Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.
Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. seit der aristotelischen Zeit als eine ganz specifische Wirkungderselben. Nunmehr trat aber noch eine andere Entdeckung hervor, welche nicht minder geeignet war, allgemeine und wichtige Lebens- erscheinungen der Pflanzen und Thiere auf mechanische Principien zurückzuführen, wo man bisher ebenfalls die Lebenskraft ge- dankenlos hatte wirken lassen. Es ist für uns ziemlich gleich- giltig, ob man den Breslauer Professor Fischer als den wahren Entdecker der Endosmose (1822) betrachten will; gewiß ist aber, daß Dutrochet 1) diese Naturerscheinung zuerst genauer studirt und vor Allem ihre außerordentliche Wichtigkeit für die Erklär- ung gewisser Lebenserscheinungen erkannt hat. Von 1826-1837 hob Dutrochet wiederholt die Bedeutung der Endosmose für die Erklärung physiologischer Vorgänge hervor und versuchte er, die verschiedensten Vegetationserscheinungen auf dieses Agens zurückzuführen. Er hatte die Wirkungen der Endosmose zuerst an organischen Gebilden und zwar in ihren mechanischen Effekten kennen gelernt: der Austritt der Zoosporen eines Wasserpilzes und die Ausstoßung des Sperma's aus den Samenbeuteln der Schnecken hatten ihn zuerst auf die Annahme geführt, daß der von den organischen Häuten umschlossene dichtere Inhalt eine 1) R. H. Joachim Dutrochet, 1776 geboren, stammte aus einer
adeligen Familie des Indre-Departements, welche während der Revolution ihr Vermögen verlor; um sich nun einen Unterhalt zu sichern, studirte Du- trochet Medicin und promovirte 1806 an der Pariser Facultät; 1808 und 1809 machte er als Militärarzt den Feldzug in Spanien mit; sobald es ihm jedoch möglich wurde, gab er die Praxis auf, um in tiefer Zurück- gezogenheit seinen physiologischen Studien zu leben; zunächst während einer Reihe von Jahren in der Tourraine. Seit 1819 correspondirendes Mit- glied der Akademie, sandte er derselben seine Abhandlungen, und als er 1831 ordentliches Mitglied wurde, zog er nach Paris, wo er jedoch nur die Wintermonate zu verleben pflegte. Ein heftiger Stoß an den Kopf verursachte ihm ein langwieriges Kopfleiden, an welchem er zwei Jahre später 1847 starb. -- Dutrochet war auch in der Thierphysiologie einer der erfolgreichsten Vorkämpfer der neueren Richtung, welche in den zwanziger und dreißiger Jahren die alte vitalistische Schule zu verdrängen begann. (Allgemeine Zeitung 1847 p. 780.) Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. ſeit der ariſtoteliſchen Zeit als eine ganz ſpecifiſche Wirkungderſelben. Nunmehr trat aber noch eine andere Entdeckung hervor, welche nicht minder geeignet war, allgemeine und wichtige Lebens- erſcheinungen der Pflanzen und Thiere auf mechaniſche Principien zurückzuführen, wo man bisher ebenfalls die Lebenskraft ge- dankenlos hatte wirken laſſen. Es iſt für uns ziemlich gleich- giltig, ob man den Breslauer Profeſſor Fiſcher als den wahren Entdecker der Endosmoſe (1822) betrachten will; gewiß iſt aber, daß Dutrochet 1) dieſe Naturerſcheinung zuerſt genauer ſtudirt und vor Allem ihre außerordentliche Wichtigkeit für die Erklär- ung gewiſſer Lebenserſcheinungen erkannt hat. Von 1826-1837 hob Dutrochet wiederholt die Bedeutung der Endosmoſe für die Erklärung phyſiologiſcher Vorgänge hervor und verſuchte er, die verſchiedenſten Vegetationserſcheinungen auf dieſes Agens zurückzuführen. Er hatte die Wirkungen der Endosmoſe zuerſt an organiſchen Gebilden und zwar in ihren mechaniſchen Effekten kennen gelernt: der Austritt der Zooſporen eines Waſſerpilzes und die Ausſtoßung des Sperma's aus den Samenbeuteln der Schnecken hatten ihn zuerſt auf die Annahme geführt, daß der von den organiſchen Häuten umſchloſſene dichtere Inhalt eine 1) R. H. Joachim Dutrochet, 1776 geboren, ſtammte aus einer
