Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmose. fertigkeiten ausstattete, sogar mit der Fähigkeit, Elementarstoffe,Wärme und Anderes aus Nichts zu erzeugen; wo irgend ein Vorgang in den Organismen der physikalisch chemischen Erklärung Schwierigkeiten darbot, da überließ man es einfach der Lebens- kraft, die fraglichen Erscheinungen in unerklärlicher Weise zu Stande zu bringen. Es handelte sich dabei nicht um die später von tieferen Denkern behandelte Frage, ob überhaupt außer den allgemeinen, die unorganische Natur beherrschenden Kräften, noch irgend ein besonderes Agens in den Organismen thätig sei. Denn gerade eine sorgfältige Untersuchung dieser Frage hätte zu den ernsthaftesten Versuchen, die Lebenserscheinungen ohne Rest physikalisch oder chemisch zu erklären, hinführen müssen; statt dessen aber machte man es sich bequem, und ließ die als er- wiesen angenommene Lebenskraft die allerverschiedensten Dinge vollbringen, wobei man sich der Mühe, die Art, wie dieß be- wirkt werde, zu erklären, überhob; die Annahme der Lebenskraft wurde nicht als eine die Untersuchung anspornende Hypothese, sondern als ein jedes Nachdenken überflüssig machendes Gespenst behandelt. Dazu kam nun noch, wo sich die Ernährungsfragen um die Saftbewegung drehten, die höchst mangelhafte Kenntniß der inneren Struktur der Pflanzen, deren Zustand wir bereits im zweiten Buch kennen gelernt haben. So wurde z. B. die Frage nach dem absteigenden Saft durch Du Petit-Thouart's Theorie von den zwischen Rinde und Holz absteigenden Knospen- wurzeln in einer kaum glaublichen Weise verwirrt; Reichel's so schlecht bewiesene Ansicht vom Aufsteigen des Saftes in den Holzröhren war jetzt so ziemlich Gemeingut geworden und noch schlimmer war es, daß Andere die Interzellularräume des Paren- chyms für die eigentlich saftführenden Organe hielten; noch 1812 mußte Moldenhawer und zwar ohne durchschlagenden Erfolg den Luftgehalt der Holzgefäße nachweisen und noch 1821 Tre- viranus hervorheben, daß die Spaltöffnungen dem Ein- und Austritt der Luft dienen. Was die Naturphilosophen, wie Kieser z. B., über Ernährung und Saftbewegung sagten, braucht hier nicht einmal weiter beachtet zu werden; aber auch diejenigen, Sachs, Geschichte der Botanik. 35
Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe. fertigkeiten ausſtattete, ſogar mit der Fähigkeit, Elementarſtoffe,Wärme und Anderes aus Nichts zu erzeugen; wo irgend ein Vorgang in den Organismen der phyſikaliſch chemiſchen Erklärung Schwierigkeiten darbot, da überließ man es einfach der Lebens- kraft, die fraglichen Erſcheinungen in unerklärlicher Weiſe zu Stande zu bringen. Es handelte ſich dabei nicht um die ſpäter von tieferen Denkern behandelte Frage, ob überhaupt außer den allgemeinen, die unorganiſche Natur beherrſchenden Kräften, noch irgend ein beſonderes Agens in den Organismen thätig ſei. Denn gerade eine ſorgfältige Unterſuchung dieſer Frage hätte zu den ernſthafteſten Verſuchen, die Lebenserſcheinungen ohne Reſt phyſikaliſch oder chemiſch zu erklären, hinführen müſſen; ſtatt deſſen aber machte man es ſich bequem, und ließ die als er- wieſen angenommene Lebenskraft die allerverſchiedenſten Dinge vollbringen, wobei man ſich der Mühe, die Art, wie dieß be- wirkt werde, zu erklären, überhob; die Annahme der Lebenskraft wurde nicht als eine die Unterſuchung