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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Sexualtheorie.
Unzutreffende, ja Gedankenlose dieser Auffassung schlagend dar-
thut, ohne dabei irgend eine neue Entdeckung zu Hülfe zu nehmen.
In seiner dritten Hypothese nämlich behauptet er, daß die Salze,
Erden, Oele u. s. w., welche die verschiedenen Pflanzenarten
durch die Destillation ergeben, immer dieselben sind, und daß
die Unterschiede nur von der Art der Vereinigung dieser prin-
cipes grossiers
und ihrer einfachsten Theile oder auch von ihrer
Trennung herrühren, was er folgendermaßen beweist: Wenn man
eine Bonchretien-Biene auf eine wilde pfropft, so erzeugt der-
selbe Saft, der auf der letzteren schlechte Birnen bringt, auf dem
Pfropfreis gute wohlschmeckende Birnen. Pfropfe man auf letz-
teres wieder ein Reis der Waldbirne, so trage dieses abermals
schlechte Früchte. Dieses zeige nun, daß derselbe Saft des
Stammes in jedem Pfropfreis verschiedene Eigenschaften annimmt.
Noch schlagender aber ist sein Nachweis dafür, daß die Pflanzen
ihre Substanz nicht direct aus der Erde nehmen, sondern sie durch
chemische Prozesse selbst erzeugen. Nehmt einen Topf, sagt er,
mit 7-8 Pfund Erde und säet in diese eine ganz beliebige
Pflanze; sie wird in dieser Erde und in dem darauf gefallenen
Regenwasser alle Principien vorfinden, aus denen sie bei der
Reife zusammengesetzt ist. Man kann jedoch 3000 oder 4000
verschiedene Pflanzenarten in diese Erde säen; wenn nun ihre
Salze, Oele, Erden bei jeder Pflanzenspecies von verschiedener
Art wären, so müßten alle diese Principien in dem kleinen
Quantum Erde und Regenwasser, welches in drei bis vier Mo-
naten darauf fällt, enthalten sein, was unmöglich ist; denn jede
dieser Pflanzen würde im reifen Zustand wenigstens ein Gros
fixes Salz und zwei Gros Erde ergeben und alle diese Principien
zusammen mit denen, welche mit dem Wasser gemengt sind,
würden wenigstens zwei bis drei Unzen wiegen, was multiplicirt
mit der Zahl von 4000 Pflanzenarten ein Gewicht von 500
Pfund ergeben würde.

Diese Erwägungen stützen sich ebenso, wie die des Jungius
und in der Hauptsache auch die des Malpighi auf Thatsachen,
die dem Alterthum im Ganzen ebensogut, wie dem 17. Jahr-

Geſchichte der Sexualtheorie.
Unzutreffende, ja Gedankenloſe dieſer Auffaſſung ſchlagend dar-
thut, ohne dabei irgend eine neue Entdeckung zu Hülfe zu nehmen.
In ſeiner dritten Hypotheſe nämlich behauptet er, daß die Salze,
Erden, Oele u. ſ. w., welche die verſchiedenen Pflanzenarten
durch die Deſtillation ergeben, immer dieſelben ſind, und daß
die Unterſchiede nur von der Art der Vereinigung dieſer prin-
cipes grossiers
und ihrer einfachſten Theile oder auch von ihrer
Trennung herrühren, was er folgendermaßen beweiſt: Wenn man
eine Bonchretien-Biene auf eine wilde pfropft, ſo erzeugt der-
ſelbe Saft, der auf der letzteren ſchlechte Birnen bringt, auf dem
Pfropfreis gute wohlſchmeckende Birnen. Pfropfe man auf letz-
teres wieder ein Reis der Waldbirne, ſo trage dieſes abermals
ſchlechte Früchte. Dieſes zeige nun, daß derſelbe Saft des
Stammes in jedem Pfropfreis verſchiedene Eigenſchaften annimmt.
Noch ſchlagender aber iſt ſein Nachweis dafür, daß die Pflanzen
ihre Subſtanz nicht direct aus der Erde nehmen, ſondern ſie durch
chemiſche Prozeſſe ſelbſt erzeugen. Nehmt einen Topf, ſagt er,
mit 7-8 Pfund Erde und ſäet in dieſe eine ganz beliebige
Pflanze; ſie wird in dieſer Erde und in dem darauf gefallenen
Regenwaſſer alle Principien vorfinden, aus denen ſie bei der
Reife zuſammengeſetzt iſt. Man kann jedoch 3000 oder 4000
verſchiedene Pflanzenarten in dieſe Erde ſäen; wenn nun ihre
Salze, Oele, Erden bei jeder Pflanzenſpecies von verſchiedener
Art wären, ſo müßten alle dieſe Principien in dem kleinen
Quantum Erde und Regenwaſſer, welches in drei bis vier Mo-
naten darauf fällt, enthalten ſein, was unmöglich iſt; denn jede
dieſer Pflanzen würde im reifen Zuſtand wenigſtens ein Gros
fixes Salz und zwei Gros Erde ergeben und alle dieſe Principien
zuſammen mit denen, welche mit dem Waſſer gemengt ſind,
würden wenigſtens zwei bis drei Unzen wiegen, was multiplicirt
mit der Zahl von 4000 Pflanzenarten ein Gewicht von 500
Pfund ergeben würde.

