Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

herrlichet, das Reich der Weisheit über alle Reiche der
Eigenliebe erhaben, und der Wille des besten Wesens in
allem erfüllet werden möchte!!

Eine reinere Sittenlehre giebt es im Himmel
und auf Erde nicht, kann keine geben! Die letztern
Bitten: Gieb uns unser täglich Brod, vergieb uns un-
sere Schulden, führe uns nicht in Versuchung, erlöse
uns von allem Bösen
, harmoniren eben so genau mit
unserm wahren Wohlseyn, und eben darum mit dem
wahren Gutseyn.

Die christliche Sittenlehre weiset 5) der Liebe
gegen Gott das herrlichste Ziel an -- Die innigste Ver-
einigung mit Gott, die hier anfängt und nach diesem
Leben vollendet wird
. (Joh. XIV. 20. 21. 23. I. Cor. VI.
18. 19. II. 9. Joh. XVII. 20-25.) Da alle Liebe, als
Liebe gegen ein liebewürdiges Wesen, nach Vereini-
gung strebet; da der Menschengeist, als ein Ebenbild
Gottes, der Vereinigung mit Gott fähig seyn muss; da
die Liebe gegen Gott die mächtigste Scheidewand zwi-
schen Gott und dem Menschen, die Sünde, nieder-
reisset; da nichts Vergängliches die unvergängliche
Natur unsers Geistes sättigen kann; da in uns ein un-
auslöschliches Sehnen nach dem höchsten Gute gelegt
ist; da sich ausser der Quelle des Guten, und ohne Ei-
nigung mit ihr kein vollkommen Gutseyn denken lässt;
Da Jesus, Johannes und Paulus von dieser Vereinigung
als der Bestimmung des Menschen so würdig sprechen;
da all das, was wir Schöpfung, Erlösung und Heili-
gung nennen, keinen edlern Zweck haben kann, als

den

herrlichet, das Reich der Weisheit über alle Reiche der
Eigenliebe erhaben, und der Wille des beſten Weſens in
allem erfüllet werden möchte!!

Eine reinere Sittenlehre giebt es im Himmel
und auf Erde nicht, kann keine geben! Die letztern
Bitten: Gieb uns unſer täglich Brod, vergieb uns un-
ſere Schulden, führe uns nicht in Verſuchung, erlöſe
uns von allem Böſen
, harmoniren eben ſo genau mit
unſerm wahren Wohlſeyn, und eben darum mit dem
wahren Gutſeyn.

Die chriſtliche Sittenlehre weiſet 5) der Liebe
gegen Gott das herrlichſte Ziel an — Die innigſte Ver-
einigung mit Gott, die hier anfängt und nach dieſem
Leben vollendet wird
. (Joh. XIV. 20. 21. 23. I. Cor. VI.
18. 19. II. 9. Joh. XVII. 20-25.) Da alle Liebe, als
Liebe gegen ein liebewürdiges Weſen, nach Vereini-
gung ſtrebet; da der Menſchengeiſt, als ein Ebenbild
Gottes, der Vereinigung mit Gott fähig ſeyn muſs; da
die Liebe gegen Gott die mächtigſte Scheidewand zwi-
ſchen Gott und dem Menſchen, die Sünde, nieder-
reiſſet; da nichts Vergängliches die unvergängliche
Natur unſers Geiſtes ſättigen kann; da in uns ein un-
auslöſchliches Sehnen nach dem höchſten Gute gelegt
iſt; da ſich auſſer der Quelle des Guten, und ohne Ei-
nigung mit ihr kein vollkommen Gutſeyn denken läſst;
Da Jeſus, Johannes und Paulus von dieſer Vereinigung
als der Beſtimmung des Menſchen ſo würdig ſprechen;
da all das, was wir Schöpfung, Erlöſung und Heili-
gung nennen, keinen edlern Zweck haben kann, als