anſpornende Hypotheſe, ſondern als ein jedes Nachdenken überflüſſig machendes Geſpenſt behandelt. Dazu kam nun noch, wo ſich die Ernährungsfragen um die Saftbewegung drehten, die höchſt mangelhafte Kenntniß der inneren Struktur der Pflanzen, deren Zuſtand wir bereits im zweiten Buch kennen gelernt haben. So wurde z. B. die Frage nach dem abſteigenden Saft durch Du Petit-Thouart's Theorie von den zwiſchen Rinde und Holz abſteigenden Knoſpen- wurzeln in einer kaum glaublichen Weiſe verwirrt; Reichel's ſo ſchlecht bewieſene Anſicht vom Aufſteigen des Saftes in den Holzröhren war jetzt ſo ziemlich Gemeingut geworden und noch ſchlimmer war es, daß Andere die Interzellularräume des Paren- chyms für die eigentlich ſaftführenden Organe hielten; noch 1812 mußte Moldenhawer und zwar ohne durchſchlagenden Erfolg den Luftgehalt der Holzgefäße nachweiſen und noch 1821 Tre- viranus hervorheben, daß die Spaltöffnungen dem Ein- und Austritt der Luft dienen. Was die Naturphiloſophen, wie Kieſer z. B., über Ernährung und Saftbewegung ſagten, braucht hier nicht einmal weiter beachtet zu werden; aber auch diejenigen, Sachs, Geſchichte der Botanik. 35
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Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
fertigkeiten ausſtattete, ſogar mit der Fähigkeit, Elementarſtoffe,
Wärme und Anderes aus Nichts zu erzeugen; wo irgend ein
Vorgang in den Organismen der phyſikaliſch chemiſchen Erklärung
Schwierigkeiten darbot, da überließ man es einfach der Lebens-
kraft, die fraglichen Erſcheinungen in unerklärlicher Weiſe zu
Stande zu bringen. Es handelte ſich dabei nicht um die ſpäter
von tieferen Denkern behandelte Frage, ob überhaupt außer den
allgemeinen, die unorganiſche Natur beherrſchenden Kräften, noch
irgend ein beſonderes Agens in den Organismen thätig ſei.
Denn gerade eine ſorgfältige Unterſuchung dieſer Frage hätte zu
den ernſthafteſten Verſuchen, die Lebenserſcheinungen ohne Reſt
phyſikaliſch oder chemiſch zu erklären, hinführen müſſen; ſtatt
deſſen aber machte man es ſich bequem, und ließ die als er-
wieſen angenommene Lebenskraft die allerverſchiedenſten Dinge
vollbringen, wobei man ſich der Mühe, die Art, wie dieß be-
wirkt werde, zu erklären, überhob; die Annahme der Lebenskraft
wurde nicht als eine die Unterſuchung anſpornende Hypotheſe,
ſondern als ein jedes Nachdenken überflüſſig machendes Geſpenſt
behandelt. Dazu kam nun noch, wo ſich die Ernährungsfragen
um die Saftbewegung drehten, die höchſt mangelhafte Kenntniß
der inneren Struktur der Pflanzen, deren Zuſtand wir bereits
im zweiten Buch kennen gelernt haben. So wurde z. B. die
Frage nach dem abſteigenden Saft durch Du Petit-Thouart's
Theorie von den zwiſchen Rinde und Holz abſteigenden Knoſpen-
wurzeln in einer kaum glaublichen Weiſe verwirrt; Reichel's ſo
ſchlecht bewieſene Anſicht vom Aufſteigen des Saftes in den
Holzröhren war jetzt ſo ziemlich Gemeingut geworden und noch
ſchlimmer war es, daß Andere die Interzellularräume des Paren-
chyms für die eigentlich ſaftführenden Organe hielten; noch 1812
mußte Moldenhawer und zwar ohne durchſchlagenden Erfolg
den Luftgehalt der Holzgefäße nachweiſen und noch 1821 Tre-
viranus hervorheben, daß die Spaltöffnungen dem Ein- und
Austritt der Luft dienen. Was die Naturphiloſophen, wie Kieſer
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