schale, welche zum Schutz herumgelegt ist. Es war nämlich nicht nöthig in den Pflanzen eine besondere befruchtende Substanz von der übrigen Materie zu scheiden, wie bei den Thieren, die sich als männliche und weibliche unterscheiden" u. s. w.
Die Schlußbemerkung sowie mehrere ausführliche Deductionen Caesalpin's sollen wie bei Aristoteles die Abwesenheit, ja Unmöglichkeit der Sexualität bei den Pflanzen beweisen und dem entsprechend vergleicht er denn auch weiterhin die Blüthentheile, die er besser als seine Zeitgenossen kannte, mit den Eihäuten des thierischen Foetus, die er als Schutzorgane auffaßt. Kelch, Corolle, Staubfäden und Carpelle sind ihm bloß schützende Hüllen des jungen Samens, wie die Laubblätter nur Schutzmittel der jungen Sprosse sind. Unter Blüthe (flos) versteht Caesalpin übrigens nur die Theile der Blüthe, welche nicht unmittel- bar zur Fruchtanlage gehören, also den Kelch, die Blumenkrone, und die Staubgefäße. Dieß muß man festhalten, wenn man seine Fructificationstheorie und besonders seine Metamorphosen- lehre verstehen will. Auch ist dabei zu beachten, daß er unter dem Ausdruck Pericarpium ausschließlich die saftigen, eßbaren Fruchthüllen versteht, wobei aber freilich auch pulpöse Samen- hüllen innerhalb der Frucht selbst für Pericarpien gelten. Als Blüthentheile gelten ihm das folium, welches offenbar die Blumenkrone bedeutet, aber in gewissen Fällen auch den Kelch mit umfaßt; ferner das stamen worunter Caesalpin unsere Griffel versteht, und die flocci, unsere jetzigen Staubgefäße. Man sieht, daß Caesalpin ohne Weiteres Kelch und Blumen- krone mit demselben Wort bezeichnete, wie die gewöhnlichen Laub- blätter, mit dem Worte folium; ebenso wie er und hundert Jahre später Malpighi ohne Bedenken die Cotyledonarblätter als metamorphosirte Blätter betrachtete. Uebrigens liegt die Blattnatur der Blüthenhüllen und der Cotyledonen so nahe, daß jedes unbefangene Auge sie unbewußt wahrnehmen muß; wenn in dieser Beziehung in der nachlinne'schen Zeit Zweifel ent- stehen konnten, so war das nur in Folge der linneischen Nomen- clatur, welche jeder comparativen Betrachtung entbehrte, möglich.
Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
ſchale, welche zum Schutz herumgelegt iſt. Es war nämlich nicht nöthig in den Pflanzen eine beſondere befruchtende Subſtanz von der übrigen Materie zu ſcheiden, wie bei den Thieren, die ſich als männliche und weibliche unterſcheiden“ u. ſ. w.
Die Schlußbemerkung ſowie mehrere ausführliche Deductionen Caeſalpin's ſollen wie bei Ariſtoteles die Abweſenheit, ja Unmöglichkeit der Sexualität bei den Pflanzen beweiſen und dem entſprechend vergleicht er denn auch weiterhin die Blüthentheile, die er beſſer als ſeine Zeitgenoſſen kannte, mit den Eihäuten des thieriſchen Foetus, die er als Schutzorgane auffaßt. Kelch, Corolle, Staubfäden und Carpelle ſind ihm bloß ſchützende Hüllen des jungen Samens, wie die Laubblätter nur Schutzmittel der jungen Sproſſe ſind. Unter Blüthe (flos) verſteht Caeſalpin übrigens nur die Theile der Blüthe, welche nicht unmittel- bar zur Fruchtanlage gehören, alſo den Kelch, die Blumenkrone, und die Staubgefäße. Dieß muß man feſthalten, wenn man ſeine Fructificationstheorie und beſonders ſeine Metamorphoſen- lehre verſtehen will. Auch iſt dabei zu beachten, daß er unter dem Ausdruck Pericarpium ausſchließlich die ſaftigen, eßbaren Fruchthüllen verſteht, wobei aber freilich auch pulpöſe Samen- hüllen innerhalb der Frucht ſelbſt für Pericarpien gelten. Als Blüthentheile gelten ihm das folium, welches offenbar die Blumenkrone bedeutet, aber in gewiſſen Fällen auch den Kelch mit umfaßt; ferner das stamen worunter Caeſalpin unſere Griffel verſteht, und die flocci, unſere jetzigen Staubgefäße. Man ſieht, daß Caeſalpin ohne Weiteres Kelch und Blumen- krone mit demſelben Wort bezeichnete, wie die gewöhnlichen Laub- blätter, mit dem Worte folium; ebenſo wie er und hundert Jahre ſpäter Malpighi ohne Bedenken die Cotyledonarblätter als metamorphoſirte Blätter betrachtete. Uebrigens liegt die Blattnatur der Blüthenhüllen und der Cotyledonen ſo nahe, daß jedes unbefangene Auge ſie unbewußt wahrnehmen muß; wenn in dieſer Beziehung in der nachlinné'ſchen Zeit Zweifel ent- ſtehen konnten, ſo war das nur in Folge der linnéiſchen Nomen- clatur, welche jeder comparativen Betrachtung entbehrte, möglich.
