das Beste, was die physiologische Literatur in diesem langen Zeitraum aufzuweisen hat; hätten die späteren Botaniker, statt sich an seine Fehler zu hängen, das wirklich Gute in seiner Gesammtauffassung der Pflanzenphysiologie sorgfältig und kritisch weiter kultivirt, so wäre diese Disciplin in den vierziger und fünfziger Jahren gewiß nicht in dem Grade in Verfall gerathen, wie es wirklich geschehen ist. Um zu erfahren, welche Bedeutung Dutrochet in den dreißiger Jahren als Pflanzenphysiolog besaß, braucht man sein erwähntes Werk nur mit den besten Lehr- büchern der Pflanzenphysiologie desselben Jahrzehntes, mit denen von De Candolle, Treviranus und Meyen zu vergleichen. Keines derselben erreicht an Scharfsinn und Tiefe der Behand- lung Dutrochet's Memoires.
Die drei eben erwähnten Lehrbücher enthielten zwar wenig oder nichts Neues auf dem Gebiet der Ernährungslehre, weder an Thatsachen, noch an Gedanken; alle drei waren vielmehr Sammlungen des bis dahin Bekannten und eigenthümlich war jedem nur die Auswahl des Stoffes und die Form, welche es der Ernährungslehre zu geben suchte; aber gerade hierin liegt ein Grund, uns diese Bücher noch etwas näher anzusehen, da wir in ihnen den Zeitgeist, wie er sich damals in der Pflanzen- physiologie abspiegelte und sich auf dem Gebiet der Ernährungs- lehre geltend machte, kennen lernen.
P. de Candolle's Werk erschien in zwei Bänden, von denen der erste allein der Ernährungslehre gewidmet ist, 1832 französisch und schon 1833 in deutscher Uebersetzung unter dem Titel: "Pflanzenphysiologie oder Darstellung der Lebenskräfte und Lebensverrichtungen der Gewächse" mit zahlreichen, werth- vollen Anmerkungen des Uebersetzers Roeper. Das Werk leidet gleich den beiden anderen und gleich den früheren Werken von Du Hamel, Mustel u. a. ganz vorwiegend an einer zu großen Breite der Behandlung, durch welche das principiell Wichtige in einem ungeheuren Ballast von Thatsachen und Li- teraturangaben sich verbirgt. Sehr Vieles ist darin aufgenom- men, was entweder als gänzlich veraltet völlig wegbleiben konnte,
Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
das Beſte, was die phyſiologiſche Literatur in dieſem langen Zeitraum aufzuweiſen hat; hätten die ſpäteren Botaniker, ſtatt ſich an ſeine Fehler zu hängen, das wirklich Gute in ſeiner Geſammtauffaſſung der Pflanzenphyſiologie ſorgfältig und kritiſch weiter kultivirt, ſo wäre dieſe Disciplin in den vierziger und fünfziger Jahren gewiß nicht in dem Grade in Verfall gerathen, wie es wirklich geſchehen iſt. Um zu erfahren, welche Bedeutung Dutrochet in den dreißiger Jahren als Pflanzenphyſiolog beſaß, braucht man ſein erwähntes Werk nur mit den beſten Lehr- büchern der Pflanzenphyſiologie desſelben Jahrzehntes, mit denen von De Candolle, Treviranus und Meyen zu vergleichen. Keines derſelben erreicht an Scharfſinn und Tiefe der Behand- lung Dutrochet's Memoires.
Die drei eben erwähnten Lehrbücher enthielten zwar wenig oder nichts Neues auf dem Gebiet der Ernährungslehre, weder an Thatſachen, noch an Gedanken; alle drei waren vielmehr Sammlungen des bis dahin Bekannten und eigenthümlich war jedem nur die Auswahl des Stoffes und die Form, welche es der Ernährungslehre zu geben ſuchte; aber gerade hierin liegt ein Grund, uns dieſe Bücher noch etwas näher anzuſehen, da wir in ihnen den Zeitgeiſt, wie er ſich damals in der Pflanzen- phyſiologie abſpiegelte und ſich auf dem Gebiet der Ernährungs- lehre geltend machte, kennen lernen.