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0075" n="61"/> <hi rendition="#i">herrlichet, das Reich der Weisheit über alle Reiche der<lb/>
Eigenliebe erhaben, und der Wille des be&#x017F;ten We&#x017F;ens in<lb/>
allem erfüllet werden möchte!!</hi> </p><lb/>
            <p>Eine reinere Sittenlehre giebt es im Himmel<lb/>
und auf Erde nicht, kann keine geben! Die letztern<lb/>
Bitten: <hi rendition="#i">Gieb uns un&#x017F;er täglich Brod, vergieb uns un-<lb/>
&#x017F;ere Schulden, führe uns nicht in Ver&#x017F;uchung, erlö&#x017F;e<lb/>
uns von allem Bö&#x017F;en</hi>, harmoniren eben &#x017F;o genau mit<lb/>
un&#x017F;erm wahren Wohl&#x017F;eyn, und eben darum mit dem<lb/>
wahren Gut&#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Die chri&#x017F;tliche Sittenlehre wei&#x017F;et 5) <hi rendition="#i">der Liebe<lb/>
gegen Gott das herrlich&#x017F;te Ziel an &#x2014; Die innig&#x017F;te Ver-<lb/>
einigung mit Gott, die hier anfängt und nach die&#x017F;em<lb/>
Leben vollendet wird</hi>. (Joh. XIV. 20. 21. 23. I. Cor. VI.<lb/>
18. 19. II. 9. Joh. XVII. 20-25.) Da <hi rendition="#i">alle Liebe</hi>, als<lb/><hi rendition="#i">Liebe</hi> gegen ein liebewürdiges We&#x017F;en, nach Vereini-<lb/>
gung &#x017F;trebet; da der <hi rendition="#i">Men&#x017F;chengei&#x017F;t</hi>, als ein Ebenbild<lb/>
Gottes, der Vereinigung mit Gott fähig &#x017F;eyn mu&#x017F;s; da<lb/>
die <hi rendition="#i">Liebe gegen Gott</hi> die <hi rendition="#i">mächtig&#x017F;te Scheidewand</hi> zwi-<lb/>
&#x017F;chen Gott und dem Men&#x017F;chen, die Sünde, nieder-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;et; da nichts <hi rendition="#i">Vergängliches</hi> die unvergängliche<lb/>
Natur un&#x017F;ers Gei&#x017F;tes &#x017F;ättigen kann; da in uns ein un-<lb/>
auslö&#x017F;chliches Sehnen nach dem <hi rendition="#i">höch&#x017F;ten Gute</hi> gelegt<lb/>
i&#x017F;t; da &#x017F;ich <hi rendition="#i">au&#x017F;&#x017F;er</hi> der Quelle des Guten, und <hi rendition="#i">ohne</hi> Ei-<lb/>
nigung mit ihr kein vollkommen Gut&#x017F;eyn denken lä&#x017F;st;<lb/>
Da Je&#x017F;us, Johannes und Paulus von die&#x017F;er Vereinigung<lb/>
als der <hi rendition="#i">Be&#x017F;timmung</hi> des Men&#x017F;chen &#x017F;o würdig &#x017F;prechen;<lb/>
da all das, was wir Schöpfung, Erlö&#x017F;ung und Heili-<lb/>
gung nennen, keinen <hi rendition="#i">edlern Zweck</hi> haben kann, als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0075] herrlichet, das Reich der Weisheit über alle Reiche der Eigenliebe erhaben, und der Wille des beſten Weſens in allem erfüllet werden möchte!! Eine reinere Sittenlehre giebt es im Himmel und auf Erde nicht, kann keine geben! Die letztern Bitten: Gieb uns unſer täglich Brod, vergieb uns un- ſere Schulden, führe uns nicht in Verſuchung, erlöſe uns von allem Böſen, harmoniren eben ſo genau mit unſerm wahren Wohlſeyn, und eben darum mit dem wahren Gutſeyn. Die chriſtliche Sittenlehre weiſet 5) der Liebe gegen Gott das herrlichſte Ziel an — Die innigſte Ver- einigung mit Gott, die hier anfängt und nach dieſem Leben vollendet wird. (Joh. XIV. 20. 21. 23. I. Cor. VI. 18. 19. II. 9. Joh. XVII. 20-25.) Da alle Liebe, als Liebe gegen ein liebewürdiges Weſen, nach Vereini- gung ſtrebet; da der Menſchengeiſt, als ein Ebenbild Gottes, der Vereinigung mit Gott fähig ſeyn muſs; da die Liebe gegen Gott die mächtigſte Scheidewand zwi- ſchen Gott und dem Menſchen, die Sünde, nieder- reiſſet; da nichts Vergängliches die unvergängliche Natur unſers Geiſtes ſättigen kann; da in uns ein un- auslöſchliches Sehnen nach dem höchſten Gute gelegt iſt; da ſich auſſer der Quelle des Guten, und ohne Ei- nigung mit ihr kein vollkommen Gutſeyn denken läſst; Da Jeſus, Johannes und Paulus von dieſer Vereinigung als der Beſtimmung des Menſchen ſo würdig ſprechen; da all das, was wir Schöpfung, Erlöſung und Heili- gung nennen, keinen edlern Zweck haben kann, als den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/75
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/75>, abgerufen am 18.12.2024.