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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
wie die Zukunft lehrte, nicht ganz gerechtfertigter Schluß. Was
er über die Nothwendigkeit des Sonnenlichts zur Ernährung
über das Reifen der Früchte und Anderes sagt, stützt sich auf
sehr unvollständige Erfahrung und kann hier übergangen werden.

Das Charakteristische und Bedeutende in Mariotte's
Ernährungstheorie der Pflanzen ist der entschiedene Gegensatz
seines naturwissenschaftlichen Standpunctes gegen die damals noch
viel verbreiteten, aristotelischen und scholastischen Ansichten und
in diesem Sinne erklärt er auch der aristotelischen Pflanzenseele
den Krieg. Seine Betrachtungen über diese knüpft er an die ihn
in Verwunderung setzende Thatsache, daß jede Pflanzenart ihre
Eigenschaften so genau fortpflanzt; durch die Annahme einer
Pflanzenseele, von der man nicht wisse, was sie sei, werde für
die Erklärung Nichts gewonnen. Ebenso entschieden aber spricht
er sich auch gegen die schon damals verbreitete Evolutionstheorie
aus. Gegenüber der Annahme, daß in den Pflanzensamen schon
alle künftigen Generationen in einander geschachtelt seien, findet
er es viel wahrscheinlicher, daß sie nur die wesentlichen Stoffe
enthalten und daß durch deren Einwirkung auf den rohen Nahr-
ungssaft die übrigen Pflanzenstoffe successive entstehen, was wir
auch jetzt noch als durchaus zutreffend gelten lassen dürfen. In-
dem Mariotte den ganzen Ernährungs- und Lebensprozeß der
Pflanzen als ein Spiel physischer Kräfte, als Vereinigung und
Trennung einfacher Stoffe betrachtet, glaubt er nun auch, als
nothwendige Folgerung aus dieser Annahme die damals allgemein
angenommene Urzeugung physikalisch beweisen zu können. Hier
machte sich jedoch der Mangel hinreichender und kritisch gesichteter
Erfahrung geltend, denn er hielt es für einen Beweis der Ge-
neratio spontanea,
wenn aus dem Boden trocken gelegter Sümpfe
und ausgeworfener Gräben zahlreiche Pflanzen hervorsprossen.
"Man kann also annehmen, sagt er, daß es in der Luft, im
Wasser und in der Erde unendlich viele Körperchen giebt, welche
so geartet sind, daß zwei oder drei durch ihre Verbindung den
Anfang einer Pflanze bilden können und den Samen einer solchen
darstellen, wenn sie eine ihrem Wachsthum günstige Erde vorfinden.

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
wie die Zukunft lehrte, nicht ganz gerechtfertigter Schluß. Was
er über die Nothwendigkeit des Sonnenlichts zur Ernährung
über das Reifen der Früchte und Anderes ſagt, ſtützt ſich auf
ſehr unvollſtändige Erfahrung und kann hier übergangen werden.

