetzt von Roeper II. 1835. p. 82.
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[430/0442] Geſchichte der Sexualtheorie. derſelbe 1717 ſeine Vorleſung am Jardin de roy in Paris er- öffnete, habe ich nicht zu Geſicht bekommen; De Candolle jedoch, der ihm eine ganz beſondere Bedeutung für die Entwick- lung der Sexualtheorie beimißt, ſagt 1), daß er in dieſer Rede „die Sexualität der Pflanzen auf das Förmlichſte und als eine zu ſeiner Zeit bekannte Sache aufſtellte“, und ferner „Vaillant beſchreibe ſehr maleriſch, auf welche Weiſe die Staubgefäße den Stempel befruchten,“ wobei wohl nicht viel Richtiges untergelaufen ſein mag, da erſt Koelreuter, Konrad Sprengel und die Botaniker der neueſten Zeit gerade über dieſen letzten Punct ins Reine gekommen ſind. Vaillant's Verdienſt dürfte ſich alſo auf eine rhethoriſche Schilderung des damals Bekannten beſchränken. Dennoch fährt De Candolle fort „Vaillant's Entdeckungen wurden u. ſ. w.“, ſowie es auf der folgenden Seite daſelbſt heißt: „Linné beſtätigte dieſe Ent- deckungen im Jahre 1736 in ſeinen Fundamenta botanica und benutzte dieſelbe im Jahre 1735 bei der Begründung ſeines Sexualſyſtems auf eine geſchickte Weiſe.“ Welche Verwirrung der Begriffe dieſen und vielen ähnlichen Angaben zu Grunde liegt, habe ich ſchon oben p. 88 gezeigt und wie es mit Linné's Verdienſten um die Conſtatirung der Sexualität ausſah, wird man aus meiner Darſtellung im 1. Buch p. 93-95 bereits zur Genüge entnommen haben. Linné's ganze geiſtige Anlage brachte es mit ſich, daß er auf den experimentellen Nachweis einer Thatſache, auch wenn ſie, wie die Sexualität, nur und aus- ſchließlich experimentell bewieſen werden kann, doch nur unbe- deutenden Werth legte; auf ſeinem ſcholaſtiſch philoſophiſchen Standpunct war es ihm viel wichtiger, die Exiſtenz dieſer That- ſache philoſophiſch, wie er meinte, aus dem Begriff der Pflanze oder aus der Vernunft abzuleiten und dabei verſchiedene Ana- logieen von den Thieren herbeizuziehen; daher ließ er des Came- rarius Verdienſt zwar gelten, kümmerte ſich jedoch wenig um die allein entſcheidenden Experimente desſelben, während er 1) Pflanzenphyſiologie überſetzt von Roeper II. 1835. p. 82.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/442>, abgerufen am 28.11.2024.