adeligen Familie des Indre-Departements, welche während der Revolution ihr Vermögen verlor; um ſich nun einen Unterhalt zu ſichern, ſtudirte Du- trochet Medicin und promovirte 1806 an der Pariſer Facultät; 1808 und 1809 machte er als Militärarzt den Feldzug in Spanien mit; ſobald es ihm jedoch möglich wurde, gab er die Praxis auf, um in tiefer Zurück- gezogenheit ſeinen phyſiologiſchen Studien zu leben; zunächſt während einer Reihe von Jahren in der Tourraine. Seit 1819 correſpondirendes Mit- glied der Akademie, ſandte er derſelben ſeine Abhandlungen, und als er 1831 ordentliches Mitglied wurde, zog er nach Paris, wo er jedoch nur die Wintermonate zu verleben pflegte. Ein heftiger Stoß an den Kopf verurſachte ihm ein langwieriges Kopfleiden, an welchem er zwei Jahre ſpäter 1847 ſtarb. — Dutrochet war auch in der Thierphyſiologie einer der erfolgreichſten Vorkämpfer der neueren Richtung, welche in den zwanziger und dreißiger Jahren die alte vitaliſtiſche Schule zu verdrängen begann. (Allgemeine Zeitung 1847 p. 780.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0562" n="550"/><fw place="top" type="header">Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.</fw><lb/> ſeit der ariſtoteliſchen Zeit als eine ganz ſpecifiſche Wirkung<lb/> derſelben. Nunmehr trat aber noch eine andere Entdeckung hervor,<lb/> welche nicht minder geeignet war, allgemeine und wichtige Lebens-<lb/> erſcheinungen der Pflanzen und Thiere auf mechaniſche Principien<lb/> zurückzuführen, wo man bisher ebenfalls die Lebenskraft ge-<lb/> dankenlos hatte wirken laſſen. Es iſt für uns ziemlich gleich-<lb/> giltig, ob man den Breslauer Profeſſor Fiſcher als den wahren<lb/> Entdecker der Endosmoſe (1822) betrachten will; gewiß iſt aber,<lb/> daß <hi rendition="#b">Dutrochet</hi> <note place="foot" n="1)">R. H. <hi rendition="#g">Joachim Dutrochet</hi>, 1776 geboren, ſtammte aus einer<lb/> adeligen Familie des Indre-Departements, welche während der Revolution<lb/> ihr Vermögen verlor; um ſich nun einen Unterhalt zu ſichern, ſtudirte <hi rendition="#g">Du</hi>-<lb/><hi rendition="#g">trochet</hi> Medicin und promovirte 1806 an der Pariſer Facultät; 1808<lb/> und 1809 machte er als Militärarzt den Feldzug in Spanien mit; ſobald<lb/> es ihm jedoch möglich wurde, gab er die Praxis auf, um in tiefer Zurück-<lb/> gezogenheit ſeinen phyſiologiſchen Studien zu leben; zunächſt während einer<lb/> Reihe von Jahren in der Tourraine. Seit 1819 correſpondirendes Mit-<lb/> glied der Akademie, ſandte er derſelben ſeine Abhandlungen, und als er<lb/> 1831 ordentliches Mitglied wurde, zog er nach Paris, wo er jedoch nur<lb/> die Wintermonate zu verleben pflegte. Ein heftiger Stoß an den Kopf<lb/> verurſachte ihm ein langwieriges Kopfleiden, an welchem er zwei Jahre ſpäter<lb/> 1847 ſtarb. — <hi rendition="#g">Dutrochet</hi> war auch in der Thierphyſiologie einer der<lb/> erfolgreichſten Vorkämpfer der neueren Richtung, welche in den zwanziger<lb/> und dreißiger Jahren die alte vitaliſtiſche Schule zu verdrängen begann.