Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen. schlecht interpretirter Versuche eine der wichtigsten Entdeckungenin Frage gestellt und noch hundert Jahre später hat es nicht an Personen gefehlt, welche auf dieselben Versuche, wie Reichel, ge- stützt, den Gefäßen des Holzes die Führung des aufsteigenden Saftes zumutheten, eine Ansicht, durch welche jedes wirkliche Verständniß der Saftströmung im Holzkörper bei transspirirenden Pflanzen von vornherein unmöglich gemacht wird. Aber auch das andere große Ergebniß Malpighi's, daß nämlich die Blätter die nahrungszubereitenden Organe sind, war schon vor Reichel durch Bonnet geleugnet und durch die ganz falsche Ansicht ersetzt worden, daß sie wesentlich zur Aufsaugung von Thau und Regenwasser dienen. Bonnet1), der sich vorher um die Biologie der Insekten verdient gemacht, namentlich die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Blattläuse entdeckt und sich dabei die Augen verdorben hatte, hielt es nun für einen passenden Zeitvertreib sich mit allerlei Experimenten an Pflanzen zu beschäftigen. Unter vielem ganz Unbedeutenden kam dabei auch allerdings Manches zu Tage, was später von urtheilsfähigeren Personen benutzt werden konnte, denn auch das wenige Brauchbare, was Bonnet über die mit dem Wachsthum verbundenen Krümmungen der Pflanzen beobachtete, zeigte von einem auffallenden Mangel an Urtheil. Dasselbe tritt aber auch nicht minder bei denjenigen Beobachtungen hervor, welche Bonnet über die Ernährungs- thätigkeit der Blätter anstellte. Es war ein Zeichen der Zeit, daß eine so ganz gedankenlose Zusammenhäufung unverdauter That- sachen, wie sie 1754 in Bonnet's recherches sur l'usage des feuilles dans les plantes etc. enthalten ist, damals all- 1) Charles Bonnet, geb. 1720 zu Genf, stammte aus einer reichen
Familie und widmete sich anfangs der Jurisprudenz, beschäftigte sich aber schon in seiner Jugend mit naturwissenschaftlichen Beobachtungen, namentlich zoologischer Natur. Später wurde er Mitglied des großen Rathes seiner Vaterstadt und in seinen späteren Jahren schrieb er verschiedene Werke phi- losophisch-naturwissenschaftlichen, psychologischen und zum Theil theologischen Inhalts. Er starb 1793 auf seiner Besitzung Genthod bei Genf (Biogra- phie universelle und Carus, Gesch. d. Zool. p. 526). Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen. ſchlecht interpretirter Verſuche eine der wichtigſten Entdeckungenin Frage geſtellt und noch hundert Jahre ſpäter hat es nicht an Perſonen gefehlt, welche auf dieſelben Verſuche, wie Reichel, ge- ſtützt, den Gefäßen des Holzes die Führung des aufſteigenden Saftes zumutheten, eine Anſicht, durch welche jedes wirkliche Verſtändniß der Saftſtrömung im Holzkörper bei transſpirirenden Pflanzen von vornherein unmöglich gemacht wird. Aber auch das andere große Ergebniß Malpighi's, daß nämlich die Blätter die nahrungszubereitenden Organe ſind, war ſchon vor Reichel durch Bonnet geleugnet und durch die ganz falſche Anſicht erſetzt worden, daß ſie weſentlich zur Aufſaugung von Thau und Regenwaſſer dienen. Bonnet1), der ſich vorher um die Biologie der Inſekten verdient gemacht, namentlich die ungeſchlechtliche Fortpflanzung der Blattläuſe entdeckt und ſich dabei die Augen verdorben hatte, hielt es nun für einen paſſenden