er jedoch zu ihrer Anerkennung wesentlich beigetragen hat, obgleich nicht geleugnet werden kann, daß er selbst nach den Kölreuter'- schen Arbeiten noch höchst unklare, ja mystische Vorstellungen von der Sexualität der Pflanzen hegte.
Was aber Linne dennoch eine so überwältigende Bedeutung für seine Zeit gab, das ist die geschickte Zusammenfassung Alles dessen, was vor ihm geleistet worden war; gerade diese Ver- schmelzung des bisher Bekannten und Zerstreuten ist nicht nur das Charakteristische bei Linne, sondern auch zugleich ein großes Verdienst.
Caesalpin trug zuerst die aristotelische Denkweise in die Botanik hinein; sein System sollte der Absicht nach ein natür- liches sein, blieb aber ein äußerst unnatürliches; Linne, dem man überall den tiefen Eindruck ansieht, welchen Caesalpin auf ihn gemacht hat, behält das Bedeutendste, erkennt aber, was Keiner vor ihm erkannte, daß die Art von Systematik, wie sie Caesalpin, Morison, Ray, Tournefort, Rivin getrie- ben hatten, dem ihnen vorschwebenden Zweck, nämlich der Auf- findung der Verwandtschaften, unmöglich genügen könne, daß vielmehr auf diesem Wege nur eine künstliche und nützliche Anordnung gewonnen wird, während die Darstellung der natür- lichen Verwandtschaften auf ganz anderem Wege zu suchen ist.
Was die Nomenclatur der Pflanzentheile betrifft, in welcher sich die damalige Morphologie erschöpfte, so nimmt Linne den ganzen Inhalt der Isagoge des Jungius in sich auf, gibt ihm aber eine übersichtlichere Form und bereichert die Blüthen- theorie, indem er ohne Zögern die damals noch wenig beachtete sexuelle Bedeutung der Staubgefäße verwerthet und so eine bessere Gesammtauffassung der Blüthe gewinnt, die ihrerseits wieder ihre Früchte in einer eben so anschaulichen als bequemen Nomenclatur trägt: die noch jetzt in der Wissenschaft gebräuch- lichen Namen wie diöcisch, monöcisch, triandrisch, monogynisch u. s. w., mittelbar auch die später erfundenen Ausdrücke: dichogamisch, protandrisch, protogynisch u. dgl. verdanken ihre Entstehung die- ser richtigen Auffassung der Geschlechtsverhältnisse der Pflanzen.
der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
er jedoch zu ihrer Anerkennung weſentlich beigetragen hat, obgleich nicht geleugnet werden kann, daß er ſelbſt nach den Kölreuter'- ſchen Arbeiten noch höchſt unklare, ja myſtiſche Vorſtellungen von der Sexualität der Pflanzen hegte.
Was aber Linné dennoch eine ſo überwältigende Bedeutung für ſeine Zeit gab, das iſt die geſchickte Zuſammenfaſſung Alles deſſen, was vor ihm geleiſtet worden war; gerade dieſe Ver- ſchmelzung des bisher Bekannten und Zerſtreuten iſt nicht nur das Charakteriſtiſche bei Linné, ſondern auch zugleich ein großes Verdienſt.
Caeſalpin trug zuerſt die ariſtoteliſche Denkweiſe in die Botanik hinein; ſein Syſtem ſollte der Abſicht nach ein natür- liches ſein, blieb aber ein äußerſt unnatürliches; Linné, dem man überall den tiefen Eindruck anſieht, welchen Caeſalpin auf ihn gemacht hat, behält das Bedeutendſte, erkennt aber, was Keiner vor ihm erkannte, daß die Art von Syſtematik, wie ſie Caeſalpin, Moriſon, Ray, Tournefort, Rivin getrie- ben hatten, dem ihnen vorſchwebenden Zweck, nämlich der Auf- findung der Verwandtſchaften, unmöglich genügen könne, daß vielmehr auf dieſem Wege nur eine künſtliche und nützliche Anordnung gewonnen wird, während die Darſtellung der natür- lichen Verwandtſchaften auf ganz anderem Wege zu ſuchen iſt.
