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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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Vertrauen wahre Busse thun, der Heiligung standhaft
nachjagen, gottselig, nüchtern und gerecht leben, die
Gnade Jesu durch einen göttlichen Wandel überall ver-
künden, und ihr Licht zum Preise des himmlischen
Vaters möchten leuchten lassen.

Nach dem Inhalte und Zwecke des Evangeliums
soll also der Prediger kein Aristotelischer, und kein Leib-
nitzischer, und kein -- -- scher Sittenredner, sondern
ein Verkünder der Gnade Gottes durch Jesus, und ein
solcher Verkünder der Gnade Gottes durch Jesus seyn,
dass der ganze Vortrag, Ausdruck und Ton und alles,
was an dem Prediger spricht, die Offenbarung der gött-
lichen Gnade
, und nicht die Offenbarung der Predigt-
talente, die Verherrlichung Gottes, und nicht die Ver-
herrlichung des Predigers bezielen. O! man merkt es
sogleich an den Einleitungen, Uebergängen, Lieblings-
themen, Beweisarten, Anwendungen
, ob der Prediger
mit Paulus Jesum, den Gekreuzigten kenne, oder sich
dessen mit den Antipaulischgesinnten schäme; ob er
den Menschen auf sich, oder auf die Quelle alles Guten
aufmerksam machen wolle; ob der Trieb, zu gefallen,
oder der Trieb, das Verlorne zu suchen und selig zu ma-
chen
, aus dem Redner spreche. Noch zuverlässiger
kennt man, nach den Worten Jesu, den Baum aus den
Früchten. Und es ist ein schlimmes Zeichen für die Pre-
diger, oder doch gewiss für die Zuhörer, wenn sie
beym Herausgehen aus der Predigt, wetteifernd den
Scharfsinn des Predigers rühmen, statt an ihre Brust zu
schlagen; oder ihm gar ein Bravo zurufen, statt ein
Peccavi vor Gott anzustimmen.

Drit-
C 2

Vertrauen wahre Buſſe thun, der Heiligung ſtandhaft
nachjagen, gottſelig, nüchtern und gerecht leben, die
Gnade Jeſu durch einen göttlichen Wandel überall ver-
künden, und ihr Licht zum Preiſe des himmliſchen
Vaters möchten leuchten laſſen.

Nach dem Inhalte und Zwecke des Evangeliums
ſoll alſo der Prediger kein Ariſtoteliſcher, und kein Leib-
nitziſcher, und kein — — ſcher Sittenredner, ſondern
ein Verkünder der Gnade Gottes durch Jeſus, und ein
ſolcher Verkünder der Gnade Gottes durch Jeſus ſeyn,
daſs der ganze Vortrag, Ausdruck und Ton und alles,
was an dem Prediger ſpricht, die Offenbarung der gött-
lichen Gnade
, und nicht die Offenbarung der Predigt-
talente, die Verherrlichung Gottes, und nicht die Ver-
herrlichung des Predigers bezielen. O! man merkt es
ſogleich an den Einleitungen, Uebergängen, Lieblings-
themen, Beweisarten, Anwendungen
, ob der Prediger
mit Paulus Jeſum, den Gekreuzigten kenne, oder ſich
deſſen mit den Antipauliſchgeſinnten ſchäme; ob er
den Menſchen auf ſich, oder auf die Quelle alles Guten
aufmerkſam machen wolle; ob der Trieb, zu gefallen,
oder der Trieb, das Verlorne zu ſuchen und ſelig zu ma-
chen
, aus dem Redner ſpreche. Noch zuverläſſiger
kennt man, nach den Worten Jeſu, den Baum aus den
Früchten. Und es iſt ein ſchlimmes Zeichen für die Pre-
diger, oder doch gewiſs für die Zuhörer, wenn ſie
beym Herausgehen aus der Predigt, wetteifernd den
Scharfſinn des Predigers rühmen, ſtatt an ihre Bruſt zu
ſchlagen; oder ihm gar ein Bravo zurufen, ſtatt ein
Peccavi vor Gott anzuſtimmen.

Drit-
C 2
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[35/0049] Vertrauen wahre Buſſe thun, der Heiligung ſtandhaft nachjagen, gottſelig, nüchtern und gerecht leben, die Gnade Jeſu durch einen göttlichen Wandel überall ver- künden, und ihr Licht zum Preiſe des himmliſchen Vaters möchten leuchten laſſen. Nach dem Inhalte und Zwecke des Evangeliums ſoll alſo der Prediger kein Ariſtoteliſcher, und kein Leib- nitziſcher, und kein — — ſcher Sittenredner, ſondern ein Verkünder der Gnade Gottes durch Jeſus, und ein ſolcher Verkünder der Gnade Gottes durch Jeſus ſeyn, daſs der ganze Vortrag, Ausdruck und Ton und alles, was an dem Prediger ſpricht, die Offenbarung der gött- lichen Gnade, und nicht die Offenbarung der Predigt- talente, die Verherrlichung Gottes, und nicht die Ver- herrlichung des Predigers bezielen. O! man merkt es ſogleich an den Einleitungen, Uebergängen, Lieblings- themen, Beweisarten, Anwendungen, ob der Prediger mit Paulus Jeſum, den Gekreuzigten kenne, oder ſich deſſen mit den Antipauliſchgeſinnten ſchäme; ob er den Menſchen auf ſich, oder auf die Quelle alles Guten aufmerkſam machen wolle; ob der Trieb, zu gefallen, oder der Trieb, das Verlorne zu ſuchen und ſelig zu ma- chen, aus dem Redner ſpreche. Noch zuverläſſiger kennt man, nach den Worten Jeſu, den Baum aus den Früchten. Und es iſt ein ſchlimmes Zeichen für die Pre- diger, oder doch gewiſs für die Zuhörer, wenn ſie beym Herausgehen aus der Predigt, wetteifernd den Scharfſinn des Predigers rühmen, ſtatt an ihre Bruſt zu ſchlagen; oder ihm gar ein Bravo zurufen, ſtatt ein Peccavi vor Gott anzuſtimmen. Drit- C 2

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/49>, abgerufen am 23.11.2024.