Zeitvertreib ſich mit allerlei Experimenten an Pflanzen zu beſchäftigen. Unter vielem ganz Unbedeutenden kam dabei auch allerdings Manches zu Tage, was ſpäter von urtheilsfähigeren Perſonen benutzt werden konnte, denn auch das wenige Brauchbare, was Bonnet über die mit dem Wachsthum verbundenen Krümmungen der Pflanzen beobachtete, zeigte von einem auffallenden Mangel an Urtheil. Dasſelbe tritt aber auch nicht minder bei denjenigen Beobachtungen hervor, welche Bonnet über die Ernährungs- thätigkeit der Blätter anſtellte. Es war ein Zeichen der Zeit, daß eine ſo ganz gedankenloſe Zuſammenhäufung unverdauter That- ſachen, wie ſie 1754 in Bonnet's récherches sur l'usage des feuilles dans les plantes etc. enthalten iſt, damals all- 1) Charles Bonnet, geb. 1720 zu Genf, ſtammte aus einer reichen
Familie und widmete ſich anfangs der Jurisprudenz, beſchäftigte ſich aber ſchon in ſeiner Jugend mit naturwiſſenſchaftlichen Beobachtungen, namentlich zoologiſcher Natur. Später wurde er Mitglied des großen Rathes ſeiner Vaterſtadt und in ſeinen ſpäteren Jahren ſchrieb er verſchiedene Werke phi- loſophiſch-naturwiſſenſchaftlichen, pſychologiſchen und zum Theil theologiſchen Inhalts. Er ſtarb 1793 auf ſeiner Beſitzung Genthod bei Genf (Biogra- phie universelle und Carus, Geſch. d. Zool. p. 526). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0537" n="525"/><fw place="top" type="header">Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.</fw><lb/> ſchlecht interpretirter Verſuche eine der wichtigſten Entdeckungen<lb/> in Frage geſtellt und noch hundert Jahre ſpäter hat es nicht an<lb/> Perſonen gefehlt, welche auf dieſelben Verſuche, wie Reichel, ge-<lb/> ſtützt, den Gefäßen des Holzes die Führung des aufſteigenden<lb/> Saftes zumutheten, eine Anſicht, durch welche jedes wirkliche<lb/> Verſtändniß der Saftſtrömung im Holzkörper bei transſpirirenden<lb/> Pflanzen von vornherein unmöglich gemacht wird. Aber auch das<lb/> andere große Ergebniß <hi rendition="#g">Malpighi</hi>'s, daß nämlich die Blätter<lb/> die nahrungszubereitenden Organe ſind, war ſchon vor Reichel<lb/> durch <hi rendition="#g">Bonnet</hi> geleugnet und durch die ganz falſche Anſicht<lb/> erſetzt worden, daß ſie weſentlich zur Aufſaugung von Thau und<lb/> Regenwaſſer dienen. <hi rendition="#b">Bonnet</hi><note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Charles Bonnet</hi>, geb. 1720 zu Genf, ſtammte aus einer reichen<lb/> Familie und widmete ſich anfangs der Jurisprudenz, beſchäftigte ſich aber<lb/> ſchon in ſeiner Jugend mit naturwiſſenſchaftlichen Beobachtungen, namentlich<lb/> zoologiſcher Natur. Später wurde er Mitglied des großen Rathes ſeiner<lb/> Vaterſtadt und in ſeinen ſpäteren Jahren ſchrieb er verſchiedene Werke phi-<lb/> loſophiſch-naturwiſſenſchaftlichen, pſychologiſchen und zum Theil theologiſchen<lb/> Inhalts. Er ſtarb 1793 auf ſeiner Beſitzung Genthod bei Genf (<hi rendition="#aq">Biogra-<lb/> phie universelle</hi> und <hi rendition="#g">Carus</hi>, Geſch. d. Zool. <hi rendition="#aq">p.</hi><lb/> 526).