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[52/0064]
Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
ſchale, welche zum Schutz herumgelegt iſt. Es war nämlich nicht
nöthig in den Pflanzen eine beſondere befruchtende Subſtanz von
der übrigen Materie zu ſcheiden, wie bei den Thieren, die ſich
als männliche und weibliche unterſcheiden“ u. ſ. w.
Die Schlußbemerkung ſowie mehrere ausführliche Deductionen
Caeſalpin's ſollen wie bei Ariſtoteles die Abweſenheit, ja
Unmöglichkeit der Sexualität bei den Pflanzen beweiſen und dem
entſprechend vergleicht er denn auch weiterhin die Blüthentheile,
die er beſſer als ſeine Zeitgenoſſen kannte, mit den Eihäuten des
thieriſchen Foetus, die er als Schutzorgane auffaßt. Kelch,
Corolle, Staubfäden und Carpelle ſind ihm bloß ſchützende Hüllen
des jungen Samens, wie die Laubblätter nur Schutzmittel der
jungen Sproſſe ſind. Unter Blüthe (flos) verſteht Caeſalpin
übrigens nur die Theile der Blüthe, welche nicht unmittel-
bar zur Fruchtanlage gehören, alſo den Kelch, die Blumenkrone,
und die Staubgefäße. Dieß muß man feſthalten, wenn man
ſeine Fructificationstheorie und beſonders ſeine Metamorphoſen-
lehre verſtehen will. Auch iſt dabei zu beachten, daß er unter
dem Ausdruck Pericarpium ausſchließlich die ſaftigen, eßbaren
Fruchthüllen verſteht, wobei aber freilich auch pulpöſe Samen-
hüllen innerhalb der Frucht ſelbſt für Pericarpien gelten. Als
Blüthentheile gelten ihm das folium, welches offenbar die
Blumenkrone bedeutet, aber in gewiſſen Fällen auch den Kelch
mit umfaßt; ferner das stamen worunter Caeſalpin unſere
Griffel verſteht, und die flocci, unſere jetzigen Staubgefäße.
Man ſieht, daß Caeſalpin ohne Weiteres Kelch und Blumen-
krone mit demſelben Wort bezeichnete, wie die gewöhnlichen Laub-
blätter, mit dem Worte folium; ebenſo wie er und hundert
Jahre ſpäter Malpighi ohne Bedenken die Cotyledonarblätter
als metamorphoſirte Blätter betrachtete. Uebrigens liegt die
Blattnatur der Blüthenhüllen und der Cotyledonen ſo nahe, daß
jedes unbefangene Auge ſie unbewußt wahrnehmen muß; wenn
in dieſer Beziehung in der nachlinné'ſchen Zeit Zweifel ent-
ſtehen konnten, ſo war das nur in Folge der linnéiſchen Nomen-
clatur, welche jeder comparativen Betrachtung entbehrte, möglich.
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/64>, abgerufen am 27.11.2024.
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