Was die Nomenclatur der Pflanzentheile betrifft, in welcher ſich die damalige Morphologie erſchöpfte, ſo nimmt Linné den ganzen Inhalt der Isagoge des Jungius in ſich auf, gibt ihm aber eine überſichtlichere Form und bereichert die Blüthen- theorie, indem er ohne Zögern die damals noch wenig beachtete ſexuelle Bedeutung der Staubgefäße verwerthet und ſo eine beſſere Geſammtauffaſſung der Blüthe gewinnt, die ihrerſeits wieder ihre Früchte in einer eben ſo anſchaulichen als bequemen Nomenclatur trägt: die noch jetzt in der Wiſſenſchaft gebräuch- lichen Namen wie diöciſch, monöciſch, triandriſch, monogyniſch u. ſ. w., mittelbar auch die ſpäter erfundenen Ausdrücke: dichogamiſch, protandriſch, protogyniſch u. dgl. verdanken ihre Entſtehung die- ſer richtigen Auffaſſung der Geſchlechtsverhältniſſe der Pflanzen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0099"n="87"/><fwplace="top"type="header">der Organe von Caeſalpin bis auf Linn<hirendition="#aq">é</hi>.</fw><lb/>
er jedoch zu ihrer Anerkennung weſentlich beigetragen hat, obgleich<lb/>
nicht geleugnet werden kann, daß er ſelbſt nach den <hirendition="#g">Kölreuter</hi>'-<lb/>ſchen Arbeiten noch höchſt unklare, ja myſtiſche Vorſtellungen<lb/>
von der Sexualität der Pflanzen hegte.</p><lb/><p>Was aber <hirendition="#g">Linn<hirendition="#aq">é</hi></hi> dennoch eine ſo überwältigende Bedeutung<lb/>
für ſeine Zeit gab, das iſt die geſchickte Zuſammenfaſſung Alles<lb/>
deſſen, was vor ihm geleiſtet worden war; gerade dieſe Ver-<lb/>ſchmelzung des bisher Bekannten und Zerſtreuten iſt nicht nur<lb/>
das Charakteriſtiſche bei <hirendition="#g">Linn<hirendition="#aq">é</hi></hi>, ſondern auch zugleich ein großes<lb/>
Verdienſt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Caeſalpin</hi> trug zuerſt die ariſtoteliſche Denkweiſe in die<lb/>
Botanik hinein; ſein Syſtem ſollte der Abſicht nach ein natür-<lb/>
liches ſein, blieb aber ein äußerſt unnatürliches; <hirendition="#g">Linn<hirendition="#aq">é</hi></hi>, dem<lb/>
man überall den tiefen Eindruck anſieht, welchen <hirendition="#g">Caeſalpin</hi><lb/>
auf ihn gemacht hat, behält das Bedeutendſte, erkennt aber, was<lb/>
Keiner vor ihm erkannte, daß die Art von Syſtematik, wie ſie<lb/><hirendition="#g">Caeſalpin</hi>, <hirendition="#g">Moriſon</hi>, <hirendition="#g">Ray</hi>, <hirendition="#g">Tournefort</hi>, <hirendition="#g">Rivin</hi> getrie-<lb/>
ben hatten, dem ihnen vorſchwebenden Zweck, nämlich der Auf-<lb/>
findung der Verwandtſchaften, unmöglich genügen könne, daß<lb/>
vielmehr auf dieſem Wege nur eine künſtliche und nützliche<lb/>
Anordnung gewonnen wird, während die Darſtellung der natür-<lb/>
lichen Verwandtſchaften auf ganz anderem Wege zu ſuchen iſt.</p><lb/><p>Was die Nomenclatur der Pflanzentheile betrifft, in welcher<lb/>ſich die damalige Morphologie erſchöpfte, ſo nimmt <hirendition="#g">Linn<hirendition="#aq">é</hi></hi> den<lb/>
ganzen Inhalt der <hirendition="#aq">Isagoge</hi> des <hirendition="#g">Jungius</hi> in ſich auf, gibt<lb/>