Dieſe Erwägungen ſtützen ſich ebenſo, wie die des Jungius
und in der Hauptſache auch die des Malpighi auf Thatſachen,
die dem Alterthum im Ganzen ebenſogut, wie dem 17. Jahr-

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[502/0514] Geſchichte der Sexualtheorie. Unzutreffende, ja Gedankenloſe dieſer Auffaſſung ſchlagend dar- thut, ohne dabei irgend eine neue Entdeckung zu Hülfe zu nehmen. In ſeiner dritten Hypotheſe nämlich behauptet er, daß die Salze, Erden, Oele u. ſ. w., welche die verſchiedenen Pflanzenarten durch die Deſtillation ergeben, immer dieſelben ſind, und daß die Unterſchiede nur von der Art der Vereinigung dieſer prin- cipes grossiers und ihrer einfachſten Theile oder auch von ihrer Trennung herrühren, was er folgendermaßen beweiſt: Wenn man eine Bonchretien-Biene auf eine wilde pfropft, ſo erzeugt der- ſelbe Saft, der auf der letzteren ſchlechte Birnen bringt, auf dem Pfropfreis gute wohlſchmeckende Birnen. Pfropfe man auf letz- teres wieder ein Reis der Waldbirne, ſo trage dieſes abermals ſchlechte Früchte. Dieſes zeige nun, daß derſelbe Saft des Stammes in jedem Pfropfreis verſchiedene Eigenſchaften annimmt. Noch ſchlagender aber iſt ſein Nachweis dafür, daß die Pflanzen ihre Subſtanz nicht direct aus der Erde nehmen, ſondern ſie durch chemiſche Prozeſſe ſelbſt erzeugen. Nehmt einen Topf, ſagt er, mit 7-8 Pfund Erde und ſäet in dieſe eine ganz beliebige Pflanze; ſie wird in dieſer Erde und in dem darauf gefallenen Regenwaſſer alle Principien vorfinden, aus denen ſie bei der Reife zuſammengeſetzt iſt. Man kann jedoch 3000 oder 4000 verſchiedene Pflanzenarten in dieſe Erde ſäen; wenn nun ihre Salze, Oele, Erden bei jeder Pflanzenſpecies von verſchiedener Art wären, ſo müßten alle dieſe Principien in dem kleinen Quantum Erde und Regenwaſſer, welches in drei bis vier Mo- naten darauf fällt, enthalten ſein, was unmöglich iſt; denn jede dieſer Pflanzen würde im reifen Zuſtand wenigſtens ein Gros fixes Salz und zwei Gros Erde ergeben und alle dieſe Principien zuſammen mit denen, welche mit dem Waſſer gemengt ſind, würden wenigſtens zwei bis drei Unzen wiegen, was multiplicirt mit der Zahl von 4000 Pflanzenarten ein Gewicht von 500 Pfund ergeben würde. Dieſe Erwägungen ſtützen ſich ebenſo, wie die des Jungius und in der Hauptſache auch die des Malpighi auf Thatſachen, die dem Alterthum im Ganzen ebenſogut, wie dem 17. Jahr-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/514>, abgerufen am 22.11.2024.