Hans Sachs: Königin Deudalinda mit dem Meerwunder. In: ‚SG 15‘ (Spruchgedichtband 15). [s. l.], 1562, Bl. 104ff. Hrsg. und übersetzt von Anja Braun et al. Stuttgart, 2017.Vers 59Daß die köngin war schwanger worn Vers 59Daß die köngin war schwanger worn <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0003" n="59d"/> <l n="59">Daß die köngin war schwanger worn<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „dass sie“</note></l><lb/> <l n="60">Von dem meerwundr, und hat geborn<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „von dem Meerwunder schwanger geworden war. Und sie gebar“</note></l><lb/> <l n="61">Nach der zeit ein ungschaffen sun,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „nach der Zeit (der Schwangerschaft) einen missgestalteten Sohn,“</note></l><lb/> <l n="62">Rauch und schwartz, gleich seim vatter nun.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „haarig und schwarz, der nun seinem Vater glich.“</note></l><lb/> <l n="63">Deß iederman groß wunder hatt<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Darüber wunderte sich jedermann sehr“</note></l><lb/> <l n="64">Und hielt es für ein wunderthat.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und hielt es für eine Wundertat.“</note></l><lb/> <l n="65">Dises kind aufferzogen wur,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Dieses Kind wurde groß gezogen;“</note></l><lb/> <l n="66">Das war gantz dückischer natur.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „es war von ganz tückischem Wesen:“</note></l><lb/> <l n="67">In seiner jugend junger jar<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „In seiner Jugend, in jungen Jahren“</note></l><lb/> <l n="68">Es vil kinder bescheding war.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „verletzte es viele Kinder.“</note></l><lb/> <l n="69">Mit sein fingern ir augn außstach,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Mit seinen Fingern stach es ihre Augen aus,“</note></l><lb/> <l n="70">Sie stürtzt, ihn arm und beyn abbrach.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „warf sie zu Boden, riss ihnen Arme und Beine aus.“</note></l><lb/> <l n="71">Als er kam in das zwölffte jar,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Als er ins zwölfte Lebensjahr kam,“</note></l><lb/> <l n="72">Er gar wüst und tyrannisch war<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „war er sehr wüst und tyrannisch“</note></l><lb/> <l n="73">Und bracht umb vil der edlen knaben,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und brachte viele adlige Knaben um,“</note></l><lb/> <l n="74">Wo die mit im geschertzet haben.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „wenn diese mit ihm spielten.“</note></l><lb/> <l n="75">Das hofgsind hett an im ein grawen,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Der Hofgesellschaft graute es vor ihm,“</note></l><lb/> <l n="76">Er schwecht auch frawen und junckfrauwen.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „er missbrauchte auch Damen und Jungfrauen.“</note></l><lb/> <l n="77">Zuletzt ward er gar ungestümb,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Schließlich wurde er (so) überaus anmaßend,“</note></l><lb/> <l n="78">Daß er bracht etlich männer umb,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „dass er etliche Männer umbrachte,“</note></l><lb/> <l n="79">Wer ihm solch böse stück ward wehrn,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „die ihn an seinen bösen Taten hinderten“</note></l><lb/> <l n="80">Ihn ziehen wolt zu fürstling ehrn.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und ihn zu fürstlichen Ehren erziehen wollten.“</note></l><lb/> <l n="81">Als in der köng einsmals selbst strafft<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Als ihn der König einmal persönlich “</note></l><lb/> <l n="82">Mit worten, wurd er so boßhafft,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „mit Worten tadelte, wurde er so boshaft,“</note></l><lb/> <l n="83">Daß er den köng mit trutz loff an,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „dass er den König voller Feindseligkeit“</note></l><lb/> <l n="84">Mit zogner wehr, und ihn wolt han<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „mit gezogener Waffe angriff, und ihn“</note></l><lb/> <l n="85">Erstochen auff deß königs saal.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „in der Halle des Königs erstechen wollte.