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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur
im Innern verborgen sei, nämlich im Mark, welches nur im
Stengel, nicht in der Wurzel vorhanden ist. Daß dieß auch die
Meinung der Alten gewesen sei, können wir aus dem Namen
schließen, denn diesen Theil nannten sie bei den Pflanzen Herz
(cor), Andere auch Gehirn (cerebrum), Andere matrix, da aus
diesem Theil gewissermaßen das Princip der Foetification (Samen-
bildung) abgeleitet werde." Man bemerkt schon hier, warum die
Samen nach Caesalpin, was ihm später von Linne getreulich
nachgesprochen wurde, aus dem Mark entstehen sollen, worauf
wir noch zurückkommen; den Schluß der ganzen weitläufigen
Deduction bildet der Satz: "Nun giebt es aber bei den Pflanzen
zwei Haupttheile, die Wurzel und das Ganze, was nach Oben
strebt; demnach scheint der passendste Ort für das Herz der
Pflanzen in dem mittleren Theil zu liegen, wo nämlich der
Sproß mit der Wurzel sich verbindet. Auch erscheint an diesem
Orte eine gewisse Substanz, welche sowohl vom Sproß, wie von
der Wurzel verschieden ist, weicher und fleischiger als beide,
weßhalb sie cerebrum genannt zu werden pflegt, bei vielen
eßbar, bevor sie alt wird." Wir werden weiter unten noch sehen,
welch' bedeutungsvolle Rolle dieser so schwierig mit allen Hilfs-
mitteln der Scholastik zu Tage geförderte Sitz der Pflanzenseele
in der Systematik Caesalpin's zu spielen bestimmt ist und
wie er auf diesem theoretischen Weg dazu gelangte, die Lage des
Embryos im Samen als Eintheilungsprincip zu benützen. Hier
aber mag die Bemerkung noch Raum finden, daß der Verbin-
dungspunkt von Wurzel und Stamm, in welchem Caesalpin
den Sitz der Pflanzenseele suchte, von den späteren Botanikern
den Namen Wurzelhals erhielt (collet); wenn aber auch die Bo-
taniker des 19. Jahrhunderts aus der Schule Linne's nicht
mehr wußten, was im 16. Jahrhundert Caesalpin bewiesen
hatte, daß der Wurzelhals der Sitz der Pflanzenseele sei, und
wenn man auch an eine Pflanzenseele nicht mehr glaubte, so
erhielt sich doch eine abergläubische Werthschätzung dieses Theils
der Pflanze, der eigentlich nicht einmal ein Theil ist; und nur
so scheint es erklärlich, daß demselben besonders von manchen

Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
im Innern verborgen ſei, nämlich im Mark, welches nur im
Stengel, nicht in der Wurzel vorhanden iſt. Daß dieß auch die
Meinung der Alten geweſen ſei, können wir aus dem Namen
ſchließen, denn dieſen Theil nannten ſie bei den Pflanzen Herz
(cor), Andere auch Gehirn (cerebrum), Andere matrix, da aus
dieſem Theil gewiſſermaßen das Princip der Foetification (Samen-
bildung) abgeleitet werde.“ Man bemerkt ſchon hier, warum die
Samen nach Caeſalpin, was ihm ſpäter von Linné getreulich
nachgeſprochen wurde, aus dem Mark entſtehen ſollen, worauf
wir noch zurückkommen; den Schluß der ganzen weitläufigen
Deduction bildet der Satz: „Nun giebt es aber bei den Pflanzen
zwei Haupttheile, die Wurzel und das Ganze, was nach Oben
ſtrebt; demnach ſcheint der paſſendſte Ort für das Herz der
Pflanzen in dem mittleren Theil zu liegen, wo nämlich der
Sproß mit der Wurzel ſich verbindet. Auch erſcheint an dieſem
Orte eine gewiſſe Subſtanz, welche ſowohl vom Sproß, wie von
der Wurzel verſchieden iſt, weicher und fleiſchiger als beide,