</note>, der ſich vorher um die Biologie<lb/> der Inſekten verdient gemacht, namentlich die ungeſchlechtliche<lb/> Fortpflanzung der Blattläuſe entdeckt und ſich dabei die Augen<lb/> verdorben hatte, hielt es nun für einen paſſenden Zeitvertreib<lb/> ſich mit allerlei Experimenten an Pflanzen zu beſchäftigen. Unter<lb/> vielem ganz Unbedeutenden kam dabei auch allerdings Manches<lb/> zu Tage, was ſpäter von urtheilsfähigeren Perſonen benutzt<lb/> werden konnte, denn auch das wenige Brauchbare, was <hi rendition="#g">Bonnet</hi><lb/> über die mit dem Wachsthum verbundenen Krümmungen der<lb/> Pflanzen beobachtete, zeigte von einem auffallenden Mangel an<lb/> Urtheil. Dasſelbe tritt aber auch nicht minder bei denjenigen<lb/> Beobachtungen hervor, welche <hi rendition="#g">Bonnet</hi> über die Ernährungs-<lb/> thätigkeit der Blätter anſtellte. Es war ein Zeichen der Zeit, daß<lb/> eine ſo ganz gedankenloſe Zuſammenhäufung unverdauter That-<lb/> ſachen, wie ſie 1754 in <hi rendition="#g">Bonnet</hi>'s <hi rendition="#aq">récherches sur l'usage<lb/> des feuilles dans les plantes etc.</hi> enthalten iſt, damals all-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [525/0537]
Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
ſchlecht interpretirter Verſuche eine der wichtigſten Entdeckungen
in Frage geſtellt und noch hundert Jahre ſpäter hat es nicht an
Perſonen gefehlt, welche auf dieſelben Verſuche, wie Reichel, ge-
ſtützt, den Gefäßen des Holzes die Führung des aufſteigenden
Saftes zumutheten, eine Anſicht, durch welche jedes wirkliche
Verſtändniß der Saftſtrömung im Holzkörper bei transſpirirenden
Pflanzen von vornherein unmöglich gemacht wird. Aber auch das
andere große Ergebniß Malpighi's, daß nämlich die Blätter
die nahrungszubereitenden Organe ſind, war ſchon vor Reichel
durch Bonnet geleugnet und durch die ganz falſche Anſicht
erſetzt worden, daß ſie weſentlich zur Aufſaugung von Thau und
Regenwaſſer dienen. Bonnet 1), der ſich vorher um die Biologie
der Inſekten verdient gemacht, namentlich die ungeſchlechtliche
Fortpflanzung der Blattläuſe entdeckt und ſich dabei die Augen
verdorben hatte, hielt es nun für einen paſſenden Zeitvertreib
ſich mit allerlei Experimenten an Pflanzen zu beſchäftigen. Unter
vielem ganz Unbedeutenden kam dabei auch allerdings Manches
zu Tage, was ſpäter von urtheilsfähigeren Perſonen benutzt
werden konnte, denn auch das wenige Brauchbare, was Bonnet
über die mit dem Wachsthum verbundenen Krümmungen der
Pflanzen beobachtete, zeigte von einem auffallenden Mangel an
Urtheil. Dasſelbe tritt aber auch nicht minder bei denjenigen
Beobachtungen hervor, welche Bonnet über die Ernährungs-
thätigkeit der Blätter anſtellte. Es war ein Zeichen der Zeit, daß
eine ſo ganz gedankenloſe Zuſammenhäufung unverdauter That-
ſachen, wie ſie 1754 in Bonnet's récherches sur l'usage
des feuilles dans les plantes etc. enthalten iſt, damals all-
1) Charles Bonnet, geb. 1720 zu Genf, ſtammte aus einer reichen
Familie und widmete ſich anfangs der Jurisprudenz, beſchäftigte ſich aber
ſchon in ſeiner Jugend mit naturwiſſenſchaftlichen Beobachtungen, namentlich
zoologiſcher Natur. Später wurde er Mitglied des großen Rathes ſeiner
Vaterſtadt und in ſeinen ſpäteren Jahren ſchrieb er verſchiedene Werke phi-
loſophiſch-naturwiſſenſchaftlichen, pſychologiſchen und zum Theil theologiſchen
Inhalts. Er ſtarb 1793 auf ſeiner Beſitzung Genthod bei Genf (Biogra-
phie universelle und Carus, Geſch. d. Zool. p.
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