Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur. glauben, es sei vor der Historia plantarum des Ray und vordem Hauptwerk des Rivinus geschrieben. Doch ist Ein Vorzug von rein formaler Natur hervorzuheben: es herrscht strenge Ordnung in diesem Werke, jede Classe wird in Sectionen, diese in Genera und diese in Species eingetheilt, zudem sind die einen ganzen Band füllenden Abbildungen von Blüthentheilen und Blättern sehr schön in Kupfer gestochen, übersichtlich geordnet, das Werk also in hohem Grade zum Nachschlagen und zu rascher Orientirung geeignet. Um jedoch einen Begriff von dem Durch- einander, das in verwandtschaftlicher Beziehung in seinem System herrscht, zu gewinnen, brauchen wir nur die ersten drei Sectionen seiner ersten Classe aufzuschlagen, wo wir Atropa und Mandra- gora in der ersten, Polygonatum und Ruscus in der zweiten, Cerinthe, Gentiana, Soldanella, Euphorbia, Oxalis in der dritten Section vereinigt finden. -- Die Handlichkeit dieses Buches einerseits, das geringe Interesse der meisten damaligen Botaniker für die natürliche Verwandtschaft, das immer noch steigende Interesse für die Einzelkenntniß der Pflanzen, haben es offenbar verursacht, daß Tournefort nicht nur in Frankreich, sondern auch in England, Italien und Deutschland die meisten Botaniker für sich gewann, daß sein System ähnlich wie später dasLinne'sche Sexualsystem in den ersten drei bis vier Decennien des 18. Jahrhunderts fast allgemein den Darstellungen zu Grunde gelegt wurde. Unter andern entwarf Boerhave 1710 ein System, welches als eine Combination dessen von Ray mit dem von Herrmann und Tournefort gelten kann, übrigens aber weiter keinen Anklang fand. Indem ich hiermit die Systematiker des 17. Jahrhunderts Carl Linnaeus 1), seit 1757 Carl von Linne genannt, 1) Außer einer Autobiographie geben über Linne's äußeres Leben
zahlreiche biographische Schriften Auskunft die man z. Th. in Pritzel's Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur. glauben, es ſei vor der Historia plantarum des Ray und vordem Hauptwerk des Rivinus geſchrieben. Doch iſt Ein Vorzug von rein formaler Natur hervorzuheben: es herrſcht ſtrenge Ordnung in dieſem Werke, jede Claſſe wird in Sectionen, dieſe in Genera und dieſe in Species eingetheilt, zudem ſind die einen ganzen Band füllenden Abbildungen von Blüthentheilen und Blättern ſehr ſchön in Kupfer geſtochen, überſichtlich geordnet, das Werk alſo in hohem Grade zum Nachſchlagen und zu raſcher Orientirung geeignet. Um jedoch einen Begriff von dem Durch- einander, das in verwandtſchaftlicher Beziehung in ſeinem Syſtem herrſcht, zu gewinnen, brauchen wir nur die erſten drei Sectionen ſeiner erſten Claſſe aufzuſchlagen, wo wir Atropa und Mandra- gora in der erſten, Polygonatum und Ruscus in der zweiten, Cerinthe, Gentiana, Soldanella, Euphorbia, Oxalis in der dritten Section vereinigt finden. — Die Handlichkeit dieſes Buches einerſeits, das geringe Intereſſe der meiſten damaligen Botaniker für die natürliche Verwandtſchaft, das immer noch ſteigende Intereſſe für die Einzelkenntniß der Pflanzen, haben es offenbar verurſacht, daß Tournefort nicht nur in Frankreich, ſondern auch in England, Italien und Deutſchland die meiſten Botaniker für ſich gewann, daß ſein Syſtem ähnlich wie ſpäter dasLinné'ſche Sexualſyſtem in den erſten drei bis vier Decennien des 18. Jahrhunderts faſt allgemein den Darſtellungen zu Grunde gelegt wurde. Unter andern entwarf Boerhave 1710 ein Syſtem, welches als eine Combination deſſen von Ray mit dem von Herrmann und Tournefort gelten kann, übrigens aber weiter keinen Anklang fand. Indem ich hiermit die Syſtematiker des 17. Jahrhunderts Carl Linnaeus 1), ſeit 1757 Carl von Linné genannt, 1) Außer einer Autobiographie geben über Linné's äußeres Leben
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glauben, es ſei vor der Historia plantarum des Ray und vor
dem Hauptwerk des Rivinus geſchrieben. Doch iſt Ein Vorzug
von rein formaler Natur hervorzuheben: es herrſcht ſtrenge
Ordnung in dieſem Werke, jede Claſſe wird in Sectionen, dieſe
in Genera und dieſe in Species eingetheilt, zudem ſind die
einen ganzen Band füllenden Abbildungen von Blüthentheilen
und Blättern ſehr ſchön in Kupfer geſtochen, überſichtlich geordnet,
das Werk alſo in hohem Grade zum Nachſchlagen und zu raſcher
Orientirung geeignet. Um jedoch einen Begriff von dem Durch-
einander, das in verwandtſchaftlicher Beziehung in ſeinem Syſtem
herrſcht, zu gewinnen, brauchen wir nur die erſten drei Sectionen
ſeiner erſten Claſſe aufzuſchlagen, wo wir Atropa und Mandra-
gora in der erſten, Polygonatum und Ruscus in der zweiten,
Cerinthe, Gentiana, Soldanella, Euphorbia, Oxalis in der
dritten Section vereinigt finden. — Die Handlichkeit dieſes Buches
einerſeits, das geringe Intereſſe der meiſten damaligen Botaniker
für die natürliche Verwandtſchaft, das immer noch ſteigende
Intereſſe für die Einzelkenntniß der Pflanzen, haben es offenbar
verurſacht, daß Tournefort nicht nur in Frankreich, ſondern
auch in England, Italien und Deutſchland die meiſten Botaniker
für ſich gewann, daß ſein Syſtem ähnlich wie ſpäter dasLinné'ſche
Sexualſyſtem in den erſten drei bis vier Decennien des 18.
Jahrhunderts faſt allgemein den Darſtellungen zu Grunde gelegt
wurde. Unter andern entwarf Boerhave 1710 ein Syſtem,
welches als eine Combination deſſen von Ray mit dem von
Herrmann und Tournefort gelten kann, übrigens aber
weiter keinen Anklang fand.
Indem ich hiermit die Syſtematiker des 17. Jahrhunderts
verlaſſe, wende ich mich mit Uebergehung der bloßen Pflanzen-
ſammler der erſten drei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts nun-
mehr ſofort zu Linné.
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