P. de Candolle's Werk erſchien in zwei Bänden, von denen der erſte allein der Ernährungslehre gewidmet iſt, 1832 franzöſiſch und ſchon 1833 in deutſcher Ueberſetzung unter dem Titel: „Pflanzenphyſiologie oder Darſtellung der Lebenskräfte und Lebensverrichtungen der Gewächſe“ mit zahlreichen, werth- vollen Anmerkungen des Ueberſetzers Roeper. Das Werk leidet gleich den beiden anderen und gleich den früheren Werken von Du Hamel, Muſtel u. a. ganz vorwiegend an einer zu großen Breite der Behandlung, durch welche das principiell Wichtige in einem ungeheuren Ballaſt von Thatſachen und Li- teraturangaben ſich verbirgt. Sehr Vieles iſt darin aufgenom- men, was entweder als gänzlich veraltet völlig wegbleiben konnte,
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Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
das Beſte, was die phyſiologiſche Literatur in dieſem langen
Zeitraum aufzuweiſen hat; hätten die ſpäteren Botaniker, ſtatt
ſich an ſeine Fehler zu hängen, das wirklich Gute in ſeiner
Geſammtauffaſſung der Pflanzenphyſiologie ſorgfältig und kritiſch
weiter kultivirt, ſo wäre dieſe Disciplin in den vierziger und
fünfziger Jahren gewiß nicht in dem Grade in Verfall gerathen,
wie es wirklich geſchehen iſt. Um zu erfahren, welche Bedeutung
Dutrochet in den dreißiger Jahren als Pflanzenphyſiolog beſaß,
braucht man ſein erwähntes Werk nur mit den beſten Lehr-
büchern der Pflanzenphyſiologie desſelben Jahrzehntes, mit denen
von De Candolle, Treviranus und Meyen zu vergleichen.
Keines derſelben erreicht an Scharfſinn und Tiefe der Behand-
lung Dutrochet's Memoires.
Die drei eben erwähnten Lehrbücher enthielten zwar wenig
oder nichts Neues auf dem Gebiet der Ernährungslehre, weder
an Thatſachen, noch an Gedanken; alle drei waren vielmehr
Sammlungen des bis dahin Bekannten und eigenthümlich war
jedem nur die Auswahl des Stoffes und die Form, welche es
der Ernährungslehre zu geben ſuchte; aber gerade hierin liegt
ein Grund, uns dieſe Bücher noch etwas näher anzuſehen, da
wir in ihnen den Zeitgeiſt, wie er ſich damals in der Pflanzen-
phyſiologie abſpiegelte und ſich auf dem Gebiet der Ernährungs-
lehre geltend machte, kennen lernen.
P. de Candolle's Werk erſchien in zwei Bänden, von
denen der erſte allein der Ernährungslehre gewidmet iſt, 1832
franzöſiſch und ſchon 1833 in deutſcher Ueberſetzung unter dem
Titel: „Pflanzenphyſiologie oder Darſtellung der Lebenskräfte
und Lebensverrichtungen der Gewächſe“ mit zahlreichen, werth-
vollen Anmerkungen des Ueberſetzers Roeper. Das Werk leidet
gleich den beiden anderen und gleich den früheren Werken von
Du Hamel, Muſtel u. a. ganz vorwiegend an einer zu
großen Breite der Behandlung, durch welche das principiell
Wichtige in einem ungeheuren Ballaſt von Thatſachen und Li-
teraturangaben ſich verbirgt. Sehr Vieles iſt darin aufgenom-
men, was entweder als gänzlich veraltet völlig wegbleiben konnte,
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/568>, abgerufen am 22.11.2024.
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