<lb/> (Allgemeine Zeitung 1847 <hi rendition="#aq">p.</hi> 780.)</note> dieſe Naturerſcheinung zuerſt genauer ſtudirt<lb/> und vor Allem ihre außerordentliche Wichtigkeit für die Erklär-<lb/> ung gewiſſer Lebenserſcheinungen erkannt hat. Von 1826-1837<lb/> hob <hi rendition="#g">Dutrochet</hi> wiederholt die Bedeutung der Endosmoſe für<lb/> die Erklärung phyſiologiſcher Vorgänge hervor und verſuchte er,<lb/> die verſchiedenſten Vegetationserſcheinungen auf dieſes Agens<lb/> zurückzuführen. Er hatte die Wirkungen der Endosmoſe zuerſt<lb/> an organiſchen Gebilden und zwar in ihren mechaniſchen Effekten<lb/> kennen gelernt: der Austritt der Zooſporen eines Waſſerpilzes<lb/> und die Ausſtoßung des Sperma's aus den Samenbeuteln der<lb/> Schnecken hatten ihn zuerſt auf die Annahme geführt, daß der<lb/> von den organiſchen Häuten umſchloſſene dichtere Inhalt eine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [550/0562]
Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
ſeit der ariſtoteliſchen Zeit als eine ganz ſpecifiſche Wirkung
derſelben. Nunmehr trat aber noch eine andere Entdeckung hervor,
welche nicht minder geeignet war, allgemeine und wichtige Lebens-
erſcheinungen der Pflanzen und Thiere auf mechaniſche Principien
zurückzuführen, wo man bisher ebenfalls die Lebenskraft ge-
dankenlos hatte wirken laſſen. Es iſt für uns ziemlich gleich-
giltig, ob man den Breslauer Profeſſor Fiſcher als den wahren
Entdecker der Endosmoſe (1822) betrachten will; gewiß iſt aber,
daß Dutrochet 1) dieſe Naturerſcheinung zuerſt genauer ſtudirt
und vor Allem ihre außerordentliche Wichtigkeit für die Erklär-
ung gewiſſer Lebenserſcheinungen erkannt hat. Von 1826-1837
hob Dutrochet wiederholt die Bedeutung der Endosmoſe für
die Erklärung phyſiologiſcher Vorgänge hervor und verſuchte er,
die verſchiedenſten Vegetationserſcheinungen auf dieſes Agens
zurückzuführen. Er hatte die Wirkungen der Endosmoſe zuerſt
an organiſchen Gebilden und zwar in ihren mechaniſchen Effekten
kennen gelernt: der Austritt der Zooſporen eines Waſſerpilzes
und die Ausſtoßung des Sperma's aus den Samenbeuteln der
Schnecken hatten ihn zuerſt auf die Annahme geführt, daß der
von den organiſchen Häuten umſchloſſene dichtere Inhalt eine
1) R. H. Joachim Dutrochet, 1776 geboren, ſtammte aus einer
adeligen Familie des Indre-Departements, welche während der Revolution
ihr Vermögen verlor; um ſich nun einen Unterhalt zu ſichern, ſtudirte Du-
trochet Medicin und promovirte 1806 an der Pariſer Facultät; 1808
und 1809 machte er als Militärarzt den Feldzug in Spanien mit; ſobald
es ihm jedoch möglich wurde, gab er die Praxis auf, um in tiefer Zurück-
gezogenheit ſeinen phyſiologiſchen Studien zu leben; zunächſt während einer
Reihe von Jahren in der Tourraine. Seit 1819 correſpondirendes Mit-
glied der Akademie, ſandte er derſelben ſeine Abhandlungen, und als er
1831 ordentliches Mitglied wurde, zog er nach Paris, wo er jedoch nur
die Wintermonate zu verleben pflegte. Ein heftiger Stoß an den Kopf
verurſachte ihm ein langwieriges Kopfleiden, an welchem er zwei Jahre ſpäter
1847 ſtarb. — Dutrochet war auch in der Thierphyſiologie einer der
erfolgreichſten Vorkämpfer der neueren Richtung, welche in den zwanziger
und dreißiger Jahren die alte vitaliſtiſche Schule zu verdrängen begann.
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| Zitationshilfe: | Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/562>, abgerufen am 22.11.2024. |