“</note></l><lb/> <l n="86">Der allein war und hett dißmal<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Dieser war ohne Gefolge und hatte bei dieser Gelegenheit“</note></l><lb/> <l n="87">Sein rechten son, welcher bald zug<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „seinen rechtmäßigen Sohn (bei sich), der sofort“</note></l><lb/> <l n="88">Von ledr und auff das monstrum schlug<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „das Schwert zog und auf das Monstrum einschlug“</note></l><lb/> <l n="89">Und dem könig da halff zu stund.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und dem König dort augenblicklich half.“</note></l><lb/> <l n="90">Doch wurdens all beyd von im wund.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Jedoch wurden sie alle beide von ihm (dem Bastard) verwundet.“</note></l><lb/> <l n="91">Doch hawtens im auch wunden groß.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Dennoch schlugen sie ihm ebenfalls große Wunden.“</note></l><lb/> <l n="92">Die köngin kam und selber schoß<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Die Königin kam und schoss höchstpersönlich“</note></l><lb/> <l n="93">Mit dem handbogen manchen stral,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „mit dem Handbogen viele Pfeile,“</note></l><lb/> <l n="94">Biß sie doch erlegten zumal<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „bis sie schließlich zusammen“</note></l><lb/> <l n="95">Dises ungefüge monstrum.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „dieses grässliche Monstrum erlegten.“</note></l><lb/> <l n="96">Nachdem der alte könig frum<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Danach sprach der treffliche alte König“</note></l><lb/> <l n="97">Die köngin war anreden thun:<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „die Königin an:“</note></l><lb/> <l n="98">„Diser ist nicht gwest mein sun.“,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „‚Dieser ist nicht mein Sohn gewesen.‘,“</note></l><lb/> <l n="99">Weyl er nicht gwest wer seinr natur.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „da er nicht seinem (des Königs) Wesen entsprochen habe.“</note></l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [59d/0003]
Daß die köngin war schwanger worn
Von dem meerwundr, und hat geborn
Nach der zeit ein ungschaffen sun,
Rauch und schwartz, gleich seim vatter nun.
Deß iederman groß wunder hatt
Und hielt es für ein wunderthat.
Dises kind aufferzogen wur,
Das war gantz dückischer natur.
In seiner jugend junger jar
Es vil kinder bescheding war.
Mit sein fingern ir augn außstach,
Sie stürtzt, ihn arm und beyn abbrach.
Als er kam in das zwölffte jar,
Er gar wüst und tyrannisch war
Und bracht umb vil der edlen knaben,
Wo die mit im geschertzet haben.
Das hofgsind hett an im ein grawen,
Er schwecht auch frawen und junckfrauwen.
Zuletzt ward er gar ungestümb,
Daß er bracht etlich männer umb,
Wer ihm solch böse stück ward wehrn,
Ihn ziehen wolt zu fürstling ehrn.
Als in der köng einsmals selbst strafft
Mit worten, wurd er so boßhafft,
Daß er den köng mit trutz loff an,
Mit zogner wehr, und ihn wolt han
Erstochen auff deß königs saal.
Der allein war und hett dißmal
Sein rechten son, welcher bald zug
Von ledr und auff das monstrum schlug
Und dem könig da halff zu stund.
Doch wurdens all beyd von im wund.
Doch hawtens im auch wunden groß.
Die köngin kam und selber schoß
Mit dem handbogen manchen stral,
Biß sie doch erlegten zumal
Dises ungefüge monstrum.
Nachdem der alte könig frum
Die köngin war anreden thun:
„Diser ist nicht gwest mein sun.“,
Weyl er nicht gwest wer seinr natur.
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des „Meerwunders“
(2018-02-22T15:10:46Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle
Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand
zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen
muss.
Nora Ketschik, Christian Thomas: Konvertierung der Ausgangsdaten (HTML)
nach DTABf und Nachbearbeitung des XML-Dokuments.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Der Sangspruchband SG 15 des Stadtarchivs Zwickau, der auf Blatt 104ff. das Gedicht „Königin Deudalinda mit dem Meerwunder“ enthält, ist seit mindestens 1853 verschollen. Der Text ist daher nur noch durch eine Edition von Keller/Goetze aus dem Jahr 1886 erschließbar. Ein kritischer Apparat ist dem Text nicht beigegeben, so dass Aussagen über eventuelle Eingriffe der Herausgeber in den ursprünglichen Wortlaut der Handschrift nicht möglich sind.
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