hilfe der männlichen entwicklungsfähige Embryonen erzeugen können, konnte es sich nicht etwa mehr darum handeln, in diesen als Parthenogenesis bezeichneten Vorkommnissen Beweise gegen die allgemeine Sexualität zu finden; vielmehr konnte es nur darauf ankommen, derartige Vorkommnisse zunächst bezüglich der Thatsache selbst genau zu prüfen und die Fragen so zurecht zu legen, daß sie neben der bestehenden Sexualität noch einen ver- nünftigen Sinn behielten, ähnlich wie dieß auch bei den ent- sprechenden Erscheinungen im Thierreich nöthig war.
Dem umfassenden Werke Gärtners über die Bastard- befruchtung waren bereits einige andere Untersuchungen über dasselbe Thema vorausgegangen: die schon erwähnten Knight's am Anfang des Jahrhunderts und die ausführlicheren von Wil- liam Herbert, in dessen Werk über die Amaryllideen 1837. Gärtner unterließ nicht, seine eigenen Untersuchungen überall mit den Ergebnissen seiner Vorgänger, ganz besonders aber mit denen Koelreuter's zu vergleichen und aus dem ganzen erstaun- lich großen Beobachtungsmaterial eine Reihe von allgemeinen Sätzen über die Bedingungen, unter denen Bastardirung über- haupt möglich ist und über den Erfolg der Kreuzung, sowie über die Ursachen des Mißerfolges zu ziehen. Von ganz be- sonderem Interesse waren seine vermischten und zusammengesetzten Bastarde, die Versuche über die verschiedenen Gradationen des Ein- flusses, den fremder Pollen auf das Verhalten der weiblichen Organe ausübt, die Beziehung zu der Varietätenbildung. Es ist auch hier ganz unmöglich, die Resultate Gärtner's bestimmter zu verzeichnen, ohne uns geradezu in sachliche Dis- kussionen einzulassen, welche weit über ein historisches Referat hinausgehen würden. Es ist dies auch um so weniger nöthig, als Nägeli 1865 es unternommen hat, aus der ganzen Fülle des von Koelreuter, William Herbert und Gärtner gelieferten Materials eine Reihe von Sätzen abzuleiten, welche in mehr übersichtlicher Form alle wesentlichen Ergebnisse zusammenfassen. 1)
1) In Kürze sind dieselben referirt in meinem Lehrbuch der Botanik, Leipzig 1868-74.
Geſchichte der Sexualtheorie.
hilfe der männlichen entwicklungsfähige Embryonen erzeugen können, konnte es ſich nicht etwa mehr darum handeln, in dieſen als Parthenogeneſis bezeichneten Vorkommniſſen Beweiſe gegen die allgemeine Sexualität zu finden; vielmehr konnte es nur darauf ankommen, derartige Vorkommniſſe zunächſt bezüglich der Thatſache ſelbſt genau zu prüfen und die Fragen ſo zurecht zu legen, daß ſie neben der beſtehenden Sexualität noch einen ver- nünftigen Sinn behielten, ähnlich wie dieß auch bei den ent- ſprechenden Erſcheinungen im Thierreich nöthig war.
Dem umfaſſenden Werke Gärtners über die Baſtard- befruchtung waren bereits einige andere Unterſuchungen über dasſelbe Thema vorausgegangen: die ſchon erwähnten Knight's am Anfang des Jahrhunderts und die ausführlicheren von Wil- liam Herbert, in deſſen Werk über die Amaryllideen 1837. Gärtner unterließ nicht, ſeine eigenen Unterſuchungen überall mit den Ergebniſſen ſeiner Vorgänger, ganz beſonders aber mit denen Koelreuter's zu vergleichen und aus dem ganzen erſtaun- lich großen Beobachtungsmaterial eine Reihe von allgemeinen Sätzen über die Bedingungen, unter denen Baſtardirung über- haupt möglich iſt und über den Erfolg der Kreuzung, ſowie über die Urſachen des Mißerfolges zu ziehen. Von ganz be- ſonderem Intereſſe waren ſeine vermiſchten und zuſammengeſetzten Baſtarde, die Verſuche über die verſchiedenen Gradationen des Ein- fluſſes, den fremder Pollen auf das Verhalten der weiblichen Organe ausübt, die Beziehung zu der Varietätenbildung. Es iſt auch hier ganz unmöglich, die Reſultate Gärtner's beſtimmter zu verzeichnen, ohne uns geradezu in ſachliche Dis- kuſſionen einzulaſſen, welche weit über ein hiſtoriſches Referat hinausgehen würden. Es iſt dies auch um ſo weniger nöthig, als Nägeli 1865 es unternommen hat, aus der ganzen Fülle des von Koelreuter, William Herbert und Gärtner gelieferten Materials eine Reihe von Sätzen abzuleiten, welche in mehr überſichtlicher Form alle weſentlichen Ergebniſſe zuſammenfaſſen. 1)
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Geſchichte der Sexualtheorie.
hilfe der männlichen entwicklungsfähige Embryonen erzeugen
können, konnte es ſich nicht etwa mehr darum handeln, in dieſen
als Parthenogeneſis bezeichneten Vorkommniſſen Beweiſe gegen
die allgemeine Sexualität zu finden; vielmehr konnte es nur
darauf ankommen, derartige Vorkommniſſe zunächſt bezüglich der
Thatſache ſelbſt genau zu prüfen und die Fragen ſo zurecht zu
legen, daß ſie neben der beſtehenden Sexualität noch einen ver-
nünftigen Sinn behielten, ähnlich wie dieß auch bei den ent-
ſprechenden Erſcheinungen im Thierreich nöthig war.
Dem umfaſſenden Werke Gärtners über die Baſtard-
befruchtung waren bereits einige andere Unterſuchungen über
dasſelbe Thema vorausgegangen: die ſchon erwähnten Knight's
am Anfang des Jahrhunderts und die ausführlicheren von Wil-
liam Herbert, in deſſen Werk über die Amaryllideen 1837.
Gärtner unterließ nicht, ſeine eigenen Unterſuchungen überall
mit den Ergebniſſen ſeiner Vorgänger, ganz beſonders aber mit
denen Koelreuter's zu vergleichen und aus dem ganzen erſtaun-
lich großen Beobachtungsmaterial eine Reihe von allgemeinen
Sätzen über die Bedingungen, unter denen Baſtardirung über-
haupt möglich iſt und über den Erfolg der Kreuzung, ſowie
über die Urſachen des Mißerfolges zu ziehen. Von ganz be-
ſonderem Intereſſe waren ſeine vermiſchten und zuſammengeſetzten
Baſtarde, die Verſuche über die verſchiedenen Gradationen des Ein-
fluſſes, den fremder Pollen auf das Verhalten der weiblichen
Organe ausübt, die Beziehung zu der Varietätenbildung. Es
iſt auch hier ganz unmöglich, die Reſultate Gärtner's
beſtimmter zu verzeichnen, ohne uns geradezu in ſachliche Dis-
kuſſionen einzulaſſen, welche weit über ein hiſtoriſches Referat
hinausgehen würden. Es iſt dies auch um ſo weniger nöthig,
als Nägeli 1865 es unternommen hat, aus der ganzen Fülle
des von Koelreuter, William Herbert und Gärtner gelieferten
Materials eine Reihe von Sätzen abzuleiten, welche in mehr
überſichtlicher Form alle weſentlichen Ergebniſſe zuſammenfaſſen.
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1) In Kürze ſind dieſelben referirt in meinem Lehrbuch der Botanik,
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/476>, abgerufen am 22.11.2024.
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