welche sich durch eine regere Lebensthätigkeit auszeichnen, auch mehr Sauerstoff zur Athmung verbrauchen, als minder thätige und ruhende. Er bestimmte den Gewichtsverlust, welchen die organische Substanz der Keimpflanzen durch die Athmung erleidet und fand auch diesen größer, als dem Gewicht des ausgeathmeten Kohlenstoffs entspricht; bei dem damaligen Zustand der Chemie mußte er jedoch im Zweifel bleiben, wie dieß zu verstehen sei. Fügen wir endlich noch hinzu, daß Saussure später (1822) die wichtigsten Beziehungen zwischen der Selbsterwärmung der Blüthen und dem Sauerstoffverbrauch derselben constatirte, so bleibt kein Zweifel, daß er die wichtigsten Elemente der neueren Athmungstheorie der Pflanzen geliefert hat, obgleich er dieselbe niemals in ihrem Zusammenhang aussprach.
Vor Ingen-Houß war trotz Hales' uns bekannten An- sichten die allgemeine Meinung offenbar die, daß die Pflanzen die überwiegende Quantität ihrer Nahrung den Bestandtheilen der Erde und dem Wasser verdanken. Seit man jedoch wußte, daß der Hauptbestandtheil der Pflanzensubstanz, der Kohlenstoff aus der Atmosphäre stammt und man beachtete, daß die bei Weitem überwiegende Quantität der vegetabilischen Stoffe verbrennlich ist, konnte es zweifelhaft erscheinen, ob denn die unverbrennlichen Aschenbestandtheile für die Ernährung der Pflanzen überhaupt von Bedeutung sind. Dieser ziemlich ver- breiteten Ansicht trat nun Saussure entschieden entgegen; er betonte, daß vor Allem diejenigen Aschenbestandtheile, welche sich ausnahmslos in jeder Pflanze vorfinden, nicht wohl als zufällige Beimengungen zu betrachten seien, daß ebenso die geringe Menge derselben kein Beweis für ihre Entbehrlichkeit sei und durch eine große Zahl von Aschenanalysen, die lange Zeit unübertroffen dastanden, zeigte er, daß zwischen dem Vorhandensein gewisser Aschenbestandtheile und den Entwicklungszuständen der Pflanzen- organe gewisse allgemeine Beziehungen stattfinden, so z. B. fand er junge entwicklungsfähige Pflanzentheile reich an Alkalien und Phosphorsäure, ältere und unthätige vorwiegend reich an Kalk und Kieselsäure. Noch wichtiger aber waren Vegetationsversuche
Begründung der neuen Ernährungslehre etc.
welche ſich durch eine regere Lebensthätigkeit auszeichnen, auch mehr Sauerſtoff zur Athmung verbrauchen, als minder thätige und ruhende. Er beſtimmte den Gewichtsverluſt, welchen die organiſche Subſtanz der Keimpflanzen durch die Athmung erleidet und fand auch dieſen größer, als dem Gewicht des ausgeathmeten Kohlenſtoffs entſpricht; bei dem damaligen Zuſtand der Chemie mußte er jedoch im Zweifel bleiben, wie dieß zu verſtehen ſei. Fügen wir endlich noch hinzu, daß Sauſſure ſpäter (1822) die wichtigſten Beziehungen zwiſchen der Selbſterwärmung der Blüthen und dem Sauerſtoffverbrauch derſelben conſtatirte, ſo bleibt kein Zweifel, daß er die wichtigſten Elemente der neueren Athmungstheorie der Pflanzen geliefert hat, obgleich er dieſelbe niemals in ihrem Zuſammenhang ausſprach.