Das Charakteriſtiſche und Bedeutende in Mariotte's
Ernährungstheorie der Pflanzen iſt der entſchiedene Gegenſatz
ſeines naturwiſſenſchaftlichen Standpunctes gegen die damals noch
viel verbreiteten, ariſtoteliſchen und ſcholaſtiſchen Anſichten und
in dieſem Sinne erklärt er auch der ariſtoteliſchen Pflanzenſeele
den Krieg. Seine Betrachtungen über dieſe knüpft er an die ihn
in Verwunderung ſetzende Thatſache, daß jede Pflanzenart ihre
Eigenſchaften ſo genau fortpflanzt; durch die Annahme einer
Pflanzenſeele, von der man nicht wiſſe, was ſie ſei, werde für
die Erklärung Nichts gewonnen. Ebenſo entſchieden aber ſpricht
er ſich auch gegen die ſchon damals verbreitete Evolutionstheorie
aus. Gegenüber der Annahme, daß in den Pflanzenſamen ſchon
alle künftigen Generationen in einander geſchachtelt ſeien, findet
er es viel wahrſcheinlicher, daß ſie nur die weſentlichen Stoffe
enthalten und daß durch deren Einwirkung auf den rohen Nahr-
ungsſaft die übrigen Pflanzenſtoffe ſucceſſive entſtehen, was wir
auch jetzt noch als durchaus zutreffend gelten laſſen dürfen. In-
dem Mariotte den ganzen Ernährungs- und Lebensprozeß der
Pflanzen als ein Spiel phyſiſcher Kräfte, als Vereinigung und
Trennung einfacher Stoffe betrachtet, glaubt er nun auch, als
nothwendige Folgerung aus dieſer Annahme die damals allgemein
angenommene Urzeugung phyſikaliſch beweiſen zu können. Hier
machte ſich jedoch der Mangel hinreichender und kritiſch geſichteter
Erfahrung geltend, denn er hielt es für einen Beweis der Ge-
neratio spontanea,
wenn aus dem Boden trocken gelegter Sümpfe
und ausgeworfener Gräben zahlreiche Pflanzen hervorſproſſen.
„Man kann alſo annehmen, ſagt er, daß es in der Luft, im
Waſſer und in der Erde unendlich viele Körperchen giebt, welche
ſo geartet ſind, daß zwei oder drei durch ihre Verbindung den
Anfang einer Pflanze bilden können und den Samen einer ſolchen
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[504/0516] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. wie die Zukunft lehrte, nicht ganz gerechtfertigter Schluß. Was er über die Nothwendigkeit des Sonnenlichts zur Ernährung über das Reifen der Früchte und Anderes ſagt, ſtützt ſich auf ſehr unvollſtändige Erfahrung und kann hier übergangen werden. Das Charakteriſtiſche und Bedeutende in Mariotte's Ernährungstheorie der Pflanzen iſt der entſchiedene Gegenſatz ſeines naturwiſſenſchaftlichen Standpunctes gegen die damals noch viel verbreiteten, ariſtoteliſchen und ſcholaſtiſchen Anſichten und in dieſem Sinne erklärt er auch der ariſtoteliſchen Pflanzenſeele den Krieg. Seine Betrachtungen über dieſe knüpft er an die ihn in Verwunderung ſetzende Thatſache, daß jede Pflanzenart ihre Eigenſchaften ſo genau fortpflanzt; durch die Annahme einer Pflanzenſeele, von der man nicht wiſſe, was ſie ſei, werde für die Erklärung Nichts gewonnen. Ebenſo entſchieden aber ſpricht er ſich auch gegen die ſchon damals verbreitete Evolutionstheorie aus. Gegenüber der Annahme, daß in den Pflanzenſamen ſchon alle künftigen Generationen in einander geſchachtelt ſeien, findet er es viel wahrſcheinlicher, daß ſie nur die weſentlichen Stoffe enthalten und daß durch deren Einwirkung auf den rohen Nahr- ungsſaft die übrigen Pflanzenſtoffe ſucceſſive entſtehen, was wir auch jetzt noch als durchaus zutreffend gelten laſſen dürfen. In- dem Mariotte den ganzen Ernährungs- und Lebensprozeß der Pflanzen als ein Spiel phyſiſcher Kräfte, als Vereinigung und Trennung einfacher Stoffe betrachtet, glaubt er nun auch, als nothwendige Folgerung aus dieſer Annahme die damals allgemein angenommene Urzeugung phyſikaliſch beweiſen zu können. Hier machte ſich jedoch der Mangel hinreichender und kritiſch geſichteter Erfahrung geltend, denn er hielt es für einen Beweis der Ge- neratio spontanea, wenn aus dem Boden trocken gelegter Sümpfe und ausgeworfener Gräben zahlreiche Pflanzen hervorſproſſen. „Man kann alſo annehmen, ſagt er, daß es in der Luft, im Waſſer und in der Erde unendlich viele Körperchen giebt, welche ſo geartet ſind, daß zwei oder drei durch ihre Verbindung den Anfang einer Pflanze bilden können und den Samen einer ſolchen darſtellen, wenn ſie eine ihrem Wachsthum günſtige Erde vorfinden.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/516>, abgerufen am 22.11.2024.