weßhalb ſie cerebrum genannt zu werden pflegt, bei vielen
eßbar, bevor ſie alt wird.“ Wir werden weiter unten noch ſehen,
welch' bedeutungsvolle Rolle dieſer ſo ſchwierig mit allen Hilfs-
mitteln der Scholaſtik zu Tage geförderte Sitz der Pflanzenſeele
in der Syſtematik Caeſalpin's zu ſpielen beſtimmt iſt und
wie er auf dieſem theoretiſchen Weg dazu gelangte, die Lage des
Embryos im Samen als Eintheilungsprincip zu benützen. Hier
aber mag die Bemerkung noch Raum finden, daß der Verbin-
dungspunkt von Wurzel und Stamm, in welchem Caeſalpin
den Sitz der Pflanzenſeele ſuchte, von den ſpäteren Botanikern
den Namen Wurzelhals erhielt (collet); wenn aber auch die Bo-
taniker des 19. Jahrhunderts aus der Schule Linné's nicht
mehr wußten, was im 16. Jahrhundert Caeſalpin bewieſen
hatte, daß der Wurzelhals der Sitz der Pflanzenſeele ſei, und
wenn man auch an eine Pflanzenſeele nicht mehr glaubte, ſo
erhielt ſich doch eine abergläubiſche Werthſchätzung dieſes Theils
der Pflanze, der eigentlich nicht einmal ein Theil iſt; und nur
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[50/0062] Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur im Innern verborgen ſei, nämlich im Mark, welches nur im Stengel, nicht in der Wurzel vorhanden iſt. Daß dieß auch die Meinung der Alten geweſen ſei, können wir aus dem Namen ſchließen, denn dieſen Theil nannten ſie bei den Pflanzen Herz (cor), Andere auch Gehirn (cerebrum), Andere matrix, da aus dieſem Theil gewiſſermaßen das Princip der Foetification (Samen- bildung) abgeleitet werde.“ Man bemerkt ſchon hier, warum die Samen nach Caeſalpin, was ihm ſpäter von Linné getreulich nachgeſprochen wurde, aus dem Mark entſtehen ſollen, worauf wir noch zurückkommen; den Schluß der ganzen weitläufigen Deduction bildet der Satz: „Nun giebt es aber bei den Pflanzen zwei Haupttheile, die Wurzel und das Ganze, was nach Oben ſtrebt; demnach ſcheint der paſſendſte Ort für das Herz der Pflanzen in dem mittleren Theil zu liegen, wo nämlich der Sproß mit der Wurzel ſich verbindet. Auch erſcheint an dieſem Orte eine gewiſſe Subſtanz, welche ſowohl vom Sproß, wie von der Wurzel verſchieden iſt, weicher und fleiſchiger als beide, weßhalb ſie cerebrum genannt zu werden pflegt, bei vielen eßbar, bevor ſie alt wird.“ Wir werden weiter unten noch ſehen, welch' bedeutungsvolle Rolle dieſer ſo ſchwierig mit allen Hilfs- mitteln der Scholaſtik zu Tage geförderte Sitz der Pflanzenſeele in der Syſtematik Caeſalpin's zu ſpielen beſtimmt iſt und wie er auf dieſem theoretiſchen Weg dazu gelangte, die Lage des Embryos im Samen als Eintheilungsprincip zu benützen. Hier aber mag die Bemerkung noch Raum finden, daß der Verbin- dungspunkt von Wurzel und Stamm, in welchem Caeſalpin den Sitz der Pflanzenſeele ſuchte, von den ſpäteren Botanikern den Namen Wurzelhals erhielt (collet); wenn aber auch die Bo- taniker des 19. Jahrhunderts aus der Schule Linné's nicht mehr wußten, was im 16. Jahrhundert Caeſalpin bewieſen hatte, daß der Wurzelhals der Sitz der Pflanzenſeele ſei, und wenn man auch an eine Pflanzenſeele nicht mehr glaubte, ſo erhielt ſich doch eine abergläubiſche Werthſchätzung dieſes Theils der Pflanze, der eigentlich nicht einmal ein Theil iſt; und nur ſo ſcheint es erklärlich, daß demſelben beſonders von manchen

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/62>, abgerufen am 23.11.2024.