Vor Ingen-Houß war trotz Hales' uns bekannten An- ſichten die allgemeine Meinung offenbar die, daß die Pflanzen die überwiegende Quantität ihrer Nahrung den Beſtandtheilen der Erde und dem Waſſer verdanken. Seit man jedoch wußte, daß der Hauptbeſtandtheil der Pflanzenſubſtanz, der Kohlenſtoff aus der Atmoſphäre ſtammt und man beachtete, daß die bei Weitem überwiegende Quantität der vegetabiliſchen Stoffe verbrennlich iſt, konnte es zweifelhaft erſcheinen, ob denn die unverbrennlichen Aſchenbeſtandtheile für die Ernährung der Pflanzen überhaupt von Bedeutung ſind. Dieſer ziemlich ver- breiteten Anſicht trat nun Sauſſure entſchieden entgegen; er betonte, daß vor Allem diejenigen Aſchenbeſtandtheile, welche ſich ausnahmslos in jeder Pflanze vorfinden, nicht wohl als zufällige Beimengungen zu betrachten ſeien, daß ebenſo die geringe Menge derſelben kein Beweis für ihre Entbehrlichkeit ſei und durch eine große Zahl von Aſchenanalyſen, die lange Zeit unübertroffen daſtanden, zeigte er, daß zwiſchen dem Vorhandenſein gewiſſer Aſchenbeſtandtheile und den Entwicklungszuſtänden der Pflanzen- organe gewiſſe allgemeine Beziehungen ſtattfinden, ſo z. B. fand er junge entwicklungsfähige Pflanzentheile reich an Alkalien und Phosphorſäure, ältere und unthätige vorwiegend reich an Kalk und Kieſelſäure. Noch wichtiger aber waren Vegetationsverſuche
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Begründung der neuen Ernährungslehre etc.
welche ſich durch eine regere Lebensthätigkeit auszeichnen, auch
mehr Sauerſtoff zur Athmung verbrauchen, als minder thätige
und ruhende. Er beſtimmte den Gewichtsverluſt, welchen die
organiſche Subſtanz der Keimpflanzen durch die Athmung erleidet
und fand auch dieſen größer, als dem Gewicht des ausgeathmeten
Kohlenſtoffs entſpricht; bei dem damaligen Zuſtand der Chemie
mußte er jedoch im Zweifel bleiben, wie dieß zu verſtehen ſei.
Fügen wir endlich noch hinzu, daß Sauſſure ſpäter (1822)
die wichtigſten Beziehungen zwiſchen der Selbſterwärmung der
Blüthen und dem Sauerſtoffverbrauch derſelben conſtatirte, ſo
bleibt kein Zweifel, daß er die wichtigſten Elemente der neueren
Athmungstheorie der Pflanzen geliefert hat, obgleich er dieſelbe
niemals in ihrem Zuſammenhang ausſprach.
Vor Ingen-Houß war trotz Hales' uns bekannten An-
ſichten die allgemeine Meinung offenbar die, daß die Pflanzen
die überwiegende Quantität ihrer Nahrung den Beſtandtheilen
der Erde und dem Waſſer verdanken. Seit man jedoch wußte,
daß der Hauptbeſtandtheil der Pflanzenſubſtanz, der Kohlenſtoff
aus der Atmoſphäre ſtammt und man beachtete, daß die
bei Weitem überwiegende Quantität der vegetabiliſchen Stoffe
verbrennlich iſt, konnte es zweifelhaft erſcheinen, ob denn die
unverbrennlichen Aſchenbeſtandtheile für die Ernährung der
Pflanzen überhaupt von Bedeutung ſind. Dieſer ziemlich ver-
breiteten Anſicht trat nun Sauſſure entſchieden entgegen; er
betonte, daß vor Allem diejenigen Aſchenbeſtandtheile, welche ſich
ausnahmslos in jeder Pflanze vorfinden, nicht wohl als zufällige
Beimengungen zu betrachten ſeien, daß ebenſo die geringe Menge
derſelben kein Beweis für ihre Entbehrlichkeit ſei und durch eine
große Zahl von Aſchenanalyſen, die lange Zeit unübertroffen
daſtanden, zeigte er, daß zwiſchen dem Vorhandenſein gewiſſer
Aſchenbeſtandtheile und den Entwicklungszuſtänden der Pflanzen-
organe gewiſſe allgemeine Beziehungen ſtattfinden, ſo z. B. fand
er junge entwicklungsfähige Pflanzentheile reich an Alkalien und
Phosphorſäure, ältere und unthätige vorwiegend reich an Kalk
und Kieſelſäure. Noch wichtiger aber waren Vegetationsverſuche
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/553>, abgerufen am 22.11.2024.
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