ihm aber eine überſichtlichere Form und bereichert die Blüthen-<lb/>
theorie, indem er ohne Zögern die damals noch wenig beachtete<lb/>ſexuelle Bedeutung der Staubgefäße verwerthet und ſo eine<lb/>
beſſere Geſammtauffaſſung der Blüthe gewinnt, die ihrerſeits<lb/>
wieder ihre Früchte in einer eben ſo anſchaulichen als bequemen<lb/>
Nomenclatur trägt: die noch jetzt in der Wiſſenſchaft gebräuch-<lb/>
lichen Namen wie diöciſch, monöciſch, triandriſch, monogyniſch u. ſ. w.,<lb/>
mittelbar auch die ſpäter erfundenen Ausdrücke: dichogamiſch,<lb/>
protandriſch, protogyniſch u. dgl. verdanken ihre Entſtehung die-<lb/>ſer richtigen Auffaſſung der Geſchlechtsverhältniſſe der Pflanzen.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[87/0099]
der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
er jedoch zu ihrer Anerkennung weſentlich beigetragen hat, obgleich
nicht geleugnet werden kann, daß er ſelbſt nach den Kölreuter'-
ſchen Arbeiten noch höchſt unklare, ja myſtiſche Vorſtellungen
von der Sexualität der Pflanzen hegte.
Was aber Linné dennoch eine ſo überwältigende Bedeutung
für ſeine Zeit gab, das iſt die geſchickte Zuſammenfaſſung Alles
deſſen, was vor ihm geleiſtet worden war; gerade dieſe Ver-
ſchmelzung des bisher Bekannten und Zerſtreuten iſt nicht nur
das Charakteriſtiſche bei Linné, ſondern auch zugleich ein großes
Verdienſt.
Caeſalpin trug zuerſt die ariſtoteliſche Denkweiſe in die
Botanik hinein; ſein Syſtem ſollte der Abſicht nach ein natür-
liches ſein, blieb aber ein äußerſt unnatürliches; Linné, dem
man überall den tiefen Eindruck anſieht, welchen Caeſalpin
auf ihn gemacht hat, behält das Bedeutendſte, erkennt aber, was
Keiner vor ihm erkannte, daß die Art von Syſtematik, wie ſie
Caeſalpin, Moriſon, Ray, Tournefort, Rivin getrie-
ben hatten, dem ihnen vorſchwebenden Zweck, nämlich der Auf-
findung der Verwandtſchaften, unmöglich genügen könne, daß
vielmehr auf dieſem Wege nur eine künſtliche und nützliche
Anordnung gewonnen wird, während die Darſtellung der natür-
lichen Verwandtſchaften auf ganz anderem Wege zu ſuchen iſt.
Was die Nomenclatur der Pflanzentheile betrifft, in welcher
ſich die damalige Morphologie erſchöpfte, ſo nimmt Linné den
ganzen Inhalt der Isagoge des Jungius in ſich auf, gibt
ihm aber eine überſichtlichere Form und bereichert die Blüthen-
theorie, indem er ohne Zögern die damals noch wenig beachtete
ſexuelle Bedeutung der Staubgefäße verwerthet und ſo eine
beſſere Geſammtauffaſſung der Blüthe gewinnt, die ihrerſeits
wieder ihre Früchte in einer eben ſo anſchaulichen als bequemen
Nomenclatur trägt: die noch jetzt in der Wiſſenſchaft gebräuch-
lichen Namen wie diöciſch, monöciſch, triandriſch, monogyniſch u. ſ. w.,
mittelbar auch die ſpäter erfundenen Ausdrücke: dichogamiſch,
protandriſch, protogyniſch u. dgl. verdanken ihre Entſtehung die-
ſer richtigen Auffaſſung der Geſchlechtsverhältniſſe der Pflanzen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/99>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.