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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die deutschen und niederländischen Botaniker
Ordnung alle leicht wahrnehmbaren Theile der Pflanze beachtet:
Form der Wurzel, Höhe und Form des Stengels, Eigenschaften
der Blätter, Blüthe, Frucht und des Samens werden in knappen
Sätzen aufgeführt; selten nimmt eine Beschreibung mehr als 20
kurze Zeilen ein, die Description der einzelnen Art ist hier in
der That zu einer Kunst ausgebildet, die Beschreibung zur Diag-
nose geworden.

Noch höher ist es anzuschlagen, daß bei Caspar Bauhin
die Unterscheidung von Species und Gattung schon vollständig
und mit Bewußtsein durchgeführt wird; jede Pflanze besitzt bei
ihm einen Gattungs- und einen Species-Namen und diese binäre
Nomenklatur als deren Begründer gewöhnlich Linne betrachtet
wird, ist besonders im Pinax des Bauhin beinahe vollständig
durchgeführt; häufig wird freilich dem zweiten Wort, dem Species-
namen, noch ein drittes und viertes hinzugefügt; man bemerkt
aber leicht, daß dies ein bloßer Nothbehelf ist. Viel merkwür-
diger ist dagegen, daß Bauhin seinen Gattungsnamen keine
Diagnosen beigegeben hat; es ist eben nur der Name, woran
man erkennt, daß mehrere Species zu einer Gattung gehören;
fast möchte man glauben, daß die Gattungscharakteristik durch
die wunderliche, jedem Gattungsnamen mit gesperrter Schrift
beigegebene etymologische Erläuterung ersetzt werden soll.
Derartige ganz aus der Luft gegriffene Etymologieen haben sich
bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erhalten, bis endlich Tour-
nefort
dem Unwesen entgegentrat. Es war darin noch ein
gutes Stück aristotelisch-scholastischer Denkweise enthalten, welche
aus der ursprünglichen Bedeutung des Namens das Wesen der
Dinge begreifen zu können glaubte.

Nichts zeigt so sehr den Ernst der Forschung Bauhin's,
als die Thatsache, daß er eine 40jährige Arbeit seinem Pinax
widmete, um für jede von ihm aufgeführte Species nachzuweisen,
wie dieselbe bei den früheren Botanikern genannt wurde. Schon
das oben aus Fuchs angeführte Beispiel zeigt, wie zahlreich
bereits die Benennung einer Pflanze um die Mitte des 16.
Jahrhunderts war, ja schon bei Dioscorides und Plinius

Die deutſchen und niederländiſchen Botaniker
Ordnung alle leicht wahrnehmbaren Theile der Pflanze beachtet:
Form der Wurzel, Höhe und Form des Stengels, Eigenſchaften
der Blätter, Blüthe, Frucht und des Samens werden in knappen
Sätzen aufgeführt; ſelten nimmt eine Beſchreibung mehr als 20
kurze Zeilen ein, die Description der einzelnen Art iſt hier in
der That zu einer Kunſt ausgebildet, die Beſchreibung zur Diag-
noſe geworden.

Noch höher iſt es anzuſchlagen, daß bei Caſpar Bauhin
die Unterſcheidung von Species und Gattung ſchon vollſtändig
und mit Bewußtſein durchgeführt wird; jede Pflanze beſitzt bei
ihm einen Gattungs- und einen Species-Namen und dieſe binäre
Nomenklatur als deren Begründer gewöhnlich Linné betrachtet
wird, iſt beſonders im Pinax des Bauhin beinahe vollſtändig
durchgeführt; häufig wird freilich dem zweiten Wort, dem Species-
namen, noch ein drittes und viertes hinzugefügt; man bemerkt
aber leicht, daß dies ein bloßer Nothbehelf iſt. Viel merkwür-
diger iſt dagegen, daß Bauhin ſeinen Gattungsnamen keine
Diagnoſen beigegeben hat; es iſt eben nur der Name, woran
man erkennt, daß mehrere Species zu einer Gattung gehören;
faſt möchte man glauben, daß die Gattungscharakteriſtik durch
die wunderliche, jedem Gattungsnamen mit geſperrter Schrift
beigegebene etymologiſche Erläuterung erſetzt werden ſoll.
Derartige ganz aus der Luft gegriffene Etymologieen haben ſich
bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erhalten, bis endlich Tour-
nefort
dem Unweſen entgegentrat. Es war darin noch ein
gutes Stück ariſtoteliſch-ſcholaſtiſcher Denkweiſe enthalten, welche
aus der urſprünglichen Bedeutung des Namens das Weſen der
Dinge begreifen zu können glaubte.

Nichts zeigt ſo ſehr den Ernſt der Forſchung Bauhin's,
als die Thatſache, daß er eine 40jährige Arbeit ſeinem Pinax
widmete, um für jede von ihm aufgeführte Species nachzuweiſen,
wie dieſelbe bei den früheren Botanikern genannt wurde. Schon
das oben aus Fuchs angeführte Beiſpiel zeigt, wie zahlreich
bereits die Benennung einer Pflanze um die Mitte des 16.
Jahrhunderts war, ja ſchon bei Dioscorides und Plinius

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[36/0048] Die deutſchen und niederländiſchen Botaniker Ordnung alle leicht wahrnehmbaren Theile der Pflanze beachtet: Form der Wurzel, Höhe und Form des Stengels, Eigenſchaften der Blätter, Blüthe, Frucht und des Samens werden in knappen Sätzen aufgeführt; ſelten nimmt eine Beſchreibung mehr als 20 kurze Zeilen ein, die Description der einzelnen Art iſt hier in der That zu einer Kunſt ausgebildet, die Beſchreibung zur Diag- noſe geworden. Noch höher iſt es anzuſchlagen, daß bei Caſpar Bauhin die Unterſcheidung von Species und Gattung ſchon vollſtändig und mit Bewußtſein durchgeführt wird; jede Pflanze beſitzt bei ihm einen Gattungs- und einen Species-Namen und dieſe binäre Nomenklatur als deren Begründer gewöhnlich Linné betrachtet wird, iſt beſonders im Pinax des Bauhin beinahe vollſtändig durchgeführt; häufig wird freilich dem zweiten Wort, dem Species- namen, noch ein drittes und viertes hinzugefügt; man bemerkt aber leicht, daß dies ein bloßer Nothbehelf iſt. Viel merkwür- diger iſt dagegen, daß Bauhin ſeinen Gattungsnamen keine Diagnoſen beigegeben hat; es iſt eben nur der Name, woran man erkennt, daß mehrere Species zu einer Gattung gehören; faſt möchte man glauben, daß die Gattungscharakteriſtik durch die wunderliche, jedem Gattungsnamen mit geſperrter Schrift beigegebene etymologiſche Erläuterung erſetzt werden ſoll. Derartige ganz aus der Luft gegriffene Etymologieen haben ſich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erhalten, bis endlich Tour- nefort dem Unweſen entgegentrat. Es war darin noch ein gutes Stück ariſtoteliſch-ſcholaſtiſcher Denkweiſe enthalten, welche aus der urſprünglichen Bedeutung des Namens das Weſen der Dinge begreifen zu können glaubte. Nichts zeigt ſo ſehr den Ernſt der Forſchung Bauhin's, als die Thatſache, daß er eine 40jährige Arbeit ſeinem Pinax widmete, um für jede von ihm aufgeführte Species nachzuweiſen, wie dieſelbe bei den früheren Botanikern genannt wurde. Schon das oben aus Fuchs angeführte Beiſpiel zeigt, wie zahlreich bereits die Benennung einer Pflanze um die Mitte des 16. Jahrhunderts war, ja ſchon bei Dioscorides und Plinius

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/48>, abgerufen